Serie KollegentippsErnährungsmedizin: Fortschritt im Fokus

Wie motiviert man Patienten zu einer Ernährungsumstellung? Laut Hausarzt und Ernährungsmediziner Dr. Paul Gumminger ist es wichtig, auch kleine Erfolge wertzuschätzen.

Dr. Paul Gumminger (3. von links) mit einem Teil seines Teams.

Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland ist übergewichtig: Laut Statistischem Bundesamt brachten im Jahr 2019 rund 54 Prozent zu viele Kilos auf die Waage. “Wegen der zunehmenden gesundheitlichen Probleme durch Adipositas war es mir so wichtig, hierfür eine bessere Beratung anzubieten”, sagt Allgemeinmediziner Dr. Paul Gumminger.

Dr. Gumminger hat seine Hausarztpraxis im Jahr 2008 von seinem Vater übernommen und das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten nach und nach erweitert. 2011 erfolgte die Zertifizierung als ernährungsmedizinische Schwerpunktpraxis durch den Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM).

Welche speziellen ernährungsmedizinischen Leistungen bietet die Praxis seitdem an? “In erster Linie Gewichtsreduktionsprogramme nach den Adipositas-Leitlinien”, erklärt Dr. Gumminger. “Wir betreuen aber auch Patienten nach adipositaschirurgischen Eingriffen – das sogenannte ACHT-Programm- und bieten ernährungsmedizinische Beratungen bei Krankheitsentitäten wie Magen-Darm- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen an.”

Diagnostiziert und behandelt werden in der Praxis außerdem Mangelerkrankungen wie die ernährungsbedingte Sarkopenie, die bei älteren Menschen häufig ist. Dazu kommt die Mikronährstofftherapie, also Beratungen zur Vitamin- und Spurenelementversorgung etwa bei Patienten, die Dauermedikamente wie Antihypertensiva, Antidiabetika, Protonenpumpeninhibitoren, Psychopharmaka, Diuretika oder Cholesterinsenker einnehmen. Auch ein Programm zur Leberentfettung zählt zu den Praxisleistungen. Der Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf der Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten.

“Iss weniger” reicht nicht

Eine Ernährungsumstellung zur Gewichtsabnahme fällt meist schwer. Hier sei es wichtig, sich nicht auf oberflächliche Ratschläge zu beschränken, so Dr. Gumminger. “Entscheidend ist es zunächst, Verständnis und Empathie zu zeigen und die Gründe hinter dem Widerstand der Patienten zu verstehen – ihre Ängste, Unsicherheiten und individuellen Barrieren.”

Es gelte, klar und einfühlsam zu kommunizieren, die Patienten ihre Fragen stellen zu lassen und auch ihren Bedenken Raum zu geben. “Nehmen Sie den Patienten so an, wie er ist, ohne ihn zu verurteilen. Eruieren Sie auch, ob das Übergewicht für ihn überhaupt ein Problem ist. Manche adipösen Patienten wollen nichts ändern – auch das muss man akzeptieren.”

Wesentlich sei es außerdem, kleine und realistische Ziele zu setzen, statt gleich eine große Veränderung anzustreben. “Wenn Sie den Prozess schrittweise gestalten und begleiten, haben die Patienten eher das Gefühl, dass die Veränderungen machbar sind. Ich versuche stets, auch kleine Erfolge positiv zu verstärken, weil das die Motivation steigert und die Patienten dazu ermutigt, weiterzumachen.”

Zu den wichtigsten Komponenten zählen Aufklärung und Schulung: Ein besseres Verständnis des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Gesundheit erhöhe die Motivation zur Veränderung.

Im Rahmen der Schulungen müssten auch die Selbstmanagementfähigkeiten der Patienten gestärkt werden, so Dr. Gumminger: “Die Patienten müssen lernen, bestimmte Strategien zur Bewältigung von Hindernissen zu entwickeln. Wie können sie etwa dem sozialen Druck ausweichen, wenn sie auf eine Party eingeladen sind und nicht übermäßig essen möchten?” Hier könne es zum Beispiel helfen, wenn die Betroffenen gelernt haben, auf die richtigen Nahrungsmittel zuzugreifen.

Individuelle Beratung entscheidend

Ganz entscheidend ist aus Sicht von Dr. Gumminger eine personalisierte Herangehensweise: “Man muss die individuellen Vorlieben, Bedürfnisse und Lebensumstände des Patienten berücksichtigen, wenn man einen Ernährungsplan entwickelt.”

Dazu gehöre auch, sich die Grund- und Begleiterkrankungen anzuschauen: “Bei Diabetes oder Hypertonie zum Beispiel muss man bei einer Gewichtsabnahme unter Umständen die Therapie reduzieren.” Ebenso spiele das Alter eine Rolle – so seien im hohen Alter meist Vorsicht und mehr Kontrollen geboten.

