RehabilitationCorona fordert Reha gleich mehrfach

Jeder zehnte Covid-19-Patient hat langfristig mit Beeinträchtigungen zu rechnen, zeigen Studien. Die medizinische Rehabilitation stellt sich jetzt auf diese neue Herausforderung ein. An der Schnittstelle zwischen Versorgung und Reha spielen Hausärzte mitunter eine zentrale Rolle.

Nachdem die Rehabilitation in der Corona-Pandemie zwischenzeitlich stark zurückgegangen war, wurde der Betrieb mittlerweile vielerorts hochgefahren. Und neben den “klassischen” Rehabilitanden kommen nun auch jene mit einem völlig neuen Krankheitsbild: Insgesamt waren es vergangenes Jahr 1.350 Rehabilitationen im Zusammenhang mit einer Covid- Diagnose, zeigen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

“Wir gehen davon aus, dass sich die Inanspruchnahme 2021 deutlich erhöhen wird”, sagt Dr. Tanja Trefzer, Fachärztin für Anästhesiologie und Leiterin des Bereichs Grundsatz- und Systemfragen in der Sozialmedizin bei der DRV Bund. Diese appelliert aktuell an Ärztinnen und Ärzte, erwerbsfähige Patienten mit Post-Covid-Beschwerden zu motivieren, einen Reha-Antrag bei der Rentenversicherung zu stellen.

Wichtig in der Praxis: Indiziert ist eine Reha laut DRV bei Covid-19-bedingten Funktionseinschränkungen, “die sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken könnten, die sich trotz ambulanter Behandlung nicht weiter besserten und die nicht krankenhauspflichtig sind”.

Eine Voraussetzung für die Bewilligung ist eine positive Reha-Prognose – also, dass eine Besserung durch die Rehabilitation zu erwarten ist. Außerdem müssten Betroffene ausreichend belastbar sein, aktiv teilzunehmen, also etwa Körperpflege und Gruppentherapien zu bewältigen.

Hausärzte werten Beschwerdebild

Je nach Ausprägung der Erkrankung gibt es unterschiedliche Zugänge in die Rehabilitation: Schwer Betroffene mit neurologischen Symptomen können direkt aus der Akutklinik in eine neurologische Reha-Klinik aufgenommen werden, hospitalisierte Patienten mit weniger schweren Verläufen erhalten in der Regel eine Anschlussrehabilitation (AHB).

Dieser Anteil lag mit rund 600 bei knapp 45 Prozent. Die restlichen 55 Prozent der Aufnahmen erfolgten über das Antragsverfahren.

Die niedergelassenen Ärzte müssen dann klären, welches Symptom das zentrale ist. “Haus- und Fachärzte sind die Experten für ihre Patienten und können deren Beschwerdebild am besten einschätzen”, sagt Trefzer.

Bei knapp 400 Rehabilitanden des vorigen Jahres war Covid-19 die Hauptdiagnose. Die restlichen 950 hatten die Infektion als Nebendiagnose zu Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (340 Patienten), zu psychischen Störungen einschließlich der Suchterkrankungen (230 Patienten) sowie zu Krankheiten des Atmungssystems (170 Patienten).

Reha möglichst zeitnah einleiten

Eine Corona-Infektion und deren Behandlung bedeuten zuallererst Stress für Atmung und Lunge. Die Klinik Bad Reichenhall, eine pneumologische Rehaklinik der DRV Bayern Süd, hat seit Pandemie-Beginn bis Juni 2021 insgesamt rund 300 Covid-19-Rehabilitanden aufgenommen.

Die Daten der ersten 108 Patienten sind bereits ausgewertet: Demnach war für rund 50 Prozent der Befragten die Atemnot bei körperlicher Belastung das für sie wichtigste Symptom, für 16,7 Prozent Sorgen und Ängste und für 15,7 Prozent die Mattigkeit und Erschöpfung.

“Die Folgesymptome einer Corona-Erkrankung können sehr stark variieren”, sagt Markus Hayden, Psychologe und Bereichsleiter Beratung an der Klinik Bad Reichenhall. Selbst bei einem initial leichten Verlauf könnten später unspezifische Beschwerden, wie beispielsweise Mattigkeit, Erschöpfung oder Energielosigkeit auftreten.

Hayden empfiehlt, eine Reha möglichst zeitnah nach der Akutphase einzuleiten und neben somatischen Beschwerden auch eine Fatigue-Symptomatik sowie psychische Komorbiditäten wie Angst, Depression und posttraumatische Belastungsstörung sowie Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit wie Aufmerksamkeitsdefizite abzuklären und bei der Überweisung mit zu bedenken.

“Alle Beteiligten brauchen Geduld”

Wen es wie hart trifft, lässt sich bei einer Corona-Infektion bislang kaum voraussagen. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, so Trefzer, dass die Reha mit ihren interprofessionellen Teams und dem interdisziplinären Behandlungsansatz gut weiterhelfen kann.

Der Reha-Plan besteht aus einem Mix aus unterschiedlichen Modulen, zu denen Therapien aus der somatischen, der psychosomatischen oder psychotherapeutischen Medizin ebenso gehören wie Angebote aus Bewegungs- oder Atemtherapie.

Dr. Markus Borries, Chefarzt für Kardiologie und Psychokardiologie an der Dr. Becker Klinik Möhnesee, hat bislang nur einzelne Patienten mit der Diagnose Covid-19 behandelt. Aufgrund des meist diffusen Beschwerdebilds von Long Covid falle die sozialmedizinische Beurteilung über die künftige Leistungsfähigkeit der Patienten nach drei bis vier Wochen stationärem Aufenthalt oft schwer, beobachtet er.

“Corona fordert von allen Beteiligten viel Geduld”, sagt der Kardiologe. Der anhaltende chronische Stress, den die Patienten durch die Verunsicherung durch die belastende Symptomatik, aber auch durch die fehlende Akzeptanz der Umwelt mit Stigmatisierung erleben, so seine Prognose, könne gerade bei kardiologischen Patienten auf Dauer schädlich sein.

Auch Lockdown macht Reha nötig

Dass die gesundheitlichen Belastungen im ersten Pandemiejahr nicht allein durch das Coronavirus ausgelöst worden sind, weiß Prof. Volker Köllner, Chefarzt des Rehazentrums Seehof in Teltow nahe Berlin.

Er erlebt, dass es einen zusätzlichen Rehabedarf bei jenen Menschen gibt, die sich durch die Folgen des Lockdowns belastet fühlten: “Es gibt Hinterbliebene, die sich nicht von einem sterbenden Angehörigen verabschieden konnten und ihre Trauer nicht bewältigen können.

Da sind Menschen mit Depressionen, die aufgrund der fehlenden Kontakte noch tiefer in ihre Erkrankungen hineingeraten sind oder auch Menschen, die in dieser Zeit auch häusliche Gewalt erlebt haben”, sagt Köllner. Auch diese psychischen Auswirkungen werden die Rehabilitation wohl noch eine Weile beschäftigen.

Fazit

  • 2020 zählte die DRV 1.350 Rehabilitati- onen im Zusammenhang mit Covid-19; Tendenz steigend.
  • Hausärztinnen und Hausärzte können bei der Antragstellung unterstützen. Darüber hinaus müssen sie klären, welches Symptom das zentrale ist.
  • Bei Long Covid handelt es sich um ein äußerst diffuses Krankheitsbild. Erste Hinweise zeigen jedoch, dass eine Reha gut helfen kann.
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