44. Hausärztinnen- und HausärztetagKampf statt Kuschelkurs

Der Druck auf die Hausarztpraxen steigt – doch die Unterstützung aus der Politik ist bislang mager. Der 44. Hausärztinnen- und Hausärztetag hat daher eine Kampfansage gemacht, wie die Rahmenbedingungen für gutes hausärztliches Arbeiten aussehen müssen. Konkret wurden sechs Forderungen an Politik und Selbstverwaltung formuliert.

Abstimmung (oben): Auch der neue Vorstand positioniert sich.

Immer mehr Hausarztpraxen arbeiten im Krisenmodus: Grundsätzliche Probleme wie der Fachkräftemangel (siehe Artikel “Die Lage in den Praxen ist angespannt“, HA 16/23) und Nachfolgesorgen werden durch die beginnende Infektwelle und den Start der Impfsaison mit einer abermals erhöhten Arbeitslast verschärft.

“Der Notstand ist längst da, aber die Politik ist nach wie vor untätig”, kritisierten Dr. Markus Beier und Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth als Bundesspitze des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes anlässlich des 44. Hausärztinnen- und Hausärztetags. Rund 120 hausärztliche Delegierte trafen sich hierzu am 21. und 22. September in Berlin.

“Wir Hausärzte warten seit Jahren darauf, dass die Politik nachhaltige Reformen endgültig umsetzt”, unterstrich Beier. Stattdessen nehme die Politik die hausärztliche Arbeit als “selbstverständlich”.

Anstatt einer weiteren Zersplitterung der Versorgung – etwa in Form von “unausgegorenen”, kostspieligen Gesundheitskiosken, die in nur fünf Jahren zwei Milliarden Euro verschlingen würden – müsse die Hausarztpraxis der zentrale Ort der Versorgung bleiben, so Buhlinger-Göpfarth im gemeinsam vorgestellten Bericht zur Lage.

Entbudgetierung ist versprochen

Höchste Priorität für den Verband hat die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) mehrfach öffentlich versprochene Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen in Form einer “MGV plus” wie bei den Kinder- und Jugendärzten.

Beier mahnte scharf, dass diesem Versprechen endlich nachgekommen werden müsse. Andernfalls würden am Ende auch Praxismitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten Leidtragende sein, was man in Form von Protesten notfalls deutlich machen müsse.

In Richtung anderer Verbände sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) machte die Bundesspitze klar, dass Grundvoraussetzung für weitere gemeinsame Protestaktionen sein müsse, dass für eine MGV-plus-Entbudgetierung gekämpft werde. Andernfalls handele es sich um ein “Verlustgeschäft” für Hausarztpraxen.

Verband mit hoher Schlagkraft

Dabei erinnerte Buhlinger-Göpfarth an die “politische Schlagkraft”, die der Hausärztinnen- und Hausärzteverband aktuell habe. Ein Beispiel dafür sei die Telefon-AU, die man als festen Teil der Versorgung erkämpft habe. “An Hausärzten führt kein Weg vorbei”, sagte Buhlinger-Göpfarth.

In dieser starken Position haben die Hausärztinnen und Hausärzte in Berlin nicht nur Missstände aufgezeigt, sondern in zahlreichen, weitgehend einstimmig abgestimmten Anträgen (siehe Beschlussübersicht) deutlich gemacht, wie die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit aussehen müssen.

Begleitend wurden die wichtigsten Forderungen in Form eines ebenfalls einstimmig verabschiedeten Forderungspapiers beschlossen.

Tipp: Den hausärztlichen Forderungskatalog im Wortlaut lesen Sie unter: www.hausarzt.link/aWR9P

“Wer in Zukunft noch auf eine starke hausärztliche Versorgung bauen will, der muss diese Forderungen jetzt umsetzen”, erklärten Buhlinger-Göpfarth und Beier. “Das gilt für die Selbstverwaltung genau wie für die Politik.” Konkret sind darin folgende Forderungen enthalten:

Neue Versorgungsstrukturen

Um die knappen Ressourcen des Gesundheitssystems effizient einzusetzen und beispielsweise die Zahl der nicht notwendigen, ungesteuerten Patientenkontakte zu reduzieren, bedarf es neuer Versorgungsstrukturen.

