CME-FortbildungNeuroleptika bei Demenz

„Psychische und Verhaltenssymptome bei Demenz“ werden zu Recht auch als „herausforderndes Verhalten“ bezeichnet. So wünschenswert es ist, diesen Herausforderungen mit rein pflegerischen Mitteln zu begegnen, so schwer kann es sein, diese Konzepte in der Familie oder in einer Einrichtung umzusetzen, wenn pflegende Angehörige die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht haben oder in Heimen ein hoher Anteil besonders schwer an Demenz Erkrankter zu versorgen ist. Kaum noch Alternativen zum Einsatz von Antipsychotika gibt es, wenn Patienten durch aggressives Verhalten sich und/oder ihr Umfeld gefährden.

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AUTOR:
Dr. med. Ulrich Scharmer

VNR: 2760909012693770012

Gültig bis 8. Mai 2024

Die Bayerische Landesärztekammer hat diesen Beitrag in der Kategorie D zur zertifizierten Fortbildung freigegeben.

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Zusammenfassung

Bei fast allen Patienten mit Demenz entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung auch Symptome, die nicht in den Bereich der kognitiven Störungen fallen. Einige dieser „psychischen und Verhaltenssymptome“ (Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia, BPSD) belasten das pflegende Umfeld oft stärker als die Patienten selbst. BPSD haben Ähnlichkeiten mit einzelnen Plus- oder Minussymptomen bei Schizophrenie und sprechen teilweise auf Neuroleptika und andere psychotrope Wirkstoffe an.

Bei BPSD wird empfohlen, zuerst nach potenziellen Auslösern zu suchen und diese – wenn möglich – auszuschalten oder zu modifizieren. Dazu gehören ungenügend behandelte Schmerzzustände ebenso wie Infekte, Dehydratation/ Mangelernährung, Hör-und Sehprobleme oder auch konfliktträchtige Wechselwirkungen mit betreuenden Personen.

Allgemeiner Konsens in Leitlinien ist, dass bei Fortbestehen von BPSD zuerst alle pflegerischen Ansätze ausgeschöpft werden sollen, bevor man die Verordnung von psychotropen Wirkstoffen in Erwägung zieht. Zwischen der Theorie dieser Leitlinienempfehlungen und der realen Pflegesituation klaffen bisweilen unüberbrückbare Lücken – im häuslichen Umfeld ebenso wie in Heimen. Wenn pflegende Angehörige die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht oder schon überschritten haben oder eine Intensivierung pflegerischer Maßnahmen am Personalschlüssel einer Einrichtung scheitert bzw. ein hoher Anteil besonders schwer an Demenz Erkrankter zu versorgen ist, führt am Einsatz von Medikamenten kaum noch ein Weg vorbei. Allerdings können Neuroleptika die Mortalität Demenzkranker deutlich erhöhen. Ihre Anwendung bei diesen Patienten ist daher nicht unumstritten.

Hausärztinnen und Hausärzte, die Demenzpatienten in häuslicher oder institutioneller Pflege betreuen, geraten oft in Konflikte, wenn der Wunsch nach Verordnung von Psychopharmaka für die Kranken an sie herangetragen wird: Wann ist es ethisch vertretbar, Psychopharmaka im Interesse Dritter zu verschreiben? Überwiegen die möglichen Risiken den Nutzen? Konsens besteht zumindest darin, dass bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung die sofortige Verordnung geeigneter Antipsychotika indiziert ist.

Die Zahl der psychotropen Wirkstoffe, die zur Behandlung bei BPSD in Leitlinien empfohlen werden, ist überschaubar. Für einige Neuroleptika gibt es keine belastbaren Studien über den Einsatz bei älteren Patienten mit Demenz. Die Anwendung in der Indikation BPSD erfolgt mit Ausnahme von Risperidon und Haloperidol off label.

