Schmerzhafte GelenkeIst es Rheumatoide Arthritis?

Nur die rechtzeitige Behandlung, ggf. mit DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs), kann die Gelenkzerstörung bei Rheumatoider Arthritis (RA) aufhalten. Dieser zweiteilige Beitrag gibt einen Leitfaden zur Abklärung schmerzhafter Gelenke an die Hand. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Früherkennung der RA.

Frage 1: Geht der Schmerz vom Gelenk aus?

Da Schmerzen im Bereich eines Gelenks ein unspezifisches Symptom sind, muss zuerst geklärt werden, ob die Beschwerden

überhaupt von dem Gelenk ausgehen. Als mögliche extraartikuläre Schmerzauslöser sind u. a. auszuschließen:

  • Myalgie. Beispiele: Polymyositis/Dermatomyositis und Polymyalgia rheumatica.
  • Schmerzhafte Entzündung von Sehnenansätzen. Beispiel: Spondyloarthropathie.
  • Sehnenscheidenentzündung: Schwellung, Schmerz, evtl. Krepitation entlang einer Sehnenscheide.
  • Neuralgischer Schmerz: brennender oberflächlicher Schmerz im Gebiet eines Dermatoms, eventuell zusammen mit Parästhesien. Beispiele: Karpaltunnelsyndrom, Radikulärsyndrom oder Neuritis.
  • Ischämieschmerz: dumpfer, belastungs- und lageabhängiger Schmerz. Beispiele: periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) oder Vaskulitis.
  • Fibromyalgiesyndrom (FMS).

Finden sich anamnestisch und bei der klinischen Untersuchung keine Hinweise auf eine extraartikuläre Schmerzursache, handelt es sich tatsächlich um eine Arthralgie. In diesen Fällen besteht der nächste Schritt darin, eine entzündliche von einer nichtentzündlichen Gelenkerkrankung zu unterscheiden.

Frage 2: Entzündlich oder nichtentzündlich?

Anamnese, körperliche Untersuchung (Gelenkstatus sowie allgemein) und Basislabor liefern zahlreiche Einzelbefunde. Dieses Mosaik wird anschließend mit typischen Befundbildern von Gelenkerkrankungen verglichen. Dadurch lässt sich in den meisten Fällen ohne weitere Tests die korrekte Diagnose stellen.

Anamnese

  • Besteht morgendliche Steifigkeit? Wie lange hält diese an?
  • Tritt der Schmerz vor allem in Ruhe bzw. nachts auf oder bei Bewegungsbeginn und nach längerer Aktivität?
  • Wie reagiert der Schmerz auf Wärme- oder Kälteanwendung?
  • Wann und wie hat der Schmerz begonnen? Hat die Erkrankung mit Fieber angefangen?
  • Ist ein Gelenktrauma vorausgegangen?
  • Bestand vor Auftreten der Gelenkbeschwerden eine Halsentzündung/Angina?
  • Wird oder wurde ein Magen-Darm-Infekt mit Durchfällen oder Bauchschmerzen durchgemacht?
  • Bestehen chronische Diarrhö, Augenentzündung oder Symptome einer Harnröhrenentzündung?
  • Sind die Gelenkbeschwerden akut nach reichlichem Alkoholgenuss oder einer opulenten Mahlzeit aufgetreten?
  • Klagt der Patient über Missempfindungen in den Fingern, vor allem nachts?
  • Sind die Gelenkbeschwerden schon einmal aufgetreten? Wie lange haben sie angehalten?
  • Gibt es Hinweise auf Psoriasis, Erythema nodosum oder Erythema migrans?
  • Werden die schmerzhaften Gelenke durch Beruf oder Sport stark belastet?
  • Bestehen Allgemeinbeschwerden wie Fieber und Gewichtsverlust?

