Arztpraxen sind GewerberäumeBaurechtliche Fallen bei der Praxiswahl

Egal, ob edler Altbau oder modernes Bürogebäude: Soll eine Immobilie als Praxis genutzt werden, gilt es allerhand baurechtliche Vorgaben zu beachten. 7 Fehler sollten Hausärztinnen und Hausärzte insbesondere vermeiden.

Praxisräume: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Doch so einfach ist es nicht.

Wird ein Kassensitz frei oder steht eine Praxis zum Verkauf, überlegt manche Ärztin oder Arzt, welcher Standort für das eigene Unternehmen am besten passt: Im Stadtzentrum lockt ein edler Altbau mit Erker und bodentiefen Fenstern. Liebenswürdig knarzendes Parkett ist Musik in den Ohren eines Denkmalliebhabers.

Anderen Medizinern wiederum schwebt eine komplette Büroetage im Citytower vor, mit Blick über die ganze Stadt. Der Dritte will eine bestehende Praxis in einem Mehrfamilienhaus, Baujahr 1970, mit guter Frequenz und Apotheke im Erdgeschoss, erweitern und mehrere Kollegen anstellen.

1. Fehler: Praxisnutzung nicht vorgesehen

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Doch so einfach ist es nicht. Denn Arztpraxen – unabhängig von der Fachrichtung – sind de facto Gewerberäume. Und wer diese mieten und als Praxis nutzen will, sollte vorab einige Aspekte klären, um nicht hinterher draufzuzahlen.

Monika Seckler-Fleischer, Geschäftsführerin der Immobilienagentur Palm KG, weiß: “Zuerst sollten angehende Praxis-Inhabende klären, ob die Räume überhaupt als Praxis nutzbar sind.” Die Schorndorfer Quartiersentwicklerin weist jahrzehntelange Erfahrung im Praxisausbau auf – bundesweit managte sie 13 Ärztehäuser und zwölf Apotheken.

Ob die gediegene Altbauwohnung oder das schicke, ehemalige Büro als Arztpraxis nutzbar ist, weiß die zuständige Baubehörde. Wenn Umnutzungen, Erweiterungen und gar Umbauten nötig sind, “sollte ein Architekt hinzugezogen und eine informelle Bauvoranfrage gestellt werden”, sagt Seckler- Fleischer.

Das koste zwar Geld, sei jedoch ratsam. Denn spätestens, wenn das zuständige Bauamt auf einem Baugesuch besteht, können über den informellen Weg Stolpersteine ausgeräumt werden.

2. Fehler: Blick ins Grundbuch vergessen

Über solch einen Stolperstein wäre der freie Architekt Hans-Dieter Ziegler aus Ludwigsburg unlängst gestolpert – bzw. seine Kunden, ein Ärzteehepaar. Diese hatten sich eine Immobilie ausgesucht, die für eine Praxisnutzung geeignet schien.

Doch der Blick ins Grundbuch offenbarte ein 80 Jahre altes Wegerecht. Auf der ehemaligen Zufahrt zum Nachbargrundstück steht zwar seit Jahren eine Garage, die für eine Praxiserweiterung abgerissen werden sollte. Doch das eingetragene Recht machte den Abriss und vorgesehenen Anbau unmöglich.

Seckler-Fleischer rät daher: “Planungskosten sollten im Mietvertrag geregelt sein.” Für Klarheit sorge mitunter ein spezieller Vorvertrag, indem aufgelistet ist, wer welche Kosten übernimmt, bevor es zum eigentlichen Mietverhältnis kommt.

Wichtig: Bei Praxisneubauten gelten schärfere Bedingungen als bei der Übernahme. “Alte Praxen genießen Bestandsschutz”, verdeutlicht Ziegler.

3. Fehler: Nicht an Parkplätze gedacht

Wer einen Praxisneubau anstrebt oder besagten Altbau umnutzen will, muss dafür sorgen, dass die Räume barrierefrei sind. Falls diese in einem höheren Stockwerk liegen, bedeutet das: Es braucht einen Aufzug. Für kleinere Treppen reichen Rampen.