Zu den wichtigsten Grundsätzen der Verordnung von Psychopharmaka bei BPSD zählen: Meiden von anticholinergen Arzneimitteln, möglichst keine sedierenden Substanzen geben, mit der niedrigsten möglichen Dosis beginnen, die Wirksamkeit überwachen und die weitere Dosis daran orientieren. Nach Eintreten einer Besserung ist zu prüfen, ob die Indikation weiter besteht. Idealerweise wird die Anwendung auf wenige Wochen beschränkt. Zeigt eine ausreichend dosierte Medikation keine Wirkung, gibt es keinen Grund, sie beizubehalten. Erwogen werden kann dann der Wechsel auf einen anderen Wirkstoff.

Je nachdem, ob auch leichtere Formen erfasst werden, schätzt man die Zahl der Menschen mit Demenz in Deutschland auf 1,2 Millionen [1] bis 1,6 Millionen [2].

Etwa 50–70 % der Fälle von Demenz sind der Alzheimer-Demenz, ca. 15–25 % der vaskulären Demenz und etwa 5 % [3] der Lewy- Körperchen-Demenz (LKD) zuzuordnen.

Rund 20 % der vor dem 65. Lebensjahr an Demenz erkrankten Menschen haben vermutlich eine frontotemporale Demenz (FTD, siehe Kasten).

Von den rund 100.000 Parkinson-Patienten in Deutschland leiden 20-40 % an einer mit der Grunderkrankung assoziierten Demenz. Nach einem Krankheitsverlauf von 20 Jahren sind bis zu 80 % der Parkinson-Patienten davon betroffen. [1]

Es gibt auch Überschneidungen zwischen einzelnen Demenzformen. Meistens handelt es sich um Mischformen aus Alzheimer- Krankheit und vaskulärer Demenz, seltener aus Alzheimer-Krankheit und Lewy-Körperchen-Demenz.

Im Jahr 2019 erhielten 34,4 % der Versicherten der Handelskrankenkasse (hkk) mit Demenz ein Neuroleptikum, 10,6 % ein Benzodiazepin (mit großem Abstand am häufigsten Lorazepam), 3,8 % eine Z-Substanz und 22,3 % ein Antidementivum. Rund 70 % der Neuroleptika, 70–75 % der Benzodiazepine, 60–67 % der Z-Substanzen und 40–50 % der Antidementiva wurden von Hausärztinnen und Hausärzten verordnet. Von Patienten in ambulanter Pflege erhielten etwa 30 % ein Neuroleptikum, in stationärer knapp 55 %; bei Patienten, die keine Pflegeleistungen bezogen, betrug der Anteil nur 7,5 %. [4]

Eine andere Erhebung zeigte, dass etwa jeder zweite Patient in einem Pflegeheim Psychopharmaka erhält, vor allem niedrigpotente Neuroleptika. [5]

Psychische und Verhaltenssymptome bei Demenz (BPSD)

Bei Menschen mit Demenz entwickeln sich oft Verhaltensänderungen, die gleichbedeutend als „nichtkognitive Störungen“, „psychische und Verhaltenssymptome“ oder „herausforderndes Verhalten“ („challenging behaviour“) bezeichnet werden [6].

International ist der Begriff „Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD) gebräuchlich. Diese Abkürzung wird im folgenden Text bevorzugt verwendet.

Es wird geschätzt, dass sich in einem Zeitraum von fünf Jahren bei etwa 90 % aller Demenzkranken BPSD entwickeln. Dazu gehören Wahn (3–54 %), Halluzinationen (1–39 %), Depression (8–74 %), Ängstlichkeit (7–69 %), Apathie (17–84 %), Aggressivität und Unruhe (48–82 %) sowie körperlich ausgeübte Aggressionen (11–44 %). [7]

Symptome wie Wahn und Halluzinationen rufen bei den Patienten Angst, Besorgnis oder auch Wut hervor. Dagegen beeinträchtigen Inaktivität, Apathie und Desinteresse, aber auch übertriebene motorische Aktivität, stereotype Bewegungen und ständiges Umherlaufen die Angehörigen bzw. Pflegen- den oft stärker als die Patienten selbst.