Körperliche Untersuchung

Gelenkstatus: Hierzu gehören Inspektion, Palpation und Beweglichkeitsprüfung. Nicht nur die schmerzhaften, sondern auch die nicht betroffenen Gelenke sowie die Wirbelsäule sind zu beurteilen. Im Einzelnen ist zu klären:

    • Wo genau wird der Schmerz empfunden?
    • Besteht Druckschmerz?
    • Welche bzw. wie viele Gelenke sind betroffen?
    • Ist das betroffene Gelenk geschwollen oder gerötet? Ist die Schwellung prall-elastisch oder knöchern-hart?
    • Liegt eine Schwellung des umgebenden Weichteilgewebes vor?
    • Besteht ein Gelenkerguss (z. B. am Knie als tanzende Patella, Abb. 1)?
    • Ist die zum Gelenk gehörende Muskulatur atrophiert?
    • Verteilungsmuster: große oder kleine Gelenke, symmetrisch oder asymmetrisch? Sind an den Händen die Grund-, Mittel- oder Endgelenke der Finger schmerzhaft oder ist nur ein ganzer Strahl betroffen?
    • Bestehen Knochendeformitäten, Subluxationen und Deviationen?
  • Treten beim Bewegen des Gelenks Reibegeräusche auf?

Allgemeine körperliche Untersuchung: Zu achten ist insbesondere auf die Haut und die Schleimhäute sowie die Augen (Abb. 2). Auch eine orientierende neurologische Untersuchung ist obligat.

  • Haut und Nägel: Psoriasis, Zeichen für Kollagenosen (z. B. Schmetterlingserythem im Gesicht), Rheumaknoten, Gichtknoten, Heberden- oder Bouchard-Knoten, Ray-naud-Syndrom (Rattenbissnekrosen an den Fingerkuppen), Schleimhautulzerationen, trockene Schleimhäute, Tüpfel- oder Ölfleckennägel.
  • Augenveränderungen: Entzündungen im Sinne einer Konjunktivitis, Skleritis, Episkleritis, Iritis oder Iridoskleritis.
  • Herz: Auskultation (auf Klappengeräusche als Zeichen einer Endokarditis achten).
  • Gefäßstatus: Bestehen Zeichen einer Vaskulitis oder einer PAVK?

Basislabor

Obligat ist bei Gelenkbeschwerden ein komplettes Blutbild. Zu achten ist auf:

  • Anämie als Ausdruck einer chronisch-entzündlichen Erkrankung.
  • Leukopenie, z. B. bei systemischem Lupus erythematodes oder als Medikamentennebenwirkung.
  • Thrombozytopenie, z. B. als Medikamentennebenwirkung.
  • Leukozytose, in hochaktiven Phasen entzündlicher rheumatischer Erkrankungen.
  • Weitere unspezifische Entzündungsmarker wie Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), C-reaktives Protein (CRP), Alpha-1-Globuline, Alpha-2-Globuline, Gamma-Globuline, Kupfer/Eisen-Quotient und Ferritin.
  • Bei Verdacht auf Gicht: Harnsäure.

Typische Befundbilder

Nach Anamnese, körperlicher Untersuchung und Basislabor folgt der Abgleich dieser Befunde mit den nachfolgend beschriebenen Befundkonstellationen. Die Aufstellung berücksichtigt die häufigsten Befundbilder mit den wichtigsten Einzelbefunden.

Arthrose (degenerative Gelenkerkrankung)

  • Schmerz bei Bewegungsbeginn sowie nach längerer Belastung.
  • Gelenke durch Osteophyten knöchern-hart aufgetrieben.
  • Starke Belastung durch Beruf oder Sport.
  • Befallsmuster (Hände): Heberden-Arthrose: vorwiegend Fingerendgelenke (2 in Abb. 2 und 4 in Abb. 3), Bouchard-Arthrose: vorwiegend Fingermittelgelenke (5 in Abb. 3) (Überlagerungen kommen vor).
  • Labor: keine nicht anderweitig erklärbaren Entzündungszeichen.

