SARS-CoV-2Corona-Antikörpertests – Nutzen und Risiken

Seit einigen Wochen gibt es Antikörpertests gegen das Corona-Virus (SARS-CoV-2), die Immunität nach durchgemachter Corona-Infektion und damit auch die Durchseuchung der Bevölkerung anzeigen sollen. Was ist von diesen Tests zu halten, soll man sie einsetzen, und wie sind ihre Ergebnisse zu interpretieren?

Kolorierte transmissions-elektronenmikroskopische Aufnahme von SARS-CoV-2-Viruspartikeln.

Hohe Erwartungen an Corona-Antikörpertests haben nicht nur die Menschen, die wissen wollen, ob sie ihre Großeltern im Pflegeheim endlich wieder besuchen dürfen, und Mediziner und Pflegekräfte in ihrem täglichen Kampf gegen die Infektion. Auch Politik und Wirtschaft erhoffen sich von ihnen die notwendigen epidemiologischen Daten, die ihnen erlauben, das soziale und wirtschaftliche Leben wieder aufzutauen. Denn solange kein Impfstoff und kein Medikament gegen die Corona-Pandemie auf dem Markt ist, kann bekanntlich nur eine Durchseuchung der Bevölkerung (geschätzt bei 60-70 Prozent) das Infektionsgeschehen stoppen.

Aktuell sind Antikörpertests in Bezug auf das neue Coronavirus aber noch mit viel Unsicherheit behaftet. So sind die meisten Schnelltests noch nicht validiert. Unklar ist bislang auch noch, ob und wie lange man immun ist.

Finger weg von den Corona-Antikörper-Selbsttests

Antikörpertests dienen bekanntlich nicht der Frühdiagnose der Corona-Infektion; hier ist der sehr zuverlässige PCR-Test Standard. Da sich SARS-CoV-2-Antikörper erst ca. 14 Tage nach Krankheitsbeginn deutlich ausgebildet haben, würde ein früherer Einsatz eines Antikörpertests hochwahrscheinlich ein falsch-negatives Ergebnis produzieren. Der Antikörpertest sagt auch nichts über eine eventuell noch bestehende Infektiosität des Patienten aus.

Im Internet werden für Patienten Corona-Antikörper-Schnelltests teilweise aus dubiosen Quellen zur Selbstdurchführung angeboten. Dafür wird üblicherweise Kapillarblut auf eine Testkassette gegeben; diese zeigt ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest dann gegebenenfalls eine Farbmarkierung an.

Diese Tests haben derzeit keine Expertise, ihre Ergebnisse sind sehr unsicher. Manche Tests schlagen auch auf Antikörper anderer harmloserer Coronaviren an. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt – direkt nach der Erkältungssaison – ist daher mit häufigen Kreuzreaktionen zu rechnen.

Falsch negative und vor allem falsch positive Ergebnisse kommen häufig vor. Ein falsch positiver Schnelltest wird viele Menschen dazu verleiten, die notwendigen Schutzmaßnahmen nicht mehr zu praktizieren und damit sich selbst und andere zu gefährden. Raten Sie daher ihren Patienten unbedingt von diesen Tests in Eigenregie ab.

Eine erste Studie aus Kopenhagen…

… untersuchte kürzlich neun SARS-CoV-2-Antikörpertests (drei ELISA- und sechs point-of-care-Immunoassays) an Hand des Serums von 30 nachgewiesenen Corona-Patienten auf Spezifität und Sensitivität. Das Problem dieser ersten Studie ist nicht nur die niedrige Fallzahl, sondern schlicht noch fehlendes Wissen über die Immunologie von SARS-CoV-2. Die Studie kommt zu der ernüchternden Einschränkung:

“It is important to note that the presence of SARS-CoV-2-specific antibodies does not necessarily correspond to protection against SARS-CoV-2-infection and disease.” Auf Deutsch: Wichtig ist anzumerken, dass das Vorliegen von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern nicht unbedingt bedeutet, dass man vor einer SARS-CoV-2-Infektion oder -Erkrankung geschützt ist.

Für die Epidemiologen…

… sind Antikörpertests dennoch von größter Bedeutung, um die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung festzustellen und notwendige Konsequenzen zu empfehlen. Innerhalb von Studien können Fehlerquoten rechnerisch ausgeglichen werden. Das ist beim Test eines einzelnen Patienten nicht möglich.

Die Einzelfallentscheidung – was macht man mit einem (zum richtigen Zeitpunkt erhobenen) positiven oder negativen Antikörperbefund – bleibt daher schwierig.

