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CoronavirusSo wappnen sich Praxen aktuell

Das Coronavirus breitet sich auch in Deutschland aus. Niedergelassene Ärzte sind aufgerufen, sich - schon vor möglichen lokalen Ausbrüchen - vorzubereiten. 7 Tipps - von Schutzmasken im Baumarkt bis zur geltenden AU-Regelung bei einer Quarantäne.

Ärztin am Telefon: Die Abstimmung mit dem Gesundheitsamt ist in begründeten Verdachtsfällen Pflicht.

Berlin. Mit den steigenden Fallzahlen in Deutschland rückt der Schutz des medizinischen Personals vor dem Coronavirus in den Fokus. „Die Praxen sollten sich bereits jetzt auf eine mögliche veränderte Lage vorbereiten“, rät die KV Berlin, bislang ohne bestätigten Fall im eigenen Land (Stand 26. Februar).

“Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland”, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwochabend. “Die Infektionsketten sind teilweise – und das ist eine neue Qualität – nicht nachzuvollziehen.” Am Donnerstagmorgen (27.2.) bezeichnete der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) Covid-19 als schwere Krankheitsform: 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, das sei viel, sagte Lothar Wieler in Berlin. Nach bisherigen Zahlen stürben ein bis zwei Prozent der Infizierten. Damit sei nach den bisher bekannten Zahlen Covid-19 tödlicher als die Grippe. Wie viel höher die Sterberate ausfalle, werde man aber erst nach dem Ende der Epidemie sehen, ergänzte Wieler.

Auch da Therapeutika und ein Impfstoff fehlten, sei es sinnvoll, alle Möglichkeiten der Eindämmung auszuschöpfen. Wieler betonte jedoch, dass es keinen Anlass gebe, hierzulande eine Abriegelung von Städten wie etwa in Italien zu erwarten.

Dabei sei durchaus möglich, dass Ausbrüche erst verspätet entdeckt und bis dahin schon ein größeres Ausmaß angenommen haben könnten, sagte Prof. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), zuvor. Auf seiner Webseite schreibt das RKI mittlerweile, dass es die Gefahr für die Bevölkerung als “gering bis mäßig” einschätzt (Stand 26. Februar). Zuvor lautete die Einschätzung lange “gering”. Vor diesem Hintergrund ist es – vor allem angesichts jüngster Karnevals-Großveranstaltungen oder Skiurlauben – für jeden ratsam, einen vorsichtigen Umgang mit Kontakten zu pflegen. Dazu gehören beispielsweise das Einhalten allgemeiner Hygienemaßnahmen (s. Patienteninfo) sowie das Bewusstsein, sich an potenziell kontaminierten Stellen aufgehalten zu haben, aber auch das individuelle Abwägen des Besuchs von Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten.

Umso bedeutender ist der Schutz des medizinischen Personals, das in der Identifizierung von Verdachtsfällen eine entscheidende Rolle spielt und dabei “in erster Reihe” steht. So ist ein bestätigter Fall als Oberarzt in der Pathologie des Universitätsklinikums Tübingen beschäftigt; ein weiterer Verdachtsfall ist eine Mitarbeiterin der Uniklinik Köln. Krankenhausgesellschaften hatten zuvor bereits gewarnt, dass die Versorgung bei einer hohen Erkrankungszahl unter medizinischem Personal erheblich beeinträchtigt würde. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont, dass der Schutz von Angehörigen der Gesundheitsberufe aktuell “oberste Priorität” habe. Danach folge der Schutz vulnerabler Personen, vor allem Älterer und chronisch Kranker, sowie die Unterstützung schwächerer Gesundheitssysteme.

Für den Schutz von Ärzten und Medizinischen Fachangestellten (MFA) hat “Der Hausarzt” im Folgenden aktuelle Empfehlungen zusammengetragen.

Tipp 1: Schutzmaterial “kreativ” auftreiben

Vor allem die Beschaffung von Schutzmaterial, das in weiten Teilen ausverkauft ist, bereitet vielen Hausarztpraxen Sorge. „Es gibt erhebliche und umfängliche Lieferengpässe“, bestätigt Thomas Porstner, Geschäftsführer beim Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO). Hausärzten rät er auf Anfrage, ihre „bisherigen Bezugsquellen“ zu kontaktieren und den konkreten Bedarf zu melden, damit diese tätig werden können. „Jedoch ist ganz wichtig, aktuell keine Überbedarfe zu melden.“

Die hohe Nachfrage führt vereinzelt zu extremen Preissprüngen. Medienberichten zufolge hat Amazon einige überteuerte Angebote bereits von seinen Seiten entfernt und Händler gewarnt, keine unangemessenen Preise zu fordern.

