Mangelnde SchutzausrüstungHausärzte-Chef kritisiert “Versagen” der Politik

Die Frühjahrstagung des Deutschen Hausärzteverbands muss in diesem Jahr ausfallen. Einen Bericht zur Lage gibt Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt trotzdem ab - mit deutlicher Kritik. Bis das Problem der mangelnden Schutzausrüstung nicht gelöst sei, müsse weiter eine Telefon-AU möglich sein.

Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands (Archiv): Die Frühjahrstagung des Verbands kann in diesem Jahr nicht stattfinden, einen Bericht zur Lage gibt der Hausärzte-Chef trotzdem ab.

Berlin. Deutliche Vorwürfe erhebt Ulrich Weigeldt wegen der mangelnden Schutzausrüstung in Praxen gegen die Politik. Hier liege ein „klares Versagen der Politik und des Staates“ vor, betont der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands in seinem am Freitag (24. April) veröffentlichten Bericht zur Lage (s. Kasten).

Frühzeitig vorliegende Warnzeichen seien ignoriert worden. „Auch wenn mit hausärztlichem Erfindungsreichtum viele Schutzmaßnahmen selbst erstellt wurden, wollen wir nicht vergessen, dass hier eine Pflicht des Bundesministeriums für Gesundheit besteht. Es kann nicht angehen, dass Millionen in die Errichtung von Intensivbetten in Krankenhäuser fließen, die notwendigen Schutzausrüstungen für die ambulante Versorgung aber nicht gestellt werden“, so Weigeldt.

Telefon-AU über 4. Mai hinaus gefordert

“Solange es nicht genug Schutzausrüstung für jede Hausarztpraxis gibt, können wir nicht zur normalen Regelung bei der Krankschreibung zurückkehren”, erklärte Weigeldt ergänzend gegenüber “Der Spiegel”. Zur Erinnerung: Zuletzt hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine zeitlich befristete Sonderregelung, nach der Ärzte Patienten mit leichten Atemwegsbeschwerden auch nach rein telefonischer Konsultation krankschreiben dürfen, nicht verlängern wollen – und den entsprechenden Beschluss nur nach massiven Protesten der Hausärzte spontan zurückgezogen.

“Die Möglichkeit, dass Ärzte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung telefonisch ausstellen können, muss auch nach dem 4. Mai weiter gegeben sein”, betont Weigeldt nun. In Supermärkten sollten Kunden zwei Meter Abstand halten, in kleinen Praxen wäre das aber nicht möglich.

Um diese Forderungen zu unterstützen und den Mangel an Schutzausrüstung zu verdeutlichen, haben sich Hausärzte bundesweit in ihren Praxen nackt fotografiert. Die Bilder sind auf www.blankebedenken.org zu sehen.

Die Frühjahrstagung des Deutschen Hausärzteverbands, auf der der Bundesvorsitzende seinen Bericht zur Lage traditionell vorstellt, musste – wie sämtliche Landeshausärztetage, der Deutsche Ärztetag sowie andere Veranstaltungen – aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr abgesagt werden. Seine aktuelle Positionierung hat Weigeldt stattdessen auf schriftlichem Weg geteilt. Man hoffe, den Hausärztetag im September nicht absagen zu müssen, werde aber alles versuchen, die Delegiertenversammlung stattfinden zu lassen, kündigte Weigeldt dabei an.

“Bei Gesetzgebung besonders wachsam sein”

Dies sei auch essenziell, um sich zu weiteren die Hausärzte betreffenden Themen auszutauschen. Denn: In der Corona-Pandemie sei das hausärztliche Engagement unverzichtbarer Baustein, um die Versorgung zu sichern. Gleichwohl dürften weitere Gesetzgebungsvorhaben wie das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) nicht aus dem Blick verloren werden, erinnert Weigeldt. „Die Auseinandersetzung um die schnelle Folge von Gesetzgebungsvorhaben aus dem Gesundheitsministerium ist in diesem Jahr von der Corona-Pandemie buchstäblich überrollt worden. Deswegen müssen wir bei diesen Vorhaben besonders wachsam sein.”