Gicht

  • Beschwerden erstmals akut nach reichlichem Alkoholgenuss oder opulenter Mahlzeit aufgetreten.
  • Zeitlicher Zusammenhang mit dem Beginn einer Diuretikatherapie.
  • Befallsmuster: Großzehen- oder Daumengrundgelenk.
  • Labor: u. a. hohe Harnsäurewerte.

Karpaltunnelsyndrom

  • Missempfindungen, Sensibilitätsstörungen in den Fingern, vor allem nachts.

Arthritiden

Die geschwollenen Gelenke fühlen sich hier prallelastisch an (Erguss und/oder entzündliche Verdickung der Synovia).

Rheumatoide Arthritis (RA)

  • Morgensteifigkeit (länger als eine Stunde).
  • Schmerzen vor allem in Ruhe und nachts.
  • Befall der kleinen Gelenke (Handgelenke sowie Grund- und Mittelgelenke der Finger, meistens symmetrisch, 1 in Abb. 3)
  • Bei fortgeschrittener RA: knöcherne Verwachsungen, die zu einer relativ schmerzarmen Bewegungseinschränkung führen.

 

Gelenkbeteiligung bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

  • Symptome/Befunde der Grunderkrankung, u. a. chronische Diarrhö.

 

Psoriasis-Arthritis

  • Asymmetrische Oligoarthritis (Befall eines oder mehrerer Gelenke eines Fingerstrahls; sind alle Gelenke eines Fingers betroffen, besteht eine durchgehende Schwellung [“Wurstfinger”]).
  • Symmetrische Polyarthritis (ähnlich RA).
  • Spondyloarthritis mit Sakroiliitis (ähnlich Morbus Bechterew).
  • Befall der proximalen und distalen Interphalangealgelenke (ähnlich Bouchard- bzw. Heberden-Arthrose).

 

Reaktive Arthritiden

  • Meist wenige Gelenke betroffen (vorwiegend Beine), asymmetrischer Befall.
  • Auftreten der Gelenkschmerzen (manchmal auch mit Sehnenansatzentzündung) Tage bis Wochen nach bestimmten Magen-Darm-Infektionen (z. B. Salmonellen) oder urogenitalen Infektionen (z. B. bei Gonorrhö und nichtgonorrhoischen Urethritiden, u. a. durch Chlamydien).
  • Wenn zusätzlich Entzündungen an den Schleimhäuten der Harnwege, der Augen) und/oder des Munds auftreten, besteht ein urethro-konjunktivales-synoviales Syndrom (früher als Morbus Reiter bezeichnet).

 

Lyme-Arthritis (durch Borrelien)

  • Vorausgegangenes (aber nicht selten unbemerktes) Erythema chronicum migrans.
  • Intermittierende oder chronische Entzündung eines oder weniger großer Gelenke (bevorzugt Knie), die nur selten mit Knochen- oder Knorpelerosionen einhergeht.

 

Kollagenosen (u. a.)

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Schmetterlingserythem im Gesicht (1 in Abb. 1); Gelenkschmerzen, oft zusammen mit weiteren systemischen Manifestationen.
  • Sjögren-Syndrom: Rheumatische Gelenk- (und Muskel-)schmerzen; Befall von Tränen- und Speicheldrüsen (trockene Schleimhäute, besonders an den Augen).

 

Paraneoplastisches Syndrom

  • Gelenkschmerzen bei maligner Grunderkrankung (mit Allgemeinbeschwerden wie Fieber, Gewichtsverlust, Lymphknotenschwellung).

 

Rheumatisches Fieber

  • Beginn der Gelenkschmerzen ein bis drei Wochen nach Durchmachen eines Streptokokkeninfekts; hohes Fieber, wechselnder Gelenkbefall.

 

Bakterielle Endokarditis

  • Beginn akut (Fieber, Schüttelfrost) oder verzögert (leichtes Fieber, unspezifische Symptome), u. a. Muskel- und Gelenkschmerzen. Klappengeräusche.
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