"Rauchende Köpfe"Nimm Dein Bett und gehe: Mit Hilfsmitteln Mobilität verbessern

Mit Hilfsmitteln können Ärztinnen und Ärzte die Lebensqualität von Menschen deutlich verbessern. Eine Verordnung kann aber auch viel Ärger bedeuten, wenn man falsch rezeptiert. In Teil 3 der Hilfsmittel-Serie geht es um Pflegebetten und Rollatoren.

Pflegebetten gelten in der Regel als Hilfsmittel der Pflegekasse und werden erst ab Pflegegrad 3 bewilligt.

Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen, Einschränkungen in diesem Bereich führen zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und der Selbstständigkeit. In der Rechtsprechung wird dieses Grundbedürfnis – also Sitzen, Stehen, Gehen, Liegen – anerkannt und damit die Leistungspflicht der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen begründet. Wie verordnen Sie aber nun konkret ein Hilfsmittel zur Mobilität?

Manchmal ist unkonkret besser

In zwei Beiträgen (s. Kasten links) finden Sie Details und viele Tipps zur Hilfsmittelverordnung. Hier also nur in Kürze die Grundzüge: Hilfsmittel zulasten der gesetzlichen Krankenkasse rezeptieren Sie auf Muster 16 (“rosa Rezept” – aktuell noch kein E-Rezept!), kreuzen die “7” an und nennen die Diagnose. Diese darf als Freitext gefasst werden und muss keinen ICD enthalten (z.B. “eingeschränkte Mobilität im Senium”).

Nun benennen Sie noch das Hilfsmittel. Merke: Die Bezeichnung muss nur “so genau wie möglich sein”. Hier ist es keineswegs erforderlich und aus unserer Sicht meist auch nicht ratsam, ein konkretes Produkt zu benennen.

Die Vielfalt der Produkte auf dem Markt wird für die meisten Hausärztinnen und Hausärzte sowieso nicht überschaubar sein, geschweige denn, dass man jeweils weiß, was ein konkretes Produkt kostet und ob nun genau dieses den WANZ-Kriterien des Sozialgesetzbuch V (“wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig”) entspricht.

Es gibt durchaus erhebliche Unterschiede in den einzelnen Produkten einer Produktart. Hierfür ist aber der Leistungserbringende, also etwa das Sanitätshaus, zuständig. Nicht umsonst handelt es sich bei Orthopädietechnik um eine dreieinhalbjährige Ausbildung.

Merke: Ärztinnen und Ärzte sind nur dafür zuständig, die Indikation für ein Hilfsmittel aus einem bestimmten Bereich zu stellen. Die nähere Ausführung sucht der Leistungserbringende mit Fachkenntnis nach den Anforderungen des Einzelnen heraus und begründet dies auch gegenüber der Krankenkasse.

Tipp: Vereinfacht gesagt, Sie schreiben also nicht “Tempo Taschentücher super-soft mit Aloe Vera und Frühlingsduft in der praktischen wiederverschließbaren Mini-Packung, erforderlich bei Schnupfen” aufs Rezept, sondern “Taschentücher aus Zellulose, erforderlich bei Schnupfen” – das können dann auch die vom Discounter sein, wenn sie ihren Zweck ausreichend erfüllen.

Diese “Überschriften” der Produktbezeichnung finden Sie im Hilfsmittelverzeichnis auf www.hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de . Es enthält übrigens auch jeweils eine Beschreibung der Produktart (“was ist das eigentlich genau?”) und die Indikation, bei der die Produktart verordnet werden darf.

Genehmigung durch Kasse

Den Vermerk “nur nach Genehmigung durch die Krankenkasse” oder ähnliches können Sie sich sparen. Zum einen gilt dieser nicht, zum anderen ist je nach Krankenkasse sowieso geregelt, welche Hilfsmittel (meist ab einem bestimmten Preis oder bei bestimmten Produkten) genehmigungspflichtig sind.

Der Hilfsmittelversorgende (Leistungserbringende) muss hier einen Kostenvoranschlag erstellen und die genauere Ausführung (also, welches Produkt) begründen. Hierfür ist entsprechende Fachkunde erforderlich, die die meisten Ärztinnen und Ärzte vermutlich nicht haben.

Tipp: Lassen Sie sich also nicht vor den Karren eines Leistungserbringenden spannen und schreiben Produktdetails aufs Rezept, mit denen Sie sich nicht auskennen und deren Notwendigkeit Sie nicht beurteilen können – nur um dem Sanitätshaus die Beantragung zu vereinfachen.

Prüfer von Krankenkassen berichten von Fällen, in denen die abenteuerlichsten Hilfsmittel “auf Zuruf” verordnet wurden – wie beispielsweise ein Exoskelett für eine über 80jährige Dame, damit diese ihre Wasserkästen tragen könne. Oder ein Vertretungskollege verschrieb eine spezielle Beinorthese für eine 60jährige Patientin, diese sollte 50.000 Euro kosten.

