Der FallEine Wunde am Innenknöchel

Die häufigste Ursache eines Ulcus cruris ist die chronisch-venöse Insuffizienz. Was es bei Diagnose und Therapie zu beachten gilt.

Das chronische Ulcus cruris im Alter stellt eine besondere Herausforderung dar.

Das sagt der Hausarzt

Hier liegt der typische Fall eines Ulcus cruris in einem fortgeschrittenen Stadium vor. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität der Patientin ergibt sich der Verdacht auf eine venöse Ursache. Um differenzialdiagnostisch andere Ursachen (zum Beispiel arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes, Lymphödem, Hypertonie usw.) ausschließen zu können, ist bei einem Ulcus cruris generell immer eine eingehende Anamneseerhebung wichtig.

Zudem sollte man eine Dopplersonografie durchführen, die den Blutfluss in Venen und Arterien darstellt. Ist dies in der eigenen Praxis nicht möglich, ist die Überweisung zu einem Facharzt notwendig. Laborwerte und gegebenenfalls eine bakteriologische Untersuchung vervollständigen die Diagnostik.

Um den Blutfluss in dem betroffenen Bein zu verbessern, ist eine individuell auf die Patientin abgestimmte Kompressionstherapie Grundlage für die Behandlung eines Ulcus cruris. Medizinisch handelt es sich bei einer Kompressionstherapie um eine Behandlungsform, die durch lokalen Druck auf das venöse Gefäßsystem der Beine dazu führt, dass das Blut einen geringeren Raum zu passieren hat und die Fließgeschwindigkeit des Blutes zunimmt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Druck zu erzeugen. Man kann das Bein mit Kompressionsbinden (Kurzzug- und Langzugbinden) bandagieren oder speziell angepasste Kompressionsstrümpfe verwenden. Wichtig dabei ist, dass der Kompressionsdruck distal bei den Füßen am höchsten ist und nach proximal kontinuierlich abnimmt. Das gewährleistet einen guten venösen Rückfluss.

Entscheidend für die Fließgeschwindigkeit und somit für den Erfolg der Kompressionstherapie ist die zusätzliche Eigenbewegung des Körpers. Das Zusammenspiel von Anspannung und Entspannung der Muskulatur des Beins verstärkt den Blutfluss.

Dieser Effekt wird bei der speziellen Kompressionstherapie mittels der sogenannten apparativen intermittierenden Kompression (AIK) erreicht. Hier wird die Kompression durch ein Luftkissen erzeugt, das durch einen Kompressor versorgt wird. Das Luftkissen umschließt das Bein und gewährleistet so einen variablen Druck. Die AIK kommt ohne den Einsatz der Muskelpumpe aus und wird meist zur Entstauungstherapie verwendet.

Neben der Kompressionstherapie und einer konsequenten Wundversorgung ist bei einem Ulcus cruris zudem Bewegung wichtig. Schon wenige Schritte, eventuell mit Unterstützung (zum Beispiel durch einen Rollator) und mehrmals am Tag durchgeführt, können hilfreich sein und den Blutdurchfluss verbessern. Dabei sollten die Patienten möglichst nicht am Boden schlurfen, sondern versuchen, kontrolliert mit den Füßen abzurollen.

Dr. Peter Schlüter, Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, Hemsbach

Das sagt die Fachärztin

Die häufigste Ursache eines Ulcus cruris ist in etwa vier Fünftel der Fälle die chronisch-venöse Insuffizienz. Sie ist meist Folge einer Varikosis, einer Gefäßmalformation oder eines postthrombotischen Syndroms. Zusätzlich existieren Risikofaktoren wie Adipositas, Bewegungsmangel sowie stehende oder sitzende Tätigkeiten, die die Venenpumpenfunktion einschränken und das Risiko einer chronisch-venösen Insuffizienz erhöhen.

Das chronische Ulcus cruris im Alter stellt eine besondere Herausforderung dar. Als Basisdiagnostik dienen die Patientenanamnese, die klinische Untersuchung und die Abklärung des Gefäßstatus. Dafür kommt eine Duplexsonografie infrage, eventuell ergänzt durch eine Venenfunktionsmessung (zum Beispiel durch Photoplethysmografie, Licht-Reflexions-Rheografie).

