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ZeitproblemeDie hohe Kunst des Wartens

Ganz gleich, ob auf den Arzttermin, im Wartezimmer oder auf die Diagnose aus dem Labor: Das Warten ist ein nicht immer geliebter, aber doch nicht wegzudenkender Teil der Arzt-Patienten-Beziehung. Unser Dossier widmet sich verschiedenen Perspektiven auf das Thema.

Warten – in Farbe festgehalten: Unser Dossier schmücken Bilder der Künstlerin Christine Reinckens (S. 28). Detail aus „Variationen des Wartens I“, 2009, Öl/Holz, 155 x 1000 cm

“Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringt, würde in den meisten Fällen ausreichen, um selbst Medizin zu studieren.” Mit diesen Worten hat Kabarettist Dieter “Didi” Hallervorden einst für Lacher gesorgt – doch bringen sie, wenn auch überspitzt, ein aktuell wahrgenommenes Problem auf den Punkt. Denn nicht nur vielen Patienten, auch der Regierung ist die Zeit, die sich Versicherte gedulden müssen, bis sie einen Arzt sehen, mitunter zu lang.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sollte das Problem lösen – unter anderem mit einer Ausweitung der Sprechstundenzeiten für GKV-Patienten von 20 auf 25 Stunden die Woche. Die Gleichung “mehr Stunden = mehr Zeit” jedoch gilt für das Gesundheitswesen nicht bedingungslos. Im Gegenteil: Stehen ohne jegliche Koordination mehr Sprechstunden zur Verfügung, kann aufgrund einer unkoordinierten Inanspruchnahme von Leistungen sogar neue Wartezeit entstehen. Der Deutsche Hausärzteverband hat darauf immer wieder hingewiesen und mehr Koordination, wie sie in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) bereits gelebt wird, angemahnt.

Entscheidende Gründe, die mitunter zu Wartezeiten führen, adressieren die bisherigen politischen Anstrengungen folglich noch nicht. Dies zeigt sich auch an der oft diskutierten Differenzierung nach Versicherungsart, mit der die SPD ihre Forderung nach einer Bürgerversicherung begründete. Zahlen jedoch zeigen: Wartezeiten differieren nicht nur bei der Frage PKV oder GKV, sondern etwa auch nach Fachrichtung des Arztes oder Region – oft parallel zu Unterschieden in der Arztdichte. Auch die regelmäßige Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) weist darauf hin, dass sich die Wartezeiten für gesetzlich und privat Versicherte seit 2008 angenähert haben. Insbesondere der Anteil privat Versicherter mit keinen oder sehr kurzen Wartezeiten ist demnach “klar rückläufig”.

“No-Shows” blockieren Termine

Zentrale Probleme sind nicht allein durch mehr Kapazität zu lösen. Ein Beispiel:

Auch Patienten, die Termine vereinbaren, aber nicht wahrnehmen, blockieren Sprechstundenzeiten und führen damit im schlimmsten Fall zu Wartezeiten für andere. Besonders gravierend zeigen das die seit 2015 tätigen Terminservicestellen, die bislang Facharzttermine vermittelten und deren Service mit dem TSVG auch auf Hausarzttermine ausgedehnt wird. Im Gebiet der KV Nordrhein wurden 2018 von gut 21.000 vermittelten Terminen 15 Prozent nicht wahrgenommen; dies deckt sich mit Angaben aus anderen KV-Regionen.

Impfung als “dringender” Termin

Ein möglicherweise noch viel “dringlicheres” Problem ist – im wahrsten Sinne des Wortes – die Diskrepanz zwischen gefühlter und aus medizinischer Sicht tatsächlich gegebener Dringlichkeit. 65 Prozent der Arztbesucher stuften ihren Beratungsanlass als dringend oder sehr dringend ein – unabhängig davon, aus welchem Grund er erfolgte, zeigt die jüngste KBV-Versichertenbefragung. Auch Anlässe wie eine Vorsorgeuntersuchung oder eine Impfung empfinden 36 Prozent der Befragten demnach noch als eilig oder sehr eilig. Die Folge: In Kombination mit der Unbekanntheit des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes führt nicht zuletzt diese subjektive Wahrnehmung zu überfüllten Notaufnahmen.

Die Reform der Notfallversorgung ist daher das nächste große Ziel der Politik. Der Weg zeichnet sich bereits heute ab: mehr Patientensteuerung, wofür nach bislang vorliegenden Plänen auch auf hausärztliche Kompetenz gesetzt werden soll. Der offizielle Gesetzentwurf lässt bislang aber noch auf sich warten.

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