Corona-Testpflicht9 neue Knackpunkte für Hausärzte

Ab Samstag droht Urlaubern aus Corona-Risikogebieten bis zu 25.000 Euro Strafe, wenn sie sich nicht auf das Virus testen lassen. Im Praxisalltag macht die Testpflicht das Chaos perfekt – weswegen Hausärzteverbände Alarm schlagen. PLUS: Aktualisierte Patienteninfo.

Direkt aus dem Urlaub in die Arztpraxis zum Corona-Test? Dieses Bild wird aktuell vermittelt - stellt Praxen jedoch vor enorme Herausforderungen.

Berlin. Reiserückkehrer aus Corona-Risikogebieten müssen sich ab Samstag (8. August) auf das Virus testen lassen, sofern das zuständige Gesundheitsamt sie dazu auffordert. Das geht aus einer weiteren Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, die er am Donnerstag (6. August) vorstellte. Darüber hinaus gilt weiterhin, dass Tests – sowohl die nun verpflichtenden als auch freiwillige Tests für Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten – innerhalb der ersten 72 Stunden nach Einreise für den Einzelnen kostenfrei sind.

Grundsätzlich gilt weiterhin, dass bei Fehlen eines negativen Tests eine 14-tägige häusliche Quarantäne angetreten werden muss. Möglich ist auch, ein negatives Testergebnis aus dem Urlaubsland vorzulegen, das höchstens 48 Stunden alt ist.

Die Liste der vom Robert Koch-Institut (RKI) als Risikoländer eingestuften Nationen zählt Stand 6. August fast 130 Nationen. Sie umfasst auch beliebte Reiseziele wie Marokko oder die Türkei; aus der EU sind derzeit Luxemburg und die die drei spanischen Regionen Aragón, Katalonien und Navarra aufgeführt.

Für Hausärztinnen und Hausärzte ergeben sich aus der jüngsten Überarbeitung der Test-Verordnung neue Baustellen, weshalb der Deutsche Hausärzteverband sowie zahlreiche Landesverbände deutliche Kritik an dieser üben.

Knackpunkt 1: Zuständigkeiten

Mit den jüngsten Ergänzungen zur Testverordnung verschärft sich der Flickenteppich – mit Blick auf die verschiedenen Teststrategien der Länder, aber auch mit Blick auf die Zuständigkeiten der einzelnen Institutionen. Laut Verordnung sind für die Tests der Reiserückkehrer “die niedergelassenen Ärzte und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren” zuständig, angeordnet werden soll die verpflichtende Testung von Risiko-Rückkehrern durch „das zuständige Gesundheitsamt oder eine sonstige vom Land bestimmte Stelle“. Bislang leisten Hausärztinnen und Hausärzte den Großteil der Tests.

Bereits vor Beginn der Urlaubssaison hatten Hausärzte im Dialog mit Gesundheitsminister Spahn auf einen „Verschiebebahnhof“ zwischen Gesundheitsämtern und den eigenen Praxen aufmerksam gemacht; Spahn hatte daraufhin angekündigt, die Zuständigkeiten im Gespräch mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) klären zu wollen. Die bestehenden Testzentren sind darüber hinaus in vielen Teilen der Republik überlastet und Wochen im Voraus ausgebucht.

Nun kommt mit den Testzentren oder “Testsprechstunden” für Reiserückkehrer, die laut Spahn flächendeckend entstehen sollen, eine weitere Zuständigkeit hinzu. Die 116 117 soll Patienten in diese neue Versorgungsebene “gezielt hineinsteuern” und bei der Vermittlung von Terminen helfen, so Spahn.

Das Gesundheitsministerium gibt in seinen Hinweisen für Reisende die Vorgabe: „An vielen Flughäfen in Deutschland gibt es bereits Testmöglichkeiten. Alternativ können Sie sich unter der Telefonnummer 116 117 informieren, wo Sie in Wohnortnähe einen Test machen können. Wer sich beim Hausarzt testen lassen möchte, sollte unbedingt vorher dort anrufen.” Auf dem Infoblatt für Reisende des Ministeriums wird für Tests allein auf die 116117 verwiesen, die während der Pandemie jedoch bereits zeitweise als überlastet galt.