Sollte Hausarztpraxen aufgrund der Ausgaben für Schutzanzüge, Masken und Co finanzieller Mehrbedarf entstehen, so werde die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) dies mit den Krankenkassen rasch klären, sagte deren Sprecher Dr. Roland Stahl auf Anfrage von „Der Hausarzt“. „Auch die Kassenseite hat ein großes Interesse daran, in einer solchen Ausnahmesituation rasche Lösungen für die Patientinnen und Patienten zu finden.“

Auf Anfrage durch die KV Bremen habe die Gesundheitsbehörde mitgeteilt, dass es Unterstützung aus den Beständen des Katastrophenschutzes erst gebe, wenn eine Region als Infektionscluster ausgewiesen sei, so die KV.

Die EU-Kommission hat den 27 Mitgliedstaaten unterdessen eine gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstungen gegen das neue Coronavirus angeboten. Die EU-Länder haben demnach noch bis Montag (2. März) Zeit, ihren genauen Bedarf anzugeben. Auf Anfrage hat das Bundesgesundheitsministerium bislang keine Angaben gemacht, ob und wie viel Bedarf angemeldet wurde.

Tipp 2: Täglich aktuell informieren

Das Robert Koch-Institut (RKI) wird fortan werktäglich die Öffentlichkeit per Pressebriefing unterrichten. Dieses soll Angaben des Instituts zufolge live auf Twitter übertragen werden (werktäglich 10 Uhr). Zudem beantwortet der leitende Virologe der Berliner Charite, Prof. Christian Drosten, in einem täglichen Podcast häufige Fragen zum Coronavirus, die für Patienten wie Ärzte interessant sind. Die KBV kündigte am Freitag (28.2.) an, Ärzte über ihren Newsletter “PraxisNachrichten” ab sofort regelmäßig zu informieren.

„Der Hausarzt“ passt die kostenfrei zur Verfügung gestellten Praxishilfen zum Thema stetig an den aktuellen Wissensstand an.

Tipp 3: Labortest nicht zur „Beruhigung“

Seit 1. Februar ist der Test auf das Coronavirus in „begründeten Verdachtsfällen“ Kassenleistung. „Der GKV-Leistungskatalog passt sich bei der Laboruntersuchung auf das Coronavirus automatisch und laufend an die Veränderungen der vom RKI vorgenommenen Kriterien aufgrund der aktuellen Risikobewertung an“, bestätigt Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbands, auf Anfrage von „Der Hausarzt“. Sprich: Mit Ausweitung der definierten Risikogebiete, die mittlerweile auch italienische Regionen umfassen, weitet sich auch die Möglichkeit des Tests als Kassenleistung aus.

Wichtig: Die PCR-Diagnostik soll laut KV Hessen unbedingt auf diesen Personenkreis beschränkt bleiben. Von einer Diagnostik zur Beruhigung von Personen ohne begründeten Verdacht sei abzusehen.

Die KV Berlin sieht das anders. “Sollten sich in den Praxen Personen auf SARS-CoV-2 testen lassen wollen, die nicht die Falldefinitionen des RKI erfüllen, aber unbedingt eine Abklärung wünschen, kann ein solcher Test vorgenommen werden”, heißt es hier. “In diesem Fall sollten die Praxen die betroffenen Patienten telefonisch kontaktieren und zu gesonderten Sprechzeiten bestellen.” Die KV Hessen erinnert in diesem Fall jedoch an die bestehende Meldepflicht, auch wenn der Test als Privatleistung durchgeführt wird.

Seit Freitagabend vertritt auch die KBV die Meinung, dass im Zweifelsfall “großzügig” getestet werden sollte. Die Kosten würden von den Kassen übernommen. Es gibt aber auch ein Argument gegen eine zu großzügige Testung von jedermann: So kommen Ärzte den Patienten bei der Probennahme sehr nah. Wo Schutzmaterialien knapp sind, sollten sie also auch aus Selbstschutz abwägen, bei wem wirklich eine Testung nötig ist. Zudem könnten zu viele eingesandte Proben langfristig auch die Kapazitäten in den Laboren überfordern, sodass sich dann die wirklich nötigen Tests bei Patienten mit schweren Symptomen und hohem Verdacht verzögern. Am Dienstag (3.3.) betonte die KBV, dass eine Testung von gesunden Patienten – ohne Beschwerden – “medizinischer Unfug” ist.

Naso-/Oropharynx-Abstrich sowie, falls möglich, Sputum sind zur Testung ausreichend. Auf Proben aus den tiefen Atemwegen kann nach neueren Erkenntnissen verzichtet werden, informiert die KV Hessen. Bei Abstrichen ist zu beachten, dass für den Virusnachweis geeignete Tupfer verwendet werden („Virustupfer“ mit entsprechendem Transport-Medium oder notfalls trockene Tupfer mit kleiner Menge NaCl-Lösung; kein Agar-Tupfer).

Unterdessen steigt die Zahl der testenden Labore und Behörden. So hat am Mittwoch beispielsweise das  Landesgesundheitsamt Niedersachsen mitgeteilt, ab sofort aus Arztpraxen eingeschickte Proben von Patienten mit Grippeverdacht auch auf das neuartige Coronavirus zu testen. Dies ermögliche die frühzeitige Erkennung von Infektionen, die nicht über die Abklärung von Verdachtsfällen erfasst werden.