Besonders belastend für die Umgebung sind Enthemmung und verbal oder physisch aggressives Verhalten. Daher äußern neben den Patienten oft auch Angehörige und Pflegepersonal den Wunsch nach einer schnell wirksamen Behandlung. [7]

Wie hoch der Behandlungsbedarf bei BPSD ist, zeigen diese Zahlen: 77 % der stationär und 10 % der ambulant betreuten Patienten mit Demenz erhielten an einem Stichtag ein AP (vorwiegend ein atypisches). (Zitiert nach [8])

Diagnostik bei BPSD

BPSD werden heute als multifaktorielles Geschehen gesehen, zu dem neben dem Verlauf der Grunderkrankung (strukturelle und funktionelle Veränderungen des Gehirns) die Persönlichkeit, das Copingverhalten, unerfüllte Bedürfnisse sowie die Umgebung des Betroffenen beitragen. (Zitiert nach [6])

Oft liegt das Verhalten in der Beziehung mit pflegenden Angehörigen begründet oder es weist auf aktuelle Beeinträchtigungen wie z.B. Schmerzen oder Infektionen hin. [6] Um diese Faktoren zu erfassen, ist als erster Schritt eine „verstehende Diagnostik“ nötig (Tabelle 1) [6]. Im nächsten Schritt werden mögliche Gründe für das Verhalten analysiert (Tabelle 2): Geht es vom Demenzkranken, den pflegenden Angehörigen oder der Umgebung aus, in der es auftritt? Nicht selten spielen hier alle drei Faktoren zusammen.

Gelingt es, mögliche Ursachen (z.B. Schmerzen) und Umweltbedingungen (z.B. Kommunikationsverhalten, Umgebung) zu identifizieren und zu verändern, können BPSD oft günstig beeinflusst werden. Soweit es die klinische Situation erlaubt, sollten alle verfügbaren und einsetzbaren psychosozialen Interventionen (siehe unten sowie Abbildung 1) ausgeschöpft werden, bevor Medikamente erwogen werden. [1], [7], [9]

Therapie bei BPSD

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

In der (abgelaufenen) LL Demenzen [1] heißt es in einem Statement:
Zur Prävention und Behandlung von BPSD können „verstehende Diagnostik“ (siehe oben sowie Tabellen 1 und 2), validierendes Verhalten und Erinnerungspflege eingesetzt werden. In der akuten Situation können basale bzw. sensorische Stimulation, der Einsatz von Musiktherapie, Snoezelen, körperliche Berührung und körperliche Bewegung wirksam sein. Individuelles Verhaltensmanagement, Angehörigen- und Pflegendenschulungen sowie kognitive Stimulation sind wichtige Elemente bei der Behandlung von BPSD. [1]
(Siehe hierzu auch die Patienteninformation „Pflegende Angehörige“ der DEGAM [27]).

Hinweis: In vielen Pflegeeinrichtungen begrenzen die personelle und räumliche Ausstattung sowie ein hoher Anteil schwer an Demenz Erkrankter die Umsetzung nichtmedikamentöser Maßnahmen. Entsprechend heißt es in der LL Demenzen [1], dass „eine Indikation für eine pharmakologische Intervention [besteht], wenn psycho-soziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind. Bei Eigen- oder Fremdgefährdung, die nicht anders abwendbar ist, kann eine unmittelbare pharmakologische Intervention erforderlich sein.“

Medikamentöse Therapie

Bevor bei BPSD Psychopharmaka verordnet werden, soll laut LL [1] ein psychopathologischer Befund erhoben werden. Dabei müssen die medizinischen, personen- und umgebungsbezogenen Bedingungsfaktoren identifiziert und danach soweit möglich behandelt bzw. modifiziert werden [1].

Die in klinischen Studien eingesetzten Hilfsmittel wie das „Neuropsychiatric Inventory“ (NPI) nach Cummings [10] sind sehr aufwendig und daher in der hausärztlichen Versorgung kaum anwendbar. So fragt das NPI im ersten Schritt zwölf Domänen hinsichtlich des Vorhandenseins von Symptomen ab: Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Erregtheit, Depression/Dysphorie, Angst, Euphorie/Hochstimmung, Apathie, Enthemmung, Reizbarkeit/Labilität, abnormes motorisches Verhalten, Schlafstörungen sowie Appetit/Essstörungen. In weiteren Schritten werden diese ggf. nach
Häufigkeit (von 1 bis 4), Schweregrad (von 1 bis 3) und emotionaler Belastung (von 0 bis 5) eingestuft.