Zudem zeigt eine stichprobenartige Umfrage von „Der Hausarzt“ unter den KVen, dass eine flächendeckende Verfügbarkeit solcher Urlaubs-Testzentren noch in weiter Ferne liegt. Bislang ist dies erst in wenigen Regionen umgesetzt; in Schleswig-Holstein etwa wurden Zentren in Grenznähe installiert, auch die KV Hamburg teilte Anfang der Woche mit, zwei Zentren an den Notfallpraxen der KV sowie in der Nähe des Hauptbahnhofs eingerichtet zu haben. Auch hier wird die Zuständigkeit jedoch zum Problem: Denn diese Zentren sind nur für symptomlose Reiserückkehrer angedacht; Rückkehrer mit Symptomen wiederum werden in Hamburg über den sogenannten Arztruf betreut. Zudem testen weiterhin niedergelassene Ärzte. Das Problem: Viele Patienten wissen von diesen mannigfaltigen Wegen oft nichts. Erste Ansprechpartner bleiben die Hausarztpraxen.

Wichtig: Die neue Verordnung beinhaltet keine Verpflichtung der Niedergelassene, diese Tests durchzuführen, stellt der Deutsche Hausärzteverband klar.

Knackpunkt 2: Vergütung

Für die Durchführung der Urlaubs-Tests erhalten Ärztinnen und Ärzte 15 Euro. Spahn erkennt dabei durchaus an, dass die Testung für Arztpraxen mit hohem Aufwand verbunden ist; für die Testung in den geplanten Testzentren oder während spezieller “Testsprechstunden” jedoch sei dies “sehr auskömmlich”.

Wichtig: Die Vergütung in Höhe von 15 Euro deckt laut der Verordnung explizit “alle mit der Testung verbundenen ärztlichen Leistungen mit Ausnahme der labordiagnostischen Leistungen” ab, weitere Leistungen wie Grund- oder Versichertenpauschale dürfen nicht abgerechnet werden.

Für den Deutschen Hausärzteverband ist dies „Hohn“. „Umso mehr, da der erwartete Leistungsumfang (Beratung, Abstrich und ggf. Ausstellung eines ärztlichen Zeugnisses) in der Verordnung selbst klar benannt ist, inkl. der Aufwände der besonderen Hygienemaßnahmen sowie die Vorhaltekosten“, unterstreicht Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt. Der Hausärzteverband fordert deshalb nachdrücklich eine Anhebung der Vergütung dieser Testungen auf mindestens 50 Euro.

Knackpunkt 3: Bürokratie in der Praxis

Laut Verordnung müssen Reisende lediglich “glaubhaft” versichern, dass sie jüngst im Ausland waren, um Anspruch auf den kostenfreien Text zu haben. Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums kann dies durch einen Boarding-Pass, ein Ticket, eine Hotelrechnung oder einen sonstigen Nachweis geschehen. Die konkrete Umsetzung wirft jedoch Fragezeichen auf. Der Hessische Hausärzteverband kritisiert, dass Ärzte “die Abstrichindikation durch Vorlage von Rechnungen, Buchungen oder Tickets prüfen und dokumentieren” sollen. “Dabei ist völlig ungeklärt, ob diese Daten so ohne weiteres in den Praxen erhoben und gespeichert werden dürfen, da es sich hier nicht um Behandlungsdaten handelt.”

In Westfalen-Lippe müssen Ärzte ihre Patienten sogar eine schriftliche Auskunft erteilen lassen – damit gilt es ein weiteres Formular in der Praxis parat zu halten und zu archivieren.

Details zur Abrechnung lassen unterdessen noch auf sich warten; die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat dafür bis 8. August Zeit.

Knackpunkt 4: Prozedere

Kernstück der neuen Testpflicht ist jedoch ein anderes Stück Papier: die sogenannte Aussteigekarte, die im Flugzeug, Schiff, Bus oder Zug idealerweise vom Beförderer ausgegeben werden soll. Hierauf hinterlassen Reisende ihre Kontaktdaten. „Das zuständige Gesundheitsamt überwacht die Einhaltung der Quarantäneverpflichtung“, erklärt das Gesundheitsministerium – und das zuständige Gesundheitsamt kann den dann verpflichtenden Test anfordern. Aber: Die praktische Abwicklung bleibt angesichts der vorhandenen Ressourcen mehr als fraglich. So hat Spahn bei der Vorstellung der Testerweiterung selbst darauf hingewiesen, dass die Abwicklung noch „sehr analog“ gestaltet ist, weswegen bei den Gesundheitsämtern wohl „personelle Unterstützung“ notwendig werde. Digital wäre ein Nachfassen der Urlauber deutlich einfacher und umfangreicher möglich, so Spahn.

Von der Testpflicht befreit sind übrigens Reisende, „die lediglich durch ein Risikogebiet durchgereist sind und dort keinen Aufenthalt hatten“.

