44. Hausärztinnen- und HausärztetagDas brauchen Hausarztpraxen jetzt

Es steht außer Frage: Die hausärztliche Versorgung muss gestärkt werden. Das haben die Delegierten beim 44. Hausärztinnen- und Hausärztetag in zahlreichen Anträgen unterstrichen. Konkret wurden sechs wichtige Knackpunkte formuliert.

Abstimmung in Berlin: In zahlreichen Anträgen haben die Delegierten unterstrichen, welche Rahmenbedingungen sie für ihre Arbeit brauchen.

Berlin. Unbürokratische Versorgungsstrukturen mit einer fairen Vergütung, eine Anerkennung der Teamleistung und eine funktionierende Digitalisierung: Mit weitgehend einstimmig abgestimmten Anträgen haben die rund 120 hausärztlichen Delegierten beim 44. Hausärztinnen- und Hausärztetag am Freitag (22. September) ein deutliches Signal an die Politik gesendet, wie die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit aussehen müssen.

Begleitend wurden die wichtigsten Forderungen aus den insgesamt 25 abgestimmten Anträgen zur aktuellen Gesundheitspolitik in Form eines ebenfalls einstimmig abgestimmten Forderungspapiers beschlossen.

“Mit dem Papier haben wir Hausärztinnen und Hausärzte sechs zentrale Punkte formuliert, die absolute Priorität haben müssen”, erklären die Bundesvorsitzenden Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier. “Wer in Zukunft noch auf eine starke hausärztliche Versorgung bauen will, der muss diese Forderungen jetzt umsetzen. Das gilt für die Selbstverwaltung genau wie für die Politik.“

Konkret sind darin folgende Forderungen enthalten (in der Reihenfolge der Abstimmung der Einzelforderungen durch die Delegierten):

1. Reform der Versorgungsstrukturen

Um die knappen Ressourcen des Gesundheitssystems effizient einzusetzen, bedarf es neuen Versorgungsstrukturen. Dies zeige sich auch in der Anzahl der Arztkontakte pro Einwohner, heißt es im entsprechenden Gesamtantrag: Mit 9,8 liege Deutschland auf der Basis von OECD-Daten damit deutlich über dem EU-Schnitt (6,7), nur getoppt von Südkorea (17,2) und Japan (12,5).

Um nicht notwendige, ungesteuerte Patientenkontakte zu reduzieren, sollen laut Hausärztinnen- und Hausärzteverband

  • die Quartalslogik im ambulanten Bereich abgeschafft werden,
  • eine Struktur- oder Vorhaltepauschale geschaffen werden,
  • die Notfallversorgung am Primat „Versorgung am Bedarf, nicht an Bedürfnissen“ ausgerichtet und dabei auch die Hausärztinnen und Hausärzte gezielt einbezogen werden,
  • das Gesundheitssystem auf die gesundheitliche Primärversorgung ausgerichtet sein.

2. HZV als Präventionsleistung

Die Teilnahme an der HZV sollte durch den Gesetzgeber als Präventionsleistung anerkannt und durch die Krankenkassen im Rahmen ihrer Präventions- und Bonusprogramme bonifiziert werden. Ein entsprechender Antrag wurde einstimmig angenommen.

Dass die HZV einen signifikanten Beitrag zur Prävention auf allen vier Präventionsebenen bedeutet, belegen unterdessen zahlreiche Studien.

Auch die Krankenkassen sollten laut Antrag davon profitieren, wenn ihre Versicherten mehr hausärztliche Steuerung in Anspruch nehmen.

Im Vertragsausschuss sei man darüber hinaus dabei, die Gesundheitsuntersuchung (GU) zu überarbeiten, sagte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier mit Blick auf weitere Präventionsbausteine.

3. Angemessene und faire Vergütung

Um die steigenden Kosten für Praxen – etwa aufgrund steigender Energiepreise, Gehälter oder Inflation – abzubilden und auch weiterhin eine hochwertige Patientenversorgung anbieten zu können, ist eine Anpassung der Vergütung für Hausarztpraxen abzubilden.

Dafür sind laut dem einstimmig beschlossenen Antrag zwei Bausteine nötig:

  • Die bereits versprochene, aber noch ausstehende Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen nach dem Modell “MGVplus”: Erst am Vorabend hatte Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) einmal mehr angekündigt, dass diese bereits in Vorbereitung sei. Im Antrag heißt es, diese müsse noch 2023 kommen.
  • Darüber hinaus benötige es eine umfassende EBM-Reform, um insbesondere die hausärztliche Versorgung zu stärken – etwa in Form einer Leistung für die Steuerung multimorbider Menschen, einer angemessenen Finanzierung von Hausbesuchen oder einer Kopplung der Lohnkosten für Praxismitarbeitende eins zu eins an die Entwicklung im stationären Sektor.