Basisabklärung bei BPSD

Beim Auftreten von BPSD empfiehlt sich als erstes zu prüfen, ob anticholinerge Medikamente der Auslöser sind (siehe Kasten).

Die weitere Abklärung umfasst [11]:

  • Allgemeinzustand (u. a. achten auf Verstopfung, Mangelernährung/Dehydratation, Kopfverletzungen);
  • nicht erkannte oder ungenügend behandelte Schmerzzustände;
  • nicht erkannte Infektionen (vor allem Harnwegsinfektionen);
  • Elektrolytstörungen (insbesondere Hyponatriämie, Dehydratation);
  • psycho-soziale Faktoren;
  • Hör- oder Sehprobleme;
  • physikalische Umgebungsfaktoren (z. B. Lärm, zu wenig Licht, Schwierigkeiten, den Weg zur Toilette zu finden);
  • Depression, Angststörung;
  • Wechselwirkungen mit betreuenden Personen (nach Möglichkeit mit Erfassen der prämorbiden Beziehung zwischen dem Patienten/der Patientin und pflegenden Angehörigen).

Auch wenn es dazu keine belastbaren Studien gibt, zeigt die klinische Erfahrung, dass es bei plötzlich einsetzender kognitiver Verschlechterung sinnvoll sein kann, die Blutdruckeinstellung zu prüfen. Dies gilt z. B., wenn die Werte deutlich niedriger sind als im bisherigen Langzeitmittel, etwa als Folge neu verordneter Medikamente mit blutdrucksenkender Begleitwirkung.

Abgrenzung zwischen BPSD und Delir

Delire sind meist akut beginnende Syndrome (siehe Kasten „Confusion Assessment Method“) mit Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, globalen Störungen der Kognition, illusionären Verkennungen und meist optischen Halluzinationen, affektiven und psychomotorischen Störungen sowie Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus. [9] Sie können hyperaktiv, hypoaktiv und in Mischformen auftreten und sind in vielen Fällen eine nicht erkannte Komplikation im Verlauf einer Demenz. In einer schottischen Studie lag bei mehr als 10.000 Patienten über 65 Jahren, die akut in ein Allgemeinkrankenhaus eingewiesen wurden, in knapp 8 % ein mit Demenz assoziiertes Delir vor [26]. Ähnliche Zahlen werden in [2] genannt.

Ein Delir bei Demenzkranken ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert, denn oft folgt eine anhaltende Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Wichtig sind daher rechtzeitiges Erkennen und Behandeln. [1] Wird ein Delir bei älteren Patienten nicht frühzeitig erkannt, kann die Sterblichkeit bis zu 30 % betragen. [12]

Cave: BPSD sollen nur diagnostiziert werden, nachdem ein Delir („Red Flag“) ausgeschlossen ist [13].

Ein Delir kann (nicht nur bei Menschen mit Demenz) von Medikamenten ausgelöst werden. Dazu gehören (Auswahl nach [11]):

  • anticholinerge Wirkstoffe wie Amitriptylin oder Oxybutynin,
  • Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Phenytoin,
  • Lithium (zu hohe Plasmaspiegel).

Prävention und Behandlung eines Delirs bei Demenz

Zur Prävention gehören u. a. das Vermeiden delirogener Medikamente (siehe oben), das Sicherstellen einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme und die Früherkennung von komorbiden Erkrankungen (z. B. Infektionen).
Bei bestehendem Delir muss nach Möglichkeit der Auslöser behandelt bzw. beseitigt werden. [1]

Zur symptomatischen Behandlung eines Delirs bei Demenz können AP verordnet werden. Vermieden werden sollen Substanzen mit (stärkeren) anticholinergen Effekten. Randomisierte Studien zur Behandlung eines Delirs bei Demenz liegen nicht vor. In Studien mit über 65-Jährigen mit Delir (unabhängig vom Bestehen einer Demenz) hatten Risperidon, Olanzapin und Quetiapin eine mit Haloperidol vergleichbare Wirkung. Ferner wurde gezeigt, dass bei Delir (unabhängig vom Bestehen einer Demenz) Haloperidol auch in niedriger Dosis (< 3 mg/Tag) wirksam war und nicht
mehr Nebenwirkungen hatte als atypische Neuroleptika. [1]

Die medikamentöse Behandlung von BPSD hängt von der Art der Demenzerkrankung und den vorherrschenden Symptomen ab.