Dazu gehört laut Hausärztinnen- und Hausärzteverband unter anderem, das Gesundheitssystem auf die gesundheitliche Primärversorgung auszurichten. Auch die Notfallversorgung müsse am Primat “Versorgung am Bedarf, nicht an Bedürfnissen” ausgerichtet und dabei auch die Hausärztinnen und Hausärzte gezielt einbezogen werden.

Förderung der Teamleistung

Gerade vor dem Hintergrund knapper Personalressourcen wird die Teamarbeit in der Hausarztpraxis immer wichtiger. Dementsprechend müsse die Arbeit der Praxisteams im EBM abgebildet werden, etwa in Form eines fairen Teampraxis-Zuschlags.

In der Debatte unterstrichen die Delegierten, dass dies auch als Zeichen der Wertschätzung an die Mitarbeitenden ein wichtiges Signal sei.

Faire Vergütung

Um die steigenden Kosten für Praxen – etwa aufgrund steigender Energiepreise, Gehälter oder Inflation (siehe Artikel “Praxen unter Druck” HA 15/23) – abzubilden und weiterhin eine hochwertige Patientenversorgung anbieten zu können, sind für Hausarztpraxen zwei Bausteine nötig:

Die bereits versprochene, aber bei Redaktionsschluss noch ausstehende Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen nach dem Modell “MGV plus”: Als Gastrednerin beim Gesellschaftsabend des Hausärztinnen- und Hausärztetages hat Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) einmal mehr angekündigt, dass diese bereits in Vorbereitung sei (www.hausarzt.link/eWUm2). Im Antrag heißt es, diese müsse noch 2023 kommen.

Darüber hinaus benötige es eine umfassende EBM-Reform zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Im Kern müsse die Quartalslogik im ambulanten Bereich abgeschafft sowie eine Struktur- oder Vorhaltepauschale geschaffen werden.

Zudem seien eine Neudefinition des Arzt-Patienten-Kontakts, eine Leistung für die Steuerung multimorbider Menschen, eine angemessene Finanzierung von Hausbesuchen sowie eine Kopplung der Lohnkosten eins zu eins an die Entwicklung im stationären Sektor nötig.

HZV als Präventionsleistung

Die Teilnahme an der HZV sollte durch den Gesetzgeber als Präventionsleistung anerkannt und durch die Krankenkassen im Rahmen ihrer Präventions- und Bonusprogramme bonifiziert werden.

Dass die HZV einen signifikanten Beitrag zur Prävention auf allen vier Präventionsebenen bedeutet, belegen unterdessen zahlreiche Studien (siehe Artikel “HZV als gelebte Prävention” HA 14/23). Auch die Krankenkassen sollten laut Antrag davon profitieren, wenn ihre Versicherten mehr hausärztliche Steuerung in Anspruch nehmen.

Digitalisierung, die Nutzen bringt

Neben zahlreichen weiteren Anträgen rund um die Digitalisierung in der Praxis, etwa zu E-Rezept und Medikationsmanagement in der E-Patientenakte (siehe Beschlussübersicht), haben die Delegierten einen übergeordneten Antrag “Digitalisierung darf Versorgung nicht gefährden” beschlossen.

Grundvoraussetzungen müssen demnach sein, dass die Technik die Prozesse vollständig und nicht teilweise digitalisiert, sie störungsfrei funktioniert und Prozesse im Praxisalltag unterstützt anstatt verlangsamt werden.

Dazu müsse die Entwicklung in Absprache mit den Anwendern aus der Praxis erfolgen, lautet eine Bedingung. Dann seien auch keine Sanktionen nötig, weil Anwendungen ganz automatisch auf Zustimmung stoßen würden.

Reform der Approbationsordnung

Gerade mit Blick auf die Altersstruktur der Hausärztinnen und Hausärzte – mehr als ein Drittel ist älter als 60 Jahre – zeigt sich der massive Bedarf an Nachbesetzungen. Daher sei essenziell, die Allgemeinmedizin entsprechend dem Masterplan Medizinstudium 2020 zu stärken, heißt es im Antrag.

Der Verband hatte bereits im Vorfeld unterstrichen, dass der mittlerweile vorliegende Reformentwurf zwar ein “schmerzhafter Kompromiss”, aber dennoch eine deutliche Stärkung der Allgemeinmedizin sei. Die Umsetzung dürfe daher keinesfalls weiter verzögert werden.

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