Darüber hinaus müsse auf den Alltag der Patienten eingegangen werden: “Handelt es sich um eine Schichtarbeiterin oder um einen LKW-Fahrer, der nur an Raststätten mit Fast Food vorbeikommt? Die jeweils vorliegenden Probleme zu verstehen ist die Voraussetzung dafür, nach Lösungen zu suchen.”

Dr. Gumminger empfiehlt, Ernährungsassessments einzuführen, um den Ernährungsstatus der Patienten zu erfassen und Risikofaktoren zu identifizieren. “Ein einfaches Ernährungsprotokoll über ein bis zwei Wochen ist ein wichtiger Baustein: Einerseits dient es uns zur Information.

Viel wichtiger ist aber, dass sich die Patienten dadurch selbst bewusst machen, was und wie oft sie eigentlich essen. Darauf basierend kann man dann individuell beraten und besprechen, wo der Patient die Probleme sieht und was gut oder weniger gut funktioniert hat.” Ein kostenfreies Ernährungstagebuch stellt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) auf ihrer Homepage zur Verfügung (www.hausarzt.link/B6Xri).

Geduld lohnt sich

Dr. Gumminger bietet seinen Adipositas-Patienten kontinuierliche Unterstützung an: “Die Patienten in den Ernährungsprogrammen kommen einmal pro Woche. Wir nutzen auch eine App, wo sie ihre Messwerte selbst abrufen und eintragen können.”

Bei schwierigen Ereignissen im Leben der Patienten bemühe er sich, sie dennoch weiter zu betreuen, Lösungen zum Pausieren für diese Zeit zu finden und danach wieder einzusteigen. “Den Fokus immer auf den Fortschritt richten und nicht auf die Rückschläge – das ist mein Leitspruch”, sagt Dr. Gumminger.

Grundsätzlich sei viel Geduld nötig: “Ermutigen Sie die Patienten, sich nicht entmutigen zu lassen. Wenn man über längere Zeit abnimmt, kann es sein, dass im Rahmen der Stoffwechselumstellung für ein bis zwei Wochen nichts vorangeht.

Wenn die Patienten Fett ab-, aber Muskeln aufbauen, passiert auf der Waage ebenfalls nichts – das muss man den Leuten erklären.” Aus diesem Grund sei es für eine ernährungsmedizinische Schwerpunktpraxis auch wichtig, die Körperzusammensetzung vor Ort analysieren zu können.

In Dr. Gummingers Praxis zahlt sich die Geduld aus: “Die Programme zur Gewichtsreduktion funktionieren bei uns sehr gut, wir haben eine gute Erfolgsquote und relativ wenig Abbrecher.”

Wer sollte zum Ernährungsmediziner?

Eine Überweisung in eine ernährungsmedizinische Schwerpunktpraxis empfiehlt Dr. Gumminger bei komplexen Fällen mit hochgradiger Fettleibigkeit und begleitenden Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen; außerdem bei speziellen Fragestellungen wie Allergien oder Intoleranzen.

Patienten mit Essstörungen bräuchten selbstverständlich eine umfangreiche Betreuung durch die zuständigen Fachgruppen. Auch Patienten mit gastrointestinalen Störungen, Mangelernährung oder Schwierigkeiten beim Abnehmen könnten von einer ernährungsmedizinischen Betreuung profitieren.

Eine Überweisung sei darüber hinaus sinnvoll, wenn Patienten ihre Ernährungsgewohnheiten präventiv verbessern möchten oder man selbst nicht die Kapazität habe, ein Ernährungsprogramm in der eigenen Praxis durchzuführen.

“Die Schwerpunktpraxis kümmert sich dann nur um das ernährungsmedizinische Problem und hält bei Bedarf Rücksprache. So sollte zum Beispiel eine Medikamentenreduktion immer im Konsens mit den hauptbehandelnden Ärzten bzw. Hausärzten erfolgen.”

Infos zur Abrechnung

Das Thema Ernährungsmedizin kommt in jeder Hausarztpraxis bewusst oder unbewusst täglich vor. Allerdings bestehen im Rahmen der GKV-Behandlung nur begrenzte Möglichkeiten der Abrechnung sowie der Verordnung von Ernährungsberatung bei schweren Krankheiten.

Deshalb wird Ernährungsberatung und Ernährungsmedizin häufig als Selbstzahlerleistung angeboten und nach GOÄ abgerechnet.

Die in Frage kommenden Leistungen sind hier vorwiegend Beratungen und Untersuchungen; aber auch entsprechend aufgestellte Behandlungspläne können abgerechnet werden.

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