Nehmen wir als Beispiel den seit kurzem im Markt befindlichen und nur Ärzten zugänglichen Anti-SARS-CoV-2-ELISA (IgA/IgG) Serum-Test der Firma Euroimmun. Die Firma beziffert die Sensitivität des Tests, also die Wahrscheinlichkeit, wie sicher der Test die (durchgemachte) Krankheit erkennt, auf sagenhafte 100 Prozent, und die Spezifität, also den Anteil von Personen ohne Erkrankung, bei der auch der Test negativ ausfällt, auf 98,5 Prozent. Die Kopenhagener Studie referiert allerdings schlechtere Werte. Erst größere Studien werden hier zuverlässige Daten liefern.

Zu viele falsch-positive Ergebnisse

Nehmen wir dennoch die besseren Werte der Firma und gehen fiktiv von folgender Situation aus: Es besteht derzeit eine Durchseuchung von 2 Prozent der deutschen Bevölkerung mit dem Corona-Virus, also 1,64 Millionen Menschen. Bei einer Dunkelziffer im Bereich des 5- bis 10-fachen der Zahl der nachgewiesenen Corona-Erkrankten eine durchaus realistische Annahme zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (19.4.). Würden wir nun ein ungezieltes Bevölkerungs-Screening mit einem Corona-Antikörper-Test mit den oben genannten Eigenschaften durchführen ergäbe sich folgendes Bild (vgl. Abb. 1):

Ergebnis: Bei einer Sensitivität von 100 Prozent übersieht der Test (angeblich) keine stattgehabte Corona-Infektion. Andererseits liegt der Positive Vorhersagewert des Tests bei bescheidenen 58 Prozent, will heißen: mindestens 4 von 10 Personen mit positivem Testergebnis haben (noch) gar keine Corona-Infektion durchgemacht, sind also “falsch-positiv”. Der Test ist also zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausreichend zuverlässig.

Das Problem dabei ist: Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen (man denke an den Westernblot-Bestätigungstest bei positivem HIV-ELISA-Antikörpertest) haben wir derzeit keine Untersuchungsmethoden, diese falsch-positiven Befunde weiter abzuklären.

Die Prävalenz macht den Unterschied

Je weiter die Durchseuchung der Bevölkerung mit dem Coronavirus fortschreitet, um so sicherer wird jedoch die Zuverlässigkeit des SARS-CoV-2-Antikörpertests werden.

Liegt die Prävalenz der stattgehabten Corona-Infektionen beispielsweise bei 20 Prozent der Bevölkerung steigt der Positive Vorhersagewert des Antikörpertests auf sehr ordentliche 94 Prozent, das heißt nur noch jeder 20. Patient wird falsch positiv getestet (vgl. Abb. 2). In dieser Situation, aber erst dann, hat der SARS-CoV-2-Antikörpertest eine Aussagekraft auch für den einzelnen Patienten.

Fazit

  1. Corona-Antikörper-Selbsttests aus Kapillarblut in Patientenhand machen derzeit wenig Sinn, da mit zu vielen falsch negativen, aber insbesondere vielen falsch-positiven Ergebnissen zu rechnen ist und es derzeit noch keinen zuverlässigen Bestätigungstest gibt.
  2. Falsch-positive Ergebnisse sind deswegen riskant, weil Patienten sich dann in falscher Sicherheit wiegen können und auf wichtige Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten oder Hygieneregeln verzichten.
  3. Corona-Antikörpertests im Serum in ärztlicher Hand sind ein wichtiges epidemiologisches Instrument, um die Durchseuchung der Bevölkerung festzustellen und entsprechende medizinische, soziale und wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen zu können.
  4. Corona-Antikörpertests (Serum) in ärztlicher Hand sind in der gegenwärtigen Phase bei (noch) relativ niedriger Prävalenz auf Grund ihres hohen Anteils falsch-positiver Befunde und fehlendem Bestätigungstest nur von sehr eingeschränktem Wert für den Einzelnen.
  5. Mit zunehmender Durchseuchung der Bevölkerung und damit höherer Prävalenz wird im weiteren Verlauf die Rate falsch-positiver Ergebnisse erheblich zurückgehen; damit wird das Ergebnis auch für den einzelnen Patienten aussagekräftig.
  6. Wir wissen derzeit nicht, wie konstant eine Immunität nach SARS-CoV-2-Erkrankung ist, oder ob es einen “Shift” wie beispielsweise beim Influenza-Virus geben kann.
  7. Die Situation ist extrem dynamisch; täglich erreichen uns neue Erkenntnisse. Dieser Artikel kann nur versuchen, die derzeitige Situation bestmöglichst abzubilden; weitere Updates werden folgen.

Literaturhinweis: R. Lassauniere et.al: Evaluation of nine commercial SARS-CoV-2- Immunoassays. medRxiv 2020.04.09. 20056325; https://doi.org/10.1101/2020.04.09.20056325

Weitere Literatur beim Verfasser.

Interessenskonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

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