Ferner haben die Delegierten nach einer kurzen Debatte beschlossen, die klimasensible Beratung im EBM zu fordern. Diese hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bereits in Aussicht gestellt. Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordern den Gesetzgeber und die Selbstverwaltung nun offiziell auf, “eine EBM-Position für eine klimasensible Beratung im EBM zu schaffen und eine finanzielle Förderung von baulichen Hitzeschutzmaßnahmen in den Praxen zu gewähren”.

4. Förderung der Teamstrukturen

Im Sinne der Ressourcenschonung sei auch essenziell, die immer wichtiger werdende Teamarbeit zu unterstützen. Dazu muss die Arbeit der Praxisteams im EBM abgebildet werden, etwa in Form eines fairen Teampraxis-Zuschlags.

Perspektivisch sei dieser einstimmig entschiedene Antrag äußerst bedeutend, unterstrich in der Debatte Lars Rettstadt (Westfalen-Lippe) – auch als Signal der Wertschätzung an die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen. Nur mit einer Förderung der Teamstrukturen würden Praxen „zukunftsfähig“, so Rettstadt.

Darüber hinaus dürfe die Versorgung nicht weiter zersplittert werden, sondern bestehende Teams und Praxen müssen „ein klares Bekenntnis zur hausarztzentrierten, multiprofessionellen Teampraxis (HÄPPI) mit hybrider (digital und analog) persönlicher, patientenzentrierter Versorgung“ erhalten, heißt es im Forderungspapier.

Auch ein anderer Antrag zur Stärkung der Praxisteams, der eine Förderung der akademischen Weiterbildung nichtärztlicher Praixsmitarbeitenden durch die Krankenkassen fordert, wurde einstimmig angenommen. Bundesvorsitzende Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth berichtete dazu aus Baden-Württemberg, wo aktuell Stipendien à 5000 Euro ausgeschrieben seien, dass die ersten 50 Anmeldungen bereits eingegangen seien. “Das Angebot stößt also auf Interesse.”

5. Digitalisierung, die Nutzen bringt

Neben zahlreichen weiteren Anträgen rund um die Digitalisierung in der Praxis, etwa zu E-Rezept und Medikationsmanagement in der E-Patientenakte, haben die Delegierten einen übergeordneten Antrag “Digitalisierung darf Gefährdung nicht versorgen” beschlossen.

Grundvoraussetzungen müssen demnach sein, dass

  • die Technik die Prozesse vollständig und nicht teilweise digitalisiert,
  • sie störungsfrei funktioniert und eine Performanz bietet,
  • Prozesse im Praxisalltag unterstützt anstatt verlangsamt werden.

“Dazu muss die Entwicklung technischer Anwendungen in enger Abstimmung mit Praktikerinnen und Praktikern an der Basis der Versorgung erfolgen und umfassend unter Realbedingungen getestet werden”, lautet eine Bedingung. Dann seien auch keine Sanktionen nötig, weil Anwendungen dann ganz automatisch auf Zustimmung stoßen würden.

Darüber hinaus fordert der Antrag “Mechanismen, die die Betreiber der TI sowie die Hersteller/Anbieter von TI-Anwendungen, TI-Komponenten und PVS-Herstellern in die Haftung nehmen und die Praxen im Falle von Fehlern und Ausfällen entschädigen”.

6. Reform der Approbationsordnung

Gerade mit Blick auf die Altersstruktur der Hausärztinnen und Hausärzte – mehr als ein Drittel ist älter als 60 Jahre – zeigt sich der massive Bedarf an Nachbesetzungen. Daher sei essenziell, die Allgemeinmedizin entsprechend dem Konsens zum Masterplan Medizinstudium 2020 zu stärken, heißt es im abgestimmten Antrag.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hatte bereits im Vorfeld unterstrichen, dass der mittlerweile vorliegende Entwurf zwar ein “schmerzhafter Kompromiss” sei, die Umsetzung aber keinesfalls weiter verzögert werden dürfe.

An seine Kolleginnen und Kollegen appellierte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier, an jeder Stelle, an der der Hausärztemangel thematisiert wird, zu betonen, dass die entsprechende Studienreform seit Jahren in der Schublade liege.

Heftig verteidigt wurde in der Debatte vom Bundesvorstand und zahlreichen Delegierten die Frage, inwiefern die Forderung nach mehr Studienplätzen an die Reform der Approbationsordnung geknüpft sein muss. Beier hat hier deutlich gemacht, dass am entsprechenden Passus des Antrags nicht gerüttelt werden dürfe.

Dr. Susanne Bublitz (Baden-Württemberg) sowie Buhlinger-Göpfarth erinnerten in der Debatte an die Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin, die deutlich hinter jenen anderer Facharztgruppen zurückblieben. Mit Blick auf Zahlen der KBV zeigten sich im Durchschnitt aller anderen Fachgruppen Steigerungen von über zehn Prozent, “unsere Zahlen bleiben trotz aller Fördermaßnahmen bei knapp über 1 Prozent im Schnitt der letzten neun Jahre”.

 

 

 

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