Verständlicherweise fragte die Krankenkasse nach, warum es diese Versorgung brauche, was der Kollege nicht beantworten konnte und auf den Orthopäden verwies. Cave: Der Kollegenverweis ist kein gutes Argument. Wenn Sie etwas unterschreiben, tragen Sie dafür auch die Verantwortung.

Es hilft Ihnen also nachträglich nicht, dass sie nicht wussten, was sie rezeptiert haben. In diesem konkreten Fall erhielt die Patientin nach mehrmonatigem Rechtsstreit eine für ihre Bedürfnisse adäquate Orthese für knapp 8.000 Euro. Die vorherige inadäquate Verordnung hat hier nur allen Beteiligten Ärger und Zeitverlust gebracht.

Deutlich schneller wäre es gegangen, wenn schlicht eine “Beinorthese zum Erhalt der Mobilität, erforderlich bei…” verordnet worden wäre. Die Wahl des konkreten Produkts hätte dann der Orthopädietechniker begründen müssen.

Kontrolle des Hilfsmittels

Laut Hilfsmittelrichtlinie sind Leistungserbringende (also Sanitätshaus und Co.) übrigens bei der Lieferung des Hilfsmittels verpflichtet, dieses auf die Menschen anzupassen und in dessen Gebrauch einzuweisen. Ärztinnen und Ärzte wiederum sollen überprüfen, ob das Hilfsmittel zweckmäßig gebraucht wird.

Sollte es hier zu Unstimmigkeiten kommen (“passt nicht”, Versicherte kommen nicht zurecht, Hilfsmittel wird doch nicht benutzt etc.), müssen sie die Versorgung anpassen (Austausch, Reparatur veranlassen).

Welche Möglichkeiten gibt es nun, um Menschen wieder zu mobilisieren?

Beispiel 1: Pflegebett

Manchmal fragen Menschen nach der Verordnung eines Pflegebettes, weil das eigene nicht höhenverstellbar, durchgelegen oder ein neues zu teuer ist. Oder Angehörige fragen danach, weil jemand allein nicht mehr aus dem Bett aufstehen kann. Ist hier ein Krankenpflegebett verordnungsfähig?

Es lohnt ein Blick in das Hilfsmittelverzeichnis unter dem Suchbegriff “Bett”. Merke: Pflegebetten gelten in der Regel als Hilfsmittel der Pflegekasse und werden erst ab Pflegegrad 3 bewilligt. Nur bei vorübergehender Immobilität, die keinen längerfristigen Pflegegrad begründen, wäre hier die Krankenkasse überhaupt zuständig!

Glücklicherweise kann Ihnen das im konkreten Fall nahezu egal sein, weil die Kasse das intern klärt. Ein Pflegebett kostet etwa 600 Euro im Jahr und verbleibt im Besitz des Leistungserbringenden. Weisen Sie ggf. Angehörige darauf hin, dass es keine gute Idee ist, das Bett auf Ebay zu verkaufen, wenn Oma gestorben ist. Denn Leistungserbringende werden es zurückfordern.

Zur Verordnung eines Pflegebetts steht im Hilfsmittelverzeichnis unter “Indikation” u.a. “erheblich bis voll ausgeprägte Beeinträchtigung der Mobilität. Zur Entlastung der Pflegenden (…) nicht mehr spontan mobiler, über weite Teile des Tages bettlägeriger Pflegebedürftiger, wenn die Pflege ganz oder teilweise im Bett vorgenommen wird”.

Merke: Hieraus ergibt sich, dass es als Indikation nicht reicht, wenn Oma nur schwer aus dem Bett aufstehen kann, um dann den ganzen Tag herumzulaufen.

Ebenfalls im Hilfsmittelverzeichnis finden sich jedoch auch behindertengerechte Betten und Bett-Zurichtungen wie Einlegerahmen etc., außerdem behindertengerechtes Bettzubehör wie Aufrichthilfen (Bettgalgen etc.). Hier sollte am besten das Sanitätshaus beraten, was sinnvoll erscheint und angemessen ist.

Bitte lassen Sie sich nicht “hinreißen” und überschreiten Maße von über 90 cm und 200 cm (zum Beispiel 100 x 200 cm). Diese Überschreitung würde den Fallpauschalenpreis von 600 Euro auf bis zu 7.000 Euro im Härtefall hinauftreiben. Stattdessen gibt es zum Beispiel Schwerlastbetten für Menschen mit einer ausgeprägten Adipositas.