Knackpunkt 5: Nachverfolgung

Reiserückkehrern, die eine Testung verweigern, droht ein Bußgeld von maximal 25.000 Euro. Der genaue Betrag sei „nach Verhältnismäßigkeit durch die Behörde vor Ort zu entscheiden“, betonte Gesundheitsminister Spahn am Donnerstag (6. August). Eine konkrete Aussage zur Nachverfolgung, die Gesundheitsämter vor enorme Probleme stellen dürfte, machte er dabei nicht.

Denn hier bestehen weiter personelle Probleme: “Während der ersten Pandemie-Welle haben viele Gesundheitsämter ihr Personal fast verdoppelt”, erklärt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der ÖGD-Ärzte, zwar. “Doch das ist mittlerweile weitgehend wieder abgezogen worden.” Bei steigenden Zahlen sei wieder mehr Personal nötig, um Infektionen verfolgen zu können.

Knackpunkt 6: Zeit

In den ersten Bundesländern enden die Schulferien bereits bald, Reisende aus aller Welt sind in den vergangenen Wochen schon heimgekehrt. Die zwei jüngsten Verordnungen Spahns zu den Tests für Urlaubsrückkehrer sind jedoch zweimal höchst kurzfristig in Kraft getreten, der Aufbau etwa von Testzentren hinkt hinterher. „Die Probleme mit Reiserückkehrern waren lange bekannt, sodass die kurzfristige Reaktion der Politik entweder fahrlässig oder hilflos ist“, kritisiert deswegen Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. Der Hausärzteverband fordere seit Wochen in die politischen Überlegungen zur Corona-Pandemie einbezogen zu werden, erinnert er.

Auch die KV Berlin nannte es am Donnerstag (6. August) ein „Unding“, dass „Praxen keine ausreichende Vorbereitungszeit haben, um sich auf eine mögliche Flut an Testanfragen einzustellen“.

Knackpunkt 7: Infektionsschutz in den Praxen

Dass die Abstriche auch in Haus- und Kinder- und jugendärztlichen Praxen durchgeführt werden sollen, “in denen schwerpunktmäßig die Risikopatienten betreut und versorgt werden”, weist der Hessische Hausärzteverband in einer aktuellen Mitteilung mit dem BVKJ im Land entschieden zurück. “Diese gedankenlose Verordnung gefährdet die medizinische Versorgung in Deutschland erheblich.”

In die gleiche Kerbe schlagen auch die Hausärzte in Rheinland-Pfalz: „Durch dieses neue Testangebot mit einem unkontrollierten und umfassenden Zugang von potentiell SARS-CoV-2 positiven Reiserückkehrern in die Arztpraxen wird das gesamte Konzept der Hausarztpraxen konterkariert“, heißt es in einem aktuellen Rundschreiben. “Hausarztpraxen sind zum Schutz ihrer Patientinnen und Patienten darauf angewiesen, strikt zwischen potenziell infektiösen und nicht infektiösen Menschen zu trennen.”

Zwar ist Schutzmaterial mittlerweile wieder flächendeckend vorhanden, in den 15 Euro Vergütung kann dieser Bedarf jedoch nicht abgebildet werden.

Die Hausärztinnen und Hausärzte in Rheinland-Pfalz fordern daher den Aufbau von speziellen, außerhalb der Praxen angesiedelten Testzentren, die organisatorisch und personell in staatlicher Hand liegen sollen.

Knackpunkt 8: Kapazität

Nach dem Lockdown werden jetzt viele Untersuchungen bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten nachgeholt, erinnert der Hessische Hausärzteverband. “Parallel müssen sich die Kolleginnen und Kollegen auf die kommende Grippesaison vorbereiten.” Auch Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe, unterstreicht gegenüber “Der Hausarzt” diese Priorität mit Blick auf den nahenden Herbst.

Knackpunkt 9: Verkennen der „Momentaufnahme“

Was in der breiten medialen Darstellung – und scheinbar auch in der neuen Verordnung – oft verkannt wird, ist die Tatsache, dass es sich bei einem einmalig negativen Testergebnis nur um eine “Momentaufnahme”, keinesfalls jedoch um ein mit 100prozentiger Sicherheit anzusehendes Ergebnis handelt. Spahn verweist darauf, dass die lokalen Behörden eine zweite Testung zusätzlich verlangen können.

Mecklenburg-Vorpommern hat dies als bislang einziges Land getan: Hier dürfen Rückkehrer aus Risikogebieten erst durch einen zweiten negativen Test auf das Virus ihre Quarantäne beenden. Bei Einreise aus einem solchen Gebiet solle ein erster Test genommen werden, nach fünf bis sieben Tag dann ein zweiter, kündigten Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) jüngst an. Erst wenn zwei Tests negativ seien, könne die Quarantäne beendet werden.

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