Die Art der Therapie hängt unter anderem auch vom duplexsonografischen Befund ab, daher sollte man in einem solchen Fall den Patienten an einen Facharzt überweisen. Da ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung besteht, ist eine frühzeitige Diagnostik beim Auftreten der Beschwerden wie im beschriebenen Fall wichtig.

Die Lokaltherapie umfasst eine entsprechende Wundauflage je nach Wundstadium sowie eine individuelle Kompressionstherapie. Die Kompressionstherapie ist die Basis der konservativen Behandlung. Sie reduziert die venöse Hypertension, was zu einem Rückgang des Ödems und zu einer reduzierten Schmerzsymptomatik führt.

Prinzipiell empfiehlt sich bei symptomatischer chronisch-venöser Insuffizienz und fehlender therapierelevanter pAVK eine Kompressionstherapie. In der Akutphase einer Beinschwellung und zur Entstauungstherapie sind Kompressionsverbände mit Kurzbinden angezeigt. Zur Dauertherapie sind medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse 2 nach Maßanfertigung geeignet.

Zur Verbesserung der Lebensqualität und Begleitsymptomatik der venösen Insuffizienz sollten generell alle Patienten eine stadiengerechte Kompressionstherapie erhalten.

Allgemein gilt: Venenleiden müssen rechtzeitig erkannt und richtig diagnostiziert werden, um die Folgen einer zunehmenden Venenschwäche, eine Chronifizierung und eine Entstehung von Ulzera, Thrombosen oder Ödemen zu verhindern.

Ulzerationen können zudem auch im Rahmen einer arteriellen Verschlusskrankheit entstehen, diese kann man eigentlich am besten mithilfe der Duplexsonografie erkennen. Bei einer arteriellen Verschlusskrankheit ist nur eine sanfte bzw. in fortgeschrittenen Stadien gar keine Kompressionstherapie angezeigt. Denn diese kann die Durchblutung und eine bereits vorliegende Ulzeration verschlechtern. Daher ist eine richtige Diagnose von Anfang an so wichtig.

Dr. Alis Siica, Fachärztin für Gefäßchirurgie, Praxis „Dermatologie am Dom“, München

Das sagt die Evidenzbasierte Medizin

Generell empfiehlt die Leitlinie “Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK), AWMF-Registernummer: 037/005” die Kompressionstherapie als integralen Bestandteil der Therapie phlebologischer Krankheitsbilder.

Die Leitlinie weist darauf hin, dass spezielle Kenntnisse und Erfahrungen Voraussetzung für die Anwendung einer Kompressionstherapie sind. Das betrifft sowohl Diagnose, Differenzialdiagnose, Risiken und Kontraindikationen als auch die Verordnung zeitgemäßer Kompressionsmaterialien und die Technik des Anlegens.

PKV gelten als Standardtherapie des venösen Ulcus cruris, aber auch MKS und MAK sind zur Ulkustherapie geeignet. Kompressionsverbände und zweilagige Ulkus-Kompressionsstrumpfsysteme verbessern laut der Leitlinie gleichermaßen Ulkusheilung und Schmerzen.

Um die Adhärenz zu fördern, soll der Patient zudem “ausführlich über Sinn und Zweck der Kompressionstherapie, mögliche Nebenwirkungen und Risiken und über die richtige Anwendung der Kompressionsmaterialien sowie begleitende Maßnahmen (zum Beispiel Hautpflege, Bewegung) aufgeklärt und darin geschult werden”.

Die S2k-Leitlinie 037-018 “Diagnostik und Therapie der Varikose” betont, dass “bei Vorliegen einer symptomatischen oder einer relevanten Varikose eine spezielle Untersuchung erfolgen sollte, um das weitere Vorgehen zu planen. Hierzu sollte der Patient einem Venenspezialisten vorgestellt werden, der über das Spektrum der Diagnostik inklusive Duplex-Sonografie und das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten verfügt bzw. entsprechende Empfehlungen aussprechen kann.” Das gilt unter anderem auch bei Vorliegen eines Ulcus cruris venosum.

Aktuell wird die bereits langjährig abgelaufene Leitlinie “Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum” überarbeitet. Ihre Fertigstellung ist für Ende 2022 geplant. Die darin aufgeführten Empfehlungen konnten daher nicht in diese Übersicht einfließen.

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