Tipp: Wenn das Sanitätshaus in unserem fiktiven Beispiel die “Tempotaschentücher mit Aloe Vera etc.” empfiehlt, suchen Sie zunächst über die Suchfunktion des Hilfsmittelverzeichnisses, wo im Verzeichnis das Produkt steht.

Die Tempos stünden beispielsweise unter der Überschrift “Taschentücher”. Unter Indikation fänden Sie dann “Erkältungsinfekte oder allergische Reaktionen mit vermehrter Sekretion der Nasenschleimhäute, Schnupfen”. Passt die Indikation, schreiben Sie aufs Rezept lediglich die “Überschrift”, also die Produktart mit der siebenstelligen Ziffer aus dem Verzeichnis. Die Begründung der konkreten Ausführung (meist zehnstellige Ziffern) muss im Folgenden dann das Sanitätshaus verantworten.

Bei einem Pflegebett heißt die Produktart “50.45.01.1 – Pflegebetten, motorisch verstellbar” – Sie können mit oder ohne die siebenstellige Zahl verordnen. Notieren Sie die Diagnose dazu und setzen Sie das Kreuz bei der “7” – fertig ist das Rezept.

Tipp: Noch einfacher wird es, wenn Sie sich hierfür Vorlagen oder Textbausteine anlegen, wie zum Beispiel “motorisch verstellbares Pflegebett, erforderlich bei Immobilität”. Welches Fabrikat, Farbe etc. dann geliefert wird, handeln Versicherte, Sanitätshaus und Kranken-/Pflegekasse miteinander aus.

Beispiel 2: Rollator

Ein Rollator ist laut Hilfsmittelverzeichnis ein vierrädriges Gerät, das stabiler ist als ein sogenanntes Deltarad (Gehwagen mit drei Rädern ohne Sitz). Es wird noch detaillierter ausgeführt, aber eine grobe Vorstellung, um was es sich handelt, haben die meisten. Es wird in den Produktarten noch unterschieden zwischen

  1. “normalen” Rollatoren,
  2. Leichtgewichtsrollator,
  3. solchen mit erhöhter Belastbarkeit (über 150kg) und
  4. solchen mit Unterarmauflagen.

Faltbar sind die Geräte “von Haus aus”, das muss also nicht zusätzlich verordnet werden, ebenso wie Bremsen etc. (übrigens hat das Hilfsmittelverzeichnis einen Tippfehler: mit “Bodenzüge” sind “Bowdenzüge” wie am Fahrrad gemeint).

Wie beim Pflegebett existieren für Rollatoren Versorgungspauschalen, womit das Gerät also im Eigentum des Leistungserbringenden bleibt. Die Pauschalen laufen über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren. Notwendige Reparaturen bei Standardrollatoren (vierrädrig, Korb/Tablett, Gewicht von ca. 12kg) liegen daher nicht im Leistungsumfang der Krankenkasse oder des Versicherten, sondern beim Leistungserbringenden.

Der Leistungserbringende erhält für die gesamte Laufzeit ca. 100 Euro brutto. Nur in speziellen Fällen ist ggf. ein Leichtgewichts-Rollator erforderlich, der etwa den dreifachen Preis hat und etwa halb so schwer ist wie ein “normaler” Rollator. Bei Menschen mit Störungen der Handfunktion, wie bei rheumatoider Arthritis, kann die Verordnung eines Rollators mit Unterarmauflagen sinnvoll sein.

Grundsätzlich können Patientinnen und Patienten immer eine Aufzahlung (Mehrkosten) für eine Wunschausführung leisten, etwa Farbwünsche, Räder mit LED-Blinklichtern. Der Standard-Rollator ist jedoch für die normale gesetzliche Zuzahlung erhältlich.

Die Sanitätshäuser müssen übrigens an die Krankenkassen melden, wie oft und in welchem Umfang sie Sonderwünsche erfüllen und berechnen. Bei Auffälligkeiten wird dem Leistungserbringenden relativ genau auf die Finger geschaut. Es kann außer Wunsch-Erfüllern auch schwarze Schafe geben, die die “Kassengestelle” erst mal schlechtreden, um dann etwas Teures zu verkaufen.

Die Rezepte würden also beispielhaft folgende Texte enthalten:

  • ein Rollator, vierrädrig, erforderlich bei eingeschränkter Mobilität
  • ein Leichtgewichtsrollator bei Gangstörung und mangelnder Handkraft
  • ein Rollator, vierrädrig, erhöhte Belastbarkeit, erforderlich bei Gangunsicherheit und Körpergewicht über 150 kg
  • ein Rollator mit Unterarmauflagen, erforderlich bei Sturzgefahr und eingeschränkter Handfunktion bei rheumatoider Arthritis

Nach dem Pareto-Prinzip können Sie so etwa 80 Prozent der Anforderungen mit wenig Aufwand bearbeiten!

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