In jedem Fall müssen Ältere sowie Menschen mit Behinderung ohne Hindernisse in die Praxis gelangen können. Um das zu erreichen, verlangen Bauämter mitunter Rampen oder Treppenlifte.

Auch Parkplätze vor der Praxis und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sind unabdingbar. “Verfügt eine Praxis nicht über genügend Stellplätze, sind je nach Landesbauverordnung und Stellplatzsatzung der Gemeinde bis zu 20.000 Euro Ablösezahlung pro fehlendem Platz fällig”, verdeutlicht Seckler-Fleischer.

4. Fehler: Brandschutz & Co. ignoriert

Auch die Mindestanforderungen an Brand- und Schallschutz sowie Wärmedämmung müssen Praxis-Inhabende beachten. Bis zu einer Grundfläche von 50 Quadratmetern muss ein Feuerlöscher mit sechs Löschmitteleinheiten (LE) vorhanden sein.

Für weitere 50 Quadratmeter sind nochmals drei LE nötig. Und ab 100 Quadratmetern wiederum drei LE, je Hunderterschritt. Maßgeblich im Bestand ist die Baugenehmigung.

Beim Schallschutz gilt es, den Lärmpegel in der Praxis für Erkrankte und Personal angenehm zu halten. Das bedeutet laut Arbeitsschutzverordnung maximal 85 Dezibel – was einem Rasenmähgeräusch entspricht.

“Wir raten jedoch besser zu dämmen, sodass die Lautstärke maximal 45 Dezibel erreicht”, sagt Seckler-Fleischer. Also so leise wie ein ruhiges Telefonat. Das bedeutet, Schallbrücken wie Steckdosen zu eliminieren und Türschlitze ebenfalls zu dämmen.

Geht es ans Renovieren, müssen Fluchtwege und Notausgänge gut gekennzeichnet und eingeübt sein. Strömen etwa giftige Gase aus oder brennt es im Gebäude, muss das Notfallmanagement greifen.

Die Immobilienexpertin weiß: “Fluchtwege und Notausgänge müssen mit Farben bzw. erkennbaren Leuchttafeln gekennzeichnet sein”. Das ist Sache der Vermietenden.

5. Fehler: Verordnungen nicht gelesen

Laut Arbeitsstättenverordnung darf von Praxisräumen keine Gefahr für Mitarbeitende oder Erkrankte ausgehen. Berufsgenossenschaften oder Kammern bieten Checklisten für solche Gefährdungsbeurteilungen.

Darin wird neben der Begutachtung von Medizingeräten auch die Raumsituation beurteilt. Architekt Ziegler betont: “Viele wissen nicht, dass etwa die Raumhöhe in Gewerberäumen mindestens 2,5 Meter betragen muss.”

Räume im oben erwähnten Mehreinheitenkomplex unterschreiten diese Vorgabe mitunter – etwa, wenn die Häuser 40 Jahre oder älter sind.

Auch die Raumgröße müssen Ärztinnen und Ärzte beachten. Acht Quadratmeter sind mindestens gefragt. In der Verordnung heißt es: Mitarbeitende müssen sich ungehindert bewegen können, die freie Bewegungsfläche sollte 1,5 Quadratmeter nicht unterschreiten. Auch die Fenster sollten sich problemlos öffnen und schließen lassen.

Der Eingangsbereich wiederum wird separat betrachtet. Hier gehört ein Feuermelder montiert und die Grundfläche darf niemals zugestellt sein. Arbeitsbildschirme sollten so platziert werden, dass Einblicke auf sensible Daten nicht möglich sind. Zum Datenschutz gehört ferner, dass Wartezonen akustisch von der Anmeldung getrennt sind.

Wer Op-Räume plant, muss wissen, dass Op-Teams reine und unreine Arbeitsbereiche benötigen. Gleiches gilt laut RKI-Richtlinien für den eigentlichen Op- und Sterilisationsraum: Zur Sterilisation von Instrumenten sind ebenso reine und unreine Seiten im Raum gefordert – natürlich mit genügend Platz zum Bewegen.

Fehlen Fenster, sind Lüftungssysteme oder Klimaanlage unabdingbar. “Zudem empfehlen wir, auch Behandlungszimmer mit Klimatechnik auszustatten”, sagt Seckler-Fleischer. In Röntgenräumen müssen die Praxisbetreibenden auf den Strahlenschutz achten.