Tipp 4: Für AU ist Gesundheitsamt zuständig

Gemäß Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor, wenn Beschäftigungsverbote nach dem Infektionsschutzgesetz ausgesprochen werden (Paragraf 3 AU-RL). Das erklärt die KV Westfalen-Lippe. “Meldet sich ein Patient zwar ohne Symptome, aber als Reiserückkehrer und/oder mit gesichertem Kontakt zu einem bestätigten Erkrankungsfall in der Praxis, um eine vierzehntägige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, muss er sich an das zuständige Gesundheitsamt wenden. Dort wird dann nach Prüfung der individuellen Voraussetzungen gemäß Paragraf 31 Infektionsschutzgesetz verfahren und ggf. ein berufliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen.”

Zur Erinnerung: Auch für Verdachtsfälle gilt seit 1. Februar eine Meldepflicht, sodass der Kontakt zum Gesundheitsamt für eine AU ohnehin bestehen sollte.

Tipp 5: Impfungen prüfen

Für einen besseren Schutz vor Komplikationen im Fall einer Infektion empfiehlt die Berliner Gesundheitsverwaltung älteren und vorerkrankten Menschen Impfungen gegen Keuchhusten und Pneumokokken. “Die bisherigen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus zeigen, dass besonders über 60-jährige Menschen und chronisch Kranke gefährdet sind”, teilte die Behörde mit.

Keuchhusten und Pneumokokken zählten zu den häufigsten Erregern, die eine Infektion der Lunge auslösen können, hieß es. “Eine bereits mit einem Krankheitserreger befallene Lunge kann auch noch von einem zweiten (oder dritten) Erreger – hier dem Coronavirus – angegriffen werden.” Eine derartige Komplikation würde die Behandlung sehr erschweren und Betroffene besonders gefährden.

Tipp 6: Influenza-Schnelltest mit Bedacht einsetzen

Um Coronavirus-Verdachtsfälle schnell von Influenza-Kranken zu identifizieren, empfehlen sowohl Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) als auch einige Gesundheitsämter den frühen Einsatz des Influenza-Schnelltests. Die KV Hessen erinnert jedoch daran, dass dieser keine GKV-Leistung ist. “Sollten Gesundheitsämter den Schnelltest dennoch einfordern, kann er nur erbracht werden gegen Kostenerstattung (GOÄ) durch das beauftragende Gesundheitsamt.”

Tipp 7: Sprechstunde bei Bedarf neu organisieren

Praxen sollten eine temporäre Sprechstunden-Neuorganisation für den Fall eines akuten Ausbruchs erwägen und mit dem Praxisteam besprechen. Um die Isolation von Verdachtsfällen im eigenen Zuhause zu unterstützen, könnte beispielsweise vermehrt eine Telefon-/Videosprechstunde angeboten werden. Dies spart nicht zuletzt  knappe Schutzausrüstung (s. oben) und schützt vor allem vulnerable Gruppen. Ab 2. März will der Praxis-EDV-Hersteller CompuGroup Medical Ärzten kostenfrei eine Videosprechstunden-Lösung (“Clickdoc”) zur Verfügung stellen.

“Praxen sollten Patienten, die möglicherweise betroffen sind, zu Randzeiten der Sprechstunden in die Praxen bitten”, empfiehlt die KV Berlin darüber hinaus. Betroffene sollten – falls möglich – separiert von anderen Patienten warten, wie dies auch das Flussdiagramm für die ambulante Versorgung vorsieht. Der leitende Virologe des Konsiliarlabors der Berliner Charite Prof. Christian Drosten empfiehlt zudem, zum Beispiel Patienten auch vor der Praxis im Freien zu testen. An der frischen Luft sei die Konzentration der Viren in der Luft geringer und für Praxisräume entfalle die Desinfektion.

Im Fall eines akuten lokalen Ausbruchs ist darüber hinaus gegebenenfalls zu überlegen, planbare, nicht dringende Termine zu verschieben, um Kapazitäten freizuhalten bzw. die Ansteckungsgefahr in der Praxis zu minimieren.

Wie werden Fälle richtig kodiert?

Das DIMDI hat COVID-19 mit der Bezeichnung “Coronavirus-Krankheit-2019” und dem Schlüssel “U07.1!” am 13. Februar in die deutschsprachige Ausgabe des ICD-10 (ICD-10-GM; German Modification) aufgenommen. Außerdem erfolgte eine entsprechende Ergänzung für die Todesursachenkodierung in der deutschsprachigen Ausgabe des ICD-10-WHO.

Dies ermöglicht ab sofort die ICD-10-konforme spezifische Kodierung entsprechender Fälle. Der Schlüssel U07.1! ist in der ICD-10-GM als sekundärer Kode (Ausrufezeichenschlüsselnummer) angelegt und muss ergänzend zu einem Primärkode verwendet werden. Für die ICD-10-WHO ist der Kode U07.1 mit identischem Inhalt als Primärkode umgesetzt. Weitere Informationen zur ICD-Codierung sind auf der Website des DIMDI abrufbar.

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