Schlaganfall – kleine Veränderungen optimieren die Abläufe

Welches Zuweisungskonzept bewährt sich und wie lassen sich die Abläufe beschleunigen? Wie gelingt die medikamentöse Schlaganfallprophylaxe und was ist bei kindlichen Schlaganfällen zu beachten? Experten geben Antworten.

Schlaganfälle im Kindesalter nehmen weltweit zu.

Mothership oder Drip & Ship?

Was ist besser, der direkte Transport in ein (weiter entferntes) Thrombektomiezentrum (Mothership) oder die primäre Fahrt in eine (nähere) Nicht-Thrombektomie-fähige Klinik und anschließende Verlegung (Drip & Ship)?

Diese Frage schien vielen Kollegen mit der katalanischen RACECAT-Studie bereits gelöst: Hier fand sich hinsichtlich der neurologischen Endpunkte kein Unterschied zwischen den beiden Zuweisungskonzepten [1].

Laut Prof. Christoph Gumbinger vom Universitätsklinikum Heidelberg lassen sich die Studienergebnisse jedoch nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen. “So ist dort etwa der Rettungsdienst hervorragend optimiert. Patienten, die eine Thrombektomie erhielten, wurden nur 56 Minuten später behandelt, selbst wenn die Erstversorgung in einer anderen Klinik stattfand”, berichtet der Neurologe. Dagegen vergehen in Deutschland über drei Stunden bis die Behandlung nach Drip & Ship erfolgt [2].

Optimierung der Abläufe

Mit einer einfachen Intervention gelang es in Irland, die Zeit in der erstversorgenden Klinik zu reduzieren: Allein die Tatsache, dass der Rettungsdienst auf die Patienten wartete, verkürzte die Verweilzeit in der Primärklinik um 51 Minuten [3].

Als spektakulär bezeichnet Gumbinger die Studie eines telemedizinischen Netzwerks in Bayern. Hier wurde nicht der Patient in ein Zentrum verlegt, sondern das Interventionsteam per Hubschrauber (Flying Intervention Team, FIT) zur Klinik gebracht [4].

Im Vergleich zum klassischen Drip & Ship-Zuweisungskonzept verringerte sich die Zeit von der Entscheidung für eine endovaskuläre Therapie (EVT) bis zum Beginn des Eingriffs von rund 2,5 Stunden auf median 58 Minuten.

Dieses Konzept verfehlte nur knapp die Signifikanz für eine Überlegenheit hinsichtlich des klinischen Outcomes. Als deutlich weniger aufwändig, aber nicht viel schlechter, erwies sich die “Drive-the-doc-Variante [5]. Die Zeitspanne von der Bildgebung bis zur Leistenpunktion verlängerte sich gegenüber FIT nur um rund 20 Minuten. Gumbinger zufolge könnte dies ein zukunftsweisendes Konzept sein.

Medikamentöse Prophylaxe des Schlaganfalls

“Unstrittig ist, dass Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischen ischämischen Attacken eine Sekundärprävention mit ASS erhalten sollten”, erklärt Dr. Marlena Schnieder, Universitätsmedizin Göttingen. Dies gilt gemäß der aktuellen S2k-Leitlinie, sofern keine Indikation für einen anderen Thrombozytenaggregationshemmer oder für eine Antikoagulation besteht [6].

Wie sieht es aktuell mit einer dualen Thrombozytenfunktionshemmung (TFH) bei Patienten mit Minor Stroke (National Institutes of Health Stroke Scale ≤3) oder Hochrisiko-TIA mit hohem Rezidivrisiko aus?

Hier zeigen Studien, dass ausgewählte Patienten von einer dualen Behandlung profitieren, wenn sie innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung – ASS und Clopidogrel oder ASS und Ticagrelor – behandelt werden.

Die Leitlinie empfiehlt, die Kombination von ASS und Ticagrelor für 30 Tage und die von ASS und Clopidogrel für etwa 21 Tage fortzusetzen. Von einer dreifachen TFH als Kombinationstherapie wird aufgrund der hohen Blutungsgefahr abgeraten [6].

Für Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA mit permanentem, persistierendem oder paroxysmalem nicht valvulärem Vorhofflimmern wird eine orale Antikoagulation empfohlen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen.

Die Frage, ob diese Patienten mit einem NOAK oder einem Vitamin-K-Antagonisten behandelt werden sollten, untersuchte eine Metaanalyse [7]. “Der Benefit hinsichtlich der Schlaganfallprophylaxe unterschied sich nicht wesentlich, allerdings zeigte sich unter den Vitamin-K-Antagonisten eine höhere Blutungsrate”, berichtet Schnieder. Laut Leitlinie sollte man die Behandlung daher mit einem NOAK starten.

Kindliche Schlaganfälle nehmen zu

Schlaganfälle im Kindesalter nehmen weltweit zu und kommen etwas häufiger vor als der kindliche Hirntumor. Die Mortalität der ischämischen Schlaganfälle liegt bei 5-10 Prozent, die Morbidität bei 60-70 Prozent. “Die Kinder leiden den Rest ihres Lebens unter den Folgen des Schlaganfalls”, erklärt Prof. em. Maja Steinlin, Bern.

Schlaganfälle können in allen pädiatrischen Altersgruppen auftreten, Jungs sind etwas häufiger betroffen als Mädchen.

Im Gegensatz zu Erwachsenen zeigen Kinder häufiger Sprachprobleme und epileptische Anfälle bereits in der Akutphase. “Jedes Kind mit Verdacht auf Schlaganfall sollte innerhalb einer Stunde eine Notfallbildgebung erhalten, wobei MRT aussagekräftiger und weniger belastend ist als CT”, betont Steinlin.

Den meisten kindlichen Schlaganfällen liegen kardioembolische oder arteriopathische Ursachen zugrunde. Etwa ein Drittel der Betroffenen hat eine kardiale Grunderkrankungen, zum Beispiel zyanotische und azyanotische Herzvitien.

Auch erworbene Erkrankungen wie Kardiomyopathien spielen eine Rolle. Als wichtige Triggerfaktoren gelten Infektionen, vor allem mit Herpes-simplex-Virus aber auch mit Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, oder Varicella-zoster-Virus. So verdoppelt sich bei einer akuten Herpesvirusinfektion die Wahrscheinlichkeit für einen ischämischen Schlaganfall im Kindesalter [8].

“Interessant ist, dass Kinder ohne gute Grundimmunisierungen ein deutlich erhöhtes Schlaganfallrisiko haben – was darauf hinweist, dass ein gut stimuliertes Immunsystem Schlaganfälle vermindern oder verhüten kann”, erklärt Steinlin. COVID-19 scheint Schlaganfälle ebenfalls zu begünstigen, allerdings weisen die meisten betroffenen Kinder zusätzliche Risikofaktoren auf.

“Eine Thrombektomie ist auch bei Kindern durchführbar. Da jedoch häufig inflammatorische Veränderungen der Gefäßwände zugrunde liegen, ist die Thrombektomie mit einem höheren Risiko verbunden als bei Erwachsenen”, erklärt Steinlin.

Literatur

  1. Pérez de la Ossa N et al. JAMA 2022; 327(18):1782-1794; doi: 10.1001/jama.2022.4404
  2. Behnke S et al. Neurol Res Pract 2021; 3,31; doi: 10.1186/s42466-021-00128-x
  3. Gaynor E et al. J Neurointerventional Surg 2022; 14:573-576; doi: 10.5797/jnet.oa.2022-0047
  4. Hubert GJ et al. JAMA 2022; 327(18):1795-1805; doi: 10.1001/jama.2022.5948
  5. Seker F et al. Stroke 2020; 51(1):335-337; doi: 10.1161/STROKEAHA.119.027050
  6. Hamann GF et al. S2k-Leitlinie 2022 in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie
  7. Li W et al. Int J Stroke 2022; 17474930221109149. doi: 10.1177/17474930221109149. Online ahead of print.
  8. Elkind MSV et al. Circulation 2016; 133(8):732-741: doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.115.018595
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