Hausärzteverband warntNotdienstreform könnte massive Folgen für Hausärzte haben

Leichte Fälle sollen Notaufnahmen künftig nicht mehr an Praxen und MVZ, sondern ausschließlich an Notdienstpraxen weiterleiten dürfen. Das verkündet die Regierung quasi zeitgleich mit dem anstehenden Bundestagsbeschluss. Der Deutsche Hausärzteverband reagiert mit scharfer Kritik - und warnt vor dramatischen Folgen für Hausärztinnen und Hausärzte.

Doch kein Notfall? Dass dann nicht mehr an Vertragsärzte und MVZ verwiesen werden soll, stößt auf harsche Kritik.

Berlin. Dass Kliniken leichte Fälle in den Notaufnahmen nicht an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, sondern ausschließlich an Notdienstpraxen weiterleiten sollen, weist der Deutsche Hausärzteverband mit scharfer Kritik zurück. „Während Bund und Länder noch über die Eckpunkte einer Krankenhausreform verhandeln, schafft die Bundesregierung klammheimlich Fakten“, erklärte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier am Donnerstag (25. Mai). Nicht zuletzt führe die Bundesregierung ihre eigenen Pläne für eine gemeinsame Notdienstreform mit den Ländern ad absurdum.

Hintergrund für die Kritik ist eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“ in der Gesetzgebung, wie Beier kritisiert.

So haben die Regierungsfraktionen äußerst kurzfristig einen Änderungsantrag zum Entwurf ihres Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) eingebracht. Dieser liegt auch der Redaktion von „Der Hausarzt“ vor. Patientinnen und Patienten, die in die Notaufnahme eines Krankenhauses kommen und kein Notfall sind, sollen demnach nicht mehr an Vertragsarztpraxen und medizinische Versorgungszentren (MVZ) verwiesen werden dürfen.

Das PUEG soll der Bundestag bereits am Freitag (25.5.) in 2./3. Lesung beschließen. Es soll zum 1. Juli in Kraft treten.

Schwerwiegende Folgen für hausärztliche Versorgung

Dem Änderungsantrag zufolge sollen Bürger, die in einem Krankenhaus Hilfe suchen, vom dort angesiedelten gemein­samen Tresen entweder in die Notaufnahme des Krankenhauses oder die angegliederte Notdienstpraxis, in der Regel von der Kassenärztlichen Vereini­gung betrieben, weitergeleitet werden. Eine Verweisung an vertragsärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte sowie MVZ hingegen sei „nicht mehr sachgerecht“, schreiben SPD, Grüne und FDP.

Der Aufwand solle dadurch sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für das Personal im Gesundheitswesen verringert werden, heißt es in der Begründung des Antrags.

Hier hakt der Deutsche Hausärzteverband jedoch entschieden ein und warnt vor schwerwiegenden Auswirkungen auf die hausärztliche Versorgung. “Wenn zukünftig jeder Fall, der im Krankenhaus aufschlägt, ob dringlich oder nicht, in den Notdienstpraxen behandelt werden muss, dann müssen diese massiv Personal aufbauen”, gibt Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende, zu bedenken. “Wo sollen die Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin schon Mangelware sind, herkommen? Eine Hausärztin oder ein Hausarzt, die oder der in einer Notdienstpraxis arbeitet, kann nicht gleichzeitig Patientinnen und Patienten in der Praxis versorgen!”

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) habe bereits ausgerechnet, dass das nur funktionieren könne, wenn massenhaft Praxen schließen würden, erinnert Buhlinger-Göpfarth. “Hier wird ein Ausbluten der ambulanten Strukturen billigend in Kauf genommen, um unsinnige Doppelstrukturen aufzubauen.”

Zi-Chef Dr. Dominik von Stillfried unterstreicht unterdessen in einer aktuellen Analyse, “dass zur Gewährleistung der Dienste während der Praxisöffnungszeiten und der Ruhezeiten erhebliche Personalkapazitäten aus der Regelversorgung genommen werden müssten”.

“Verantwortungslose” Gesetzgebung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte bereits im Juli 2021 den Auftrag erhalten, eine Richtlinie zu erarbeiten, die festlegt, nach welchen Kriterien Hilfesuchende im Krankenhaus in die verschiedenen Versorgungsebenen gesteuert werden sollen. Neben der unmittelbaren Behandlung schwerer Fälle in der Notaufnahme des Krankenhauses war ursprünglich vorgesehen, dass Patientinnen und Patienten an eine Notdienstpraxis in oder an dem jeweiligen Krankenhaus oder in die reguläre vertragsärztliche Versorgung weitergeleitet werden können.

Diese Richtlinie stehe kurz vor der Beschlussfassung, bestätigt der G-BA auf Anfrage. Sie müsste mit dem Änderungsantrag ebenfalls komplett überarbeitet werden.

Deutliche Kritik übt Buhlinger-Göpfarth unterdessen auch am gesetzgeberischen Verfahren: „Die Politik sollte sich langsam wirklich einmal überlegen, ob das die Art und Weise ist, wie wichtige gesetzgeberische Entscheidungen zu Stande kommen sollten. Zwei Tage vor der entscheidenden Sitzung im Bundestag über einen Änderungsantrag zu einem ganz anderen Gesetz so etwas durchdrücken zu wollen, ist verantwortungslos.”

Auch der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Dr. Klaus Reinhardt hatte beim Deutschen Ärztetag vor Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) eine “De-facto-Beteiligung” mit viel zu kurz gesetzten Fristen kritisiert.

“Es wurden de facto weder Fachleute noch die betroffenen Akteurinnen und Akteure in irgendeiner Weise eingebunden. Die Auswirkungen auf die Versorgung sind offensichtlich überhaupt nicht durchdacht. Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn am Ende nichts Sinnvolles rauskommt“, so Buhlinger-Göpfarth.

Scharfe Kritik von allen Seiten

Nicht nur der Deutsche Hausärzteverband, auch andere Verbände kritisierten am Donnerstag (25. Mai) sowohl die Art und Weise, als auch Inhalte der geplanten Gesetzgebung. Zi-Chef Dr. Dominik von Stillfried sprach von einer “handstreichartigen” Gesetzgebung.

Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (Spifa) kritisierte, dass solche Pläne „durch die Hinter­tür“ beschlossen werden sollen. Mit der Änderung werde das gesamte Ersteinschätzungsverfahren ad ab­surdum geführt.

Die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin zeigte sich ebenso empört. „Der Gesetzgeber setzt seinen Kurs fort, das ambulante System weiter zu schädigen und gegen die Wand zu fahren“, hieß es vom Vorstand. Das Vorhaben komme „einem Affront“ gleich.

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