Deutliche Kritik in der aktuellen Corona-Pandemie erhebt der Hausärzte-Chef gegen die Politik, die es versäumt habe, Praxen mit ausreichend Schutzmaterial auszustatten. Frühzeitig vorliegende Warnzeichen sind seinen Ausführungen zufolge ignoriert oder zumindest falsch eingeschätzt worden: „Bereits bei simulierten Pandemie-Szenarien 2007 (LÜKEX = Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise) und 2013 (Diskussion im Deutschen Bundestag zur Simulation einer SARS-Corona-Pandemie in Europa und Deutschland) wurde ein Mangel an Schutzausrüstungen festgestellt, es ist aber nichts passiert! Die Warnungen waren da, auch vor dieser Pandemie, von der nur nicht klar war, wann sie auftreten würde, wurden aber nicht beachtet!“

Es sei bekannt gewesen, dass die Menge der vorhandenen Schutzausrüstungen nicht ausreichen würde, getan worden sei jedoch nichts. „Im Gegenteil, es soll Material wegen überschrittenem Ablaufdatum entsorgt worden sein, allerdings ohne Ersatz zu schaffen.“

Hausärzte: schnelle Reaktion, innovative Modelle

Auch aus dieser Not heraus haben Hausärztinnen und Hausärzte in den vergangenen Wochen wie berichtet kreative Lösungen entwickelt. „In allen Landesverbänden sind von uns innerhalb kürzester Zeit Modelle entwickelt und umgesetzt worden, wie infektiöse Patienten sowohl aus der Praxis ferngehalten und dennoch versorgt werden können, Fieberambulanzen, gemeinsame Infektionsuntersuchungsstellen etc. Dies zum Teil mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, aber auch häufig ohne diese.“

Darüber hinaus habe sich der Deutsche Hausärzteverband „massiv“ dafür eingesetzt, dass die telefonische Konsultation der Videosprechstunde gleichgesetzt wird sowie bei der Telefon-AU interveniert. Beide Male “mussten wir mit dem GKV-Spitzenverband, der Politik und auch der KBV intensiv ringen”.

Beim vom G-BA überraschend verkündeten und kurz darauf wieder zurückgezogenen Aus für die Telefon-AU sei der Protest “einhellig und schnell” gewesen. “Vor allem unser Verband, Land wie Bund, hat scharf reagiert”, erinnert Weigeldt lobend. “Am Montag des Inkrafttretens der unseligen Regelung war diese wieder vom Tisch. Gerade diese konzertierte gemeinsame Aktion war wichtig und entscheidend.”

Der “beste Schutzschirm” für die erforderliche Vergütung auch in Krisenzeiten, erklärt Weigeldt dabei, sei für Praxen weiterhin die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) mit ihren Vergütungsprinzipien. “Auch wenn es in der HZV nicht so umfangreicher Sonderregelungen bedarf wie im Kollektivvertragssystem, sind wir, vor allem die HÄVG-Crew, mit den Kassen im Gespräch, um mögliche Problemzonen zu bereinigen. Auf jeden Fall bleiben die Abschlagszahlungen, bemessen an der Anzahl der eingeschriebenen Patienten, unverändert und sichern damit die Grundliquidität der Praxis auch in diesen Zeiten.”

Patientendaten-Schutz-Gesetz bleibt auf der Agenda

Darüber hinaus wirft Weigeldt in seinem aktuellen Bericht auf die “Nicht-Corona-Gesetzgebung” mit noch offenen Vorhaben. Beim PDSG konnte im parlamentarischen Verfahren erreicht werden, “dass Ärztinnen und Ärzte datenschutzrechtlich nur für das verantwortlich sind, was sie selbst beeinflussen können; Dienste, Anwendungen, Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI), zu deren Nutzung Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, fallen zukünftig nicht mehr in deren (datenschutzrechtlichen) Verantwortungsbereich”. An anderen Stellen sieht Weigeldt noch Nachbesserungsbedarf: etwa an den Bestimmungen zur elektronischen Patientenakte (ePA), “die unsere Praxen zu IT-Servicestellen und Lesestuben machen”.

“So ist es nicht unsere Aufgabe, den Versicherten die Nutzung und Nutzungsmöglichkeiten ihrer ePA zu erklären, womöglich noch unterschiedliche Betriebssysteme wie iOS oder Android zu berücksichtigen”, macht Weigeldt klar. “Auch wenn das ein oder andere zusätzlich vergütet werden soll, müssen wir doch eines festhalten: die ePA ist ein Angebot der Krankenkassen; dann sollen sie sich auch darum kümmern!”

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