Bei mehr als zehn Mitarbeitenden ist ein Pausen- oder Büroraum vorzusehen. Platz brauchen zudem: eine Liege für Schwangere, Lagerräume, Umkleiden mit Sitzbänken und abschließbaren Schränken, in denen Fachkräfte Arbeits- und Privatkleidung separat aufbewahren können.

Die Anzahl der Toiletten richtet sich nach den Mitarbeitenden. Bei weniger als zehn Beschäftigten reicht eine mit Waschbecken aus. Bei mehr als neun müssen die sanitären Anlagen nach Geschlechtern getrennt sein. Für Patientinnen und Patienten ist ein barrierefreies WC ein Muss.

6. Fehler: Erweiterungen nicht geprüft

Bezüglich des Grundrisses gilt heute als guter Standard: Arbeitsökonomie, Sichtschutz beim Wechsel der Behandlungszimmer, Diskretion (Datenschutz) am Empfang, Blickachsen von der Anmeldung zum Wartebereich.

Wer über Erweiterungen nachdenkt, sollte prüfen, ob diese auf derselben Etage möglich sind. Flächen von 200 bis 400 Quadratmetern wären geschickt. Tragende Wände müssen bekannt und die Statik sollte geprüft sein, dann ist ein Durchbruch in die Nachbareinheit mach- und später unsichtbar.

Passt der Grundriss, rücken Böden und Ausstattung in den Fokus. Fußböden müssen eben, rutschhemmend und einfach zu desinfizieren sein. In Op-Räumen sind spezielle Bodenbeläge und Beleuchtung Pflicht.

Hierfür gibt es sogenannte Positivlisten für Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, die vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) geprüft wurden. Geht es an den Innenausbau, sollten die Oberflächen von Wänden und Möbeln möglichst glatt sein. Auch hier gilt: Leicht desinfizierbar und fugendicht ist Pflicht.

7. Fehler: Nicht an Infrastruktur und Atmosphäre gedacht

Zudem lohnt es sich, auf die Atmosphäre in den Praxisräumen zu achten. Ein Wohlfühlfaktor ist das Licht: “Ärztinnen und Ärzte sollten auf kaltweiße Röhren im Anmelde- und Wartebereich verzichten”, meint Ziegler. Auch das Interieur werte den Aufenthalt auf, dazu gehörten beruhigende Farben und Pflanzen sowie naturbelassene Holzmöbel.

Weiße und kalte Oberflächen aus Stahl erhöhten hingegen eher die Anspannung und sorgten für Unsicherheit. “Persönlichkeit der Ärztinnen und Ärzte sowie Raumatmosphäre sollten harmonisch zusammenwirken, wie ein Markenkern”, so Seckler-Fleischer.

Überhaupt ist, um die Patientenfrequenz hochzuhalten, eine erstklassige Infrastruktur rund um die Praxis klug. Sie zieht Kunden und Personal an. Gute Lagen sind belebte Ortsmitten, die leicht erreichbar sind.

Kostenlose Parkplätze und ÖPNV-Haltestellen in unmittelbarer Nähe sowie Cafés oder eine Bäckerei zahlen auf das Konto ebenso ein. Genauso wie eine Apotheke im Haus. Der Internet-Hausanschluss ist übrigens Vermietersache.

Fazit

  • Arztpraxen gelten als Gewerberäume. Bei der potenziellen (Um-) Nutzung einer Immobilie als Praxisräume sind daher der Blick ins Grundbuch sowie Kontakt zum Bauamt dringend zu empfehlen.
  • Vorgaben ergeben sich aus verschiedenen Verordnungen, vom Brandschutz bis zu Ruheräumen für Mitarbeitende. Hier kann es aufgrund der Fülle an Regeln helfen, sich beraten zu lassen.
  • Auch „weichere“ Aspekte wie Inneneinrichtung und Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sowie Erweiterungsmöglich- keiten sollten frühzeitig bedacht werden, auch wenn diese keine baurechtlichen Vorgaben darstellen.
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