Generelle Wirksamkeit von Antidementiva auf BPSD

In Metaanalysen eines IQWiG-Berichts wird eine Wirksamkeit auf BPSD nur für Galantamin, nicht aber für Donepezil beschrieben. In dem Ergänzungsbericht des IQWiG zu Galantamin bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz wird die signifikante Überlegenheit von Galantamin gegenüber Placebo auf BPSD bestätigt, die Größe des Effektes aber als „nicht nutzenrelevant“ bewertet.

In einer Studie zur Weiterbehandlung von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz, die dauerhaft mit Donepezil behandelt wurden, verschlechterten sich BPSD (sekundärer Endpunkt) nach Umsetzen auf Placebo nicht. Gemäß einer Metaanalyse hatte Donepezil im Vergleich zu Placebo in der Behandlung schwerer Demenzen keinen signifikanten Effekt auf BPSD. Zu Rivastigmin gibt es keine placebokontrollierten Studien über Effekte auf BPSD bei Alzheimer-Demenz. Eine Meta-Analyse des IQWiG zu Memantin fand keinen signifikanten Effekt von Memantin auf BPSD bei moderater bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz.

In der LL Demenzen [1] wird als Fazit der genannten Studien ein Statement formuliert:
Global werden Verhaltenssymptome durch die Gabe von Galantamin und eventuell von  Donepezil bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz positiv beeinflusst. Bei mittelschwerer bis schwerer Demenz gibt es keinen Hinweis für einen positiven Effekt von Cholinesterasehemmern auf Verhaltenssymptome.

  • Memantin beeinflusst Verhaltenssymptome bei moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz mit geringer Effektstärke.
  • Zur pharmakologischen Behandlung psychotischer Symptome bei LKD sowie Demenz bei M. Parkinson gibt es für Rivastigmin Hinweise für eine Wirksamkeit. Bei der LKD gibt es Hinweise für Effekte von Memantin auf BPSD.

Grundsätze der Gabe von anderen Wirkstoffen als Antidementiva bei BPSD

BPSD können, so die LL Demenzen [1], gelegentlich die Anwendung psychotroper Medikamente (Antipsychotika, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Tranquilizer) erfordern.

Dabei sind u. a. folgende Grundsätze zu beachten:

  • Aufgrund des Mangels an Acetylcholin, der delirogenen Potenz und der möglichen negativen Effekte auf die Kognition sind psychotrope Medikamente mit anticholinerger Wirkung (siehe oben) zu meiden.
  • Auch sedierende Substanzen sind möglichst nicht zu verordnen, weil sie die kognitive Leistung negativ beeinflussen und die Sturzgefahr erhöhen können.

In der abgelaufenen LL Demenz der DEGAM [14] heißt es:

Eine sorgfältige Nutzen-/Risikoabwägung ist notwendig, weil Nebenwirkungen bei Demenzpatienten besonders ausgeprägt sein können: Parkinsonismus, erhöhte Sturzneigung, übermäßige Sedierung, Spätdyskinesien und eine Lagerungshypotension sind die häufigsten.

Folgende Grundregeln gelten für die Therapie mit Neuroleptika:

  • Besonders bei älteren Patienten sollte mit einer niedrigen Anfangsdosis begonnen und dann ggf. langsam gesteigert werden. Zu beachten ist die verminderte Kreatinin-Clearance bei älteren Patienten [14].
  • Vor einer Dosissteigerung bzw. einem Medikamentenwechsel sollte ein angemessener Beobachtungs- und Beurteilungszeitraum liegen [14]. In [11] wird eine Dosiserhöhung konkret nach frühestens einer Woche empfohlen.
  • Nach erfolgreicher Besserung sollte die Notwendigkeit einer fortdauernden Therapie regelmäßig überprüft werden [14]. In [11] wird empfohlen, nach eingetretener Besserung die weitere Notwendigkeit alle drei Monate zu beurteilen.
  • Bei ausbleibenden therapeutischen Effekten bzw. komplizierten Verläufen und vor dem Einsatz von Medikamenten, mit denen bisher keine eigenen Erfahrungen vorliegen, sollte der Rat von Fachspezialistinnen und Fachspezialisten eingeholt werden.
  • Die oft vielfältigen Medikamenteninteraktionen (siehe Kasten „Ausgewählte
    Interaktionen psychotroper Medikamente“) sollten bedacht werden.
  • Die Indikation ist nach spätestens drei Monaten zu überprüfen, Ausschleichversuche sollten durchgeführt werden.

Antipsychotika und Mortalität

In der Leitlinie Demenzen [1] heißt es: Die Gabe von Antipsychotika bei Patienten mit Demenz ist wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko für Mortalität und für zerebrovaskuläre Ereignisse assoziiert (siehe Kasten „Mortalität unter Antipsychotika bei Demenz erhöht“). Es besteht wahrscheinlich ein differenzielles Risiko, wobei Haloperidol das höchste und Quetiapin das geringste Risiko hat. Das Risiko ist in den ersten Behandlungswochen am höchsten, betrifft aber wahrscheinlich auch die Langzeitbehandlung. Es besteht ferner wahrscheinlich das Risiko für eine beschleunigte kognitive Verschlechterung durch die Gabe von Antipsychotika bei Demenz. Patienten und rechtliche Vertreter müssen über dieses Risiko aufgeklärt werden. Die Behandlung soll mit der geringstmöglichen Dosis und über einen möglichst kurzen Zeitraum erfolgen. Der Behandlungsverlauf muss „engmaschig“ kontrolliert werden.

Hinweis: Die LL Demenz spezifiziert nicht, was unter „engmaschig“ zu verstehen ist. In [15] wird ein Auslassversuch (siehe unten) bereits nach einer Woche empfohlen. Die NICE-Guidelines empfehlen, mindestens alle sechs Wochen zu prüfen, ob die Medikation noch erforderlich ist [16]. Laut Fachinfo ist die Gabe von z. B. Risperidon in dieser Indikation ohnehin auf maximal sechs Wochen begrenzt.

Zulassungsstatus einzelner Antipsychotika bei BPSD

Risperidon ist indiziert zur Kurzzeitbehandlung (bis zu sechs Wochen) von anhaltender Aggression bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Demenz, die auf nichtpharmakologische Methoden nicht ansprechen und wenn ein Risiko für Eigen- und Fremdgefährdung besteht.
Dosis: 0,5–2 mg/Tag.

Haloperidol: „Behandlung von persistierender Aggression und psychotischen Symptomen bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz nach Versagen nichtpharmakologischer Therapien und bei einem Risiko für Selbst- oder Fremdgefährdung.“
Anfangsdosis für ältere Patienten: 0,5 mg/Tag. Maximaldosis für ältere Patienten: 5 mg/Tag.

Pipamperon: Bei Schlafstörungen, insbesondere bei geriatrischen Patienten, bei psychomotorischen Erregungszuständen.

Melperon: Zur Behandlung von Schlafstörungen, Verwirrtheitszuständen und zur Dämpfung von psychomotorischer Unruhe und Erregungszuständen, insbesondere bei Patienten der Geriatrie und Psychiatrie.

Die Anwendung aller anderen in diesem Beitrag erwähnten Neuroleptika (Aripiprazol, Clozapin, Olanzapin und Quetiapin) erfolgt bei BPSD off label.

Auch Promethazin ist nicht zur Behandlung bei BPSD zugelassen. Es wird nicht in der LL „Demenzen“ [1] aufgeführt. Es hat aber u. a. eine Indikation zur Behandlung von Schlafstörungen, „wenn therapeutische Alternativen nicht durchführbar oder nicht erfolgreich waren“.

Nicht off label erfolgt die Verordnung bestimmter Neuroleptika bzw. Antidepressiva bei BPSD, wenn als Komorbidität ein psychotisches bzw. ein depressives Syndrom besteht.

Dosis, Behandlungsdauer, Absetzversuche

Die für Demenzkranke empfohlenen Dosierungen liegen deutlich unter denen für jüngere Erwachsene. In der Regel ist es sinnvoll, mit der niedrigsten möglichen Dosis zu beginnen (z. B. Risperidon 0,5 mg/ Tag) und die Dosis langsam zu steigern. Ist eine Substanz nicht wirksam, sollte ein Behandlungsversuch mit einem anderen AP gemacht werden. Für die Kombination mehrerer Antipsychotika zur Behandlung von BPSD gibt es keinerlei Begründung. Durch eine kurze Behandlungsdauer können die Risiken gering gehalten werden. [7]

Dauer: Ein Neuroleptikum kann für ein bestimmtes Zielsymptom einige Wochen eingesetzt werden, bis die Wirksamkeit beurteilbar ist (Voraussetzung: ausreichende Dosierung). Geht das festgelegte Zielsymptom nicht in der erwarteten Weise zurück, gibt es keinen Grund für die weitere Verordnung des Neuroleptikums. [7]

Absetzversuche: In einem Cochrane-Review [17] wurden zehn Absetzstudien von Antipsychotika bei Demenz (acht in stationären Pflegeheimen) ausgewertet. In der überwiegenden Zahl der Studien zeigte sich keine psychopathologische Verschlechterung bei den Patienten durch Absetzen von Antipsychotika. Die Autoren schlussfolgern, dass Absetzversuche in die klinische Praxis implementiert werden sollten.

Aussagen von Fachinfos zur Behandlungsdauer:
Haloperidol: keine Angabe; Risperidon: Kurzzeitbehandlung (maximal sechs Wochen).

NICE-Empfehlung [16]: mindestens alle sechs Wochen prüfen, ob die Medikation noch erforderlich ist. In [15] wird ein Auslassversuch bereits nach einer Woche empfohlen, die Behandlungsdauer sollte maximal sechs Wochen betragen.

Besonderheiten für andere Demenzen als vom Alzheimer-Typ

LKD, Parkinson-Demenz: Für Patienten mit Parkinson-Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz (LKD) und verwandten Erkrankungen sind klassische (wie Haloperidol) und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert, weil sie Parkinson-Symptome verstärken und Somnolenzattacken auslösen können. Einsetzbare Neuroleptika bei diesen Erkrankungen sind Clozapin und mit geringerer Evidenz Quetiapin. [1]

Therapie von BPSD je nach Art der vorherrschenden Symptome

Als Hyperaktivität wird ein rein statistisch definierter Cluster aus Aggressivität/ agitiertem Verhalten, Euphorie, Enthemmung und psychomotorischer Unruhe bezeichnet. [1]

Aggressivität/agitiertes Verhalten: Antidementiva haben keinen Effekt bei Aggressivität/agitiertem Verhalten!

Haloperidol wird aufgrund fehlender Evidenz nicht zur Behandlung von Agitation empfohlen. Es gibt aber Hinweise auf eine schwache Wirksamkeit bei aggressivem Verhalten. Unter Beachtung der Risiken (extrapyramidale UAW, zerebrovaskuläre Ereignisse, erhöhte Mortalität) kann der Einsatz bei Aggressivität erwogen werden. [1]

Wenn zur Behandlung von agitiertem und aggressivem Verhalten bei Demenz AP erforderlich werden, sollte Risperidon bevorzugt werden. Olanzapin soll hier aufgrund des anticholinergen Nebenwirkungsprofils und heterogener Datenlage zur Wirksamkeit nicht eingesetzt werden. Als Alternative kann Aripiprazol verwendet werden. [1]

Hinweis: In der Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ [9] heißt es, dass zur Behandlung von Aggression im Rahmen einer Agitiertheit auch Melperon oder Pipamperon eingesetzt werden können, die für diese Indikation zugelassen sind (siehe auch Kasten „Melperon und Pipamperon“).

Begründet wird das mit dem Vorliegen umfassender klinischer Erfