Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Schwindel und Angina pectoris

Eine ältere Patientin klagt über progredienten Schwindel, Angina pectoris und Belastungsdyspnoe. Was zeigt das EKG?

Der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose wird üblicherweise zunächst durch die Auskultation gestellt (Symbolbild).

Eine 64-jährige Patientin* stellt sich mit seit einigen Wochen zunehmender Belastungsdyspnoe und rezidivierender Angina pectoris sowie Schwindel beim Treppensteigen in Ihrer Hausarztpraxis vor. Einmal sei ihr komplett schwarz vor Augen gewesen, was fast zu einem Sturz geführt habe.

Akute Beschwerden zum Zeitpunkt des Praxisbesuchs sowie Beschwerden in Ruhe verneint sie. An Vorerkrankungen sind eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas und grenzwertige Blutzuckerwerte bekannt. In der Familie habe es Herzkrankheiten gegeben; ein Onkel, zu dem sie nicht viel Kontakt habe, sei im Alter von etwa 50 Jahren am Herzen operiert worden.

Die körperliche Untersuchung ergibt einen unauffälligen neurologischen Befund. Die Lunge ist frei und das Abdomen weich. Bei der Auskultation fällt ein lautes spindelförmiges 4/6-Systolikum auf, welches im Prinzip über dem ganzen Thorax und abgeschwächt auch über beiden Karotiden zu hören ist.

EKG-Befund

Im EKG (siehe Abbildung unten) sehen wir einen normofrequenten Rhythmus mit unregelmäßigen QRS-Komplexen.

Die isoelektrische Linie ist aufgrund von Artefakten nur eingeschränkt beurteilbar. P-Wellen sind jedoch nicht klar erkennbar, sodass wir am ehesten von einem Vorhofflimmern mit normofrequenter Überleitung ausgehen können. Es handelt sich um einen Linkslagetyp.

QRS-Dauer und QTc-Zeit sind normal. Nicht zu übersehen sind die ausgeprägten ST-Senkungen und T-Negativierungen in den Ableitungen II, III, aVF und V3 bis V6, was auf eine endokardiale Ischämie hinweist.

Differenzialdiagnosen

Pathophysiologische Grundlage für die ausgeprägten Repolarisationsstörungen ist eine Innenschicht-Ischämie des Myokards. Diese tritt entweder bei hochgradigen, jedoch inkompletten Koronarstenosen oder bei relativer Ischämie auf, oft auf Basis einer Hypertrophie.

Die hier dargestellten EKG-Veränderungen sind zwar typisch für eine ausgeprägte Hypertrophie, aber nicht pathognomonisch. Im Rahmen von akuten Triggern wie Tachykardien oder anderen Formen der Linksherzbelastung kommt es zur typischen Symptomatik wie Angina pectoris und Dyspnoe.

Das Troponin als sensitiver Marker für einen myokardialen Schaden kann auch bei relativer Ischämie ohne flussrelevante Koronarstenosen positiv sein.

Akute Beschwerden bestehen keine, Sie weisen die Patientin aufgrund von Anamnese und EKG-Befund jedoch zur raschen weiteren Abklärung ins nächste Krankenhaus ein. Das dort gemessene Troponin ist normwertig. Die Patientin erhält noch in der Notaufnahme eine erste Echokardiografie.

Hier fällt ein deutlich hypertrophierter linker Ventrikel mit maximalen Wandstärken von 15 Millimetern auf. Zudem zeigt sich eine stark verkalkte bikuspide Aortenklappe mit einer hochgradigen Stenose (siehe Abbildung unten).

Mittels Herzkatheteruntersuchung wird eine koronare Herzerkrankung ausgeschlossen. In diesem Fall entstanden die EKG-Veränderungen durch die Hypertrophie auf Basis einer hochgradigen Aortenklappenstenose.

Die Aortenklappenstenose

Die zwei häufigsten Ursachen für eine Aortenklappenstenose sind in der westlichen Welt:

  1. eine degenerative Kalzifizierung auf dem Boden der üblichen kardiovaskulären Risikofaktoren;
  2. eine kongenital veränderte Aortenklappe, insbesondere die bikuspide Aortenklappe (siehe Abbildung unten) mit beschleunigter Degeneration und ein bis zwei Dekaden früherer klinischer Manifestation.

Die bikuspide Aortenklappe ist mit 1 bis 2 Prozent Inzidenz in der Gesamtbevölkerung der häufigste angeborene Herzfehler – sie kommt damit öfter vor als alle anderen kongenitalen kardiovaskulären Fehlbildungen zusammen.

Eine familiäre Häufung wird beobachtet. Etwa 60 Prozent der Patienten mit bikuspider Aortenklappe entwickeln im Laufe ihres Lebens ein bedeutsames Vitium und circa 30 bis 50 Prozent eine relevante Dilatation der Aorta ascendens.

Eine Aortendissektion ist insgesamt selten (3 Prozent pro 10.000 Patientenjahre), jedoch achtmal häufiger als in der Normalbevölkerung. Die bikuspide Aortenklappe ist außerdem assoziiert mit der Aortenisthmusstenose und einem persistierenden Ductus arteriosus Botalli.

Der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose wird üblicherweise zunächst durch die Auskultation gestellt. Typisches Herzgeräusch ist das spindelförmige Systolikum über dem Aortenklappenareal (zweiter Interkostalraum rechts sowie über Erb, jeweils mit Fortleitung in die Karotiden).

Die weitere Evaluation bei Verdacht auf Aortenklappenstenose erfolgt wie in diesem Fall per Echokardiografie. Wichtig ist ein holistischer Blick sowohl auf die Morphologie als auch auf die Funktion der Klappe.

Der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose besteht direkt nach Beginn der Untersuchung, wenn sich die Klappe verkalkt und schlecht öffnend darstellt.

Nun muss mit verschiedenen Messwerten überprüft werden, ob es sich um eine leicht-, mittel- oder hochgradige Stenose handelt. Zunächst erfolgt die Messung der maximalen Geschwindigkeit sowie des mittleren Druckgradienten über der Aortenklappe.

Bei eingeschränkten Schallbedingungen oder ungeübten Untersuchern kann es hier zu einer deutlichen Unterschätzung des Schweregrads kommen. Zusätzlich wird per Kontinuitätsgleichung die Klappenöffnungsfläche berechnet.

Auch hier sind anlotungs-/schall- sowie messbedingt ausgeprägte Unter- und Überschätzungen des Vitiums möglich. Die gemeinsame Betrachtung der Morphologie sowie der Messwerte ist essenziell.

Eine hochgradige Aortenklappenstenose liegt vor bei:

  • einer eingeschränkt öffnenden Aortenklappe,
  • einem mittleren Druckgradienten über 40 mmHg,
  • einer Flussbeschleunigung über 4 Meter pro Sekunde
  • und einer Öffnungsfläche unter 1,0 Quadratzentimeter.

Wie behandeln?

Beim therapeutischen Vorgehen wird zwischen einer symptomatischen und einer asymptomatischen Aortenklappenstenose unterschieden. Eine symptomatische hochgradige Aortenklappenstenose hat eine 3-Jahres-Mortalität von 50 Prozent.

Vor allem eine neu aufgetretene Herzinsuffizienz, Synkopen und Angina pectoris sind mit einer schlechten Prognose assoziiert. Prinzipiell ist eine Aortenklappenstenose nicht mit Medikamenten therapierbar. Sie kann auch nicht repariert, sondern muss mit einer Prothese ersetzt werden.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Arten von Klappen-Prothesen:

  1. Die biologische Aortenklappenprothese, bestehend aus Schweine- oder Rinderperikard, wird auf einem Stützgerüst, das heißt einem Stent, befestigt. Biologische Klappen werden bevorzugt bei älteren Patienten eingesetzt, da die Haltbarkeit auf etwa 8 bis 15 Jahre begrenzt ist. Ein großer Vorteil ist, dass keine orale Antikoagulation eingenommen werden muss. Die Implantation kann offen-chirurgisch oder transarteriell (TAVI) erfolgen.
  2. Die mechanische Klappe, die im Inneren der zwei Flügel aus Kohlenstoffverbindungen (das heißt quasi aus bleistiftminen-artigem Material) besteht, kann für immer halten und degeneriert nicht. Der im Alltag einschränkende Nachteil ist jedoch die konsequente Einnahme einer oralen Antikoagulation, da sonst die Thrombosierung der Klappe und Embolisierung in alle arteriellen Stromgebiete drohen.

Unsere Patientin wird aufgrund ihres noch jungen Alters und der erwähnten möglichen Assoziationen anderer angeborener Herzfehler zur Vorbereitung auf eine Operation in ein Herzzentrum überwiesen.

Mittels CT wird festgestellt, dass die Aorta ascendens nicht erweitert ist. Sie erhält eine mechanische Prothese und wird mit Phenprocoumon antikoaguliert. Direkte orale Antikoagulanzien sind für mechanische Aortenklappen nicht zugelassen, in einer Studie mit Dabigatran war es vermehrt zur Thrombenbildung gekommen.

Die Patientin möchte sich zunächst in der Hausarztpraxis regelmäßig den INR-Wert messen lassen. Nach einigen Wochen beginnt sie nach entsprechender Einweisung mit der Selbstmessung zu Hause.

*Die Fälle der Serie werden teilweise aus akademischen Gründen etwas abgewandelt.

Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

Literatur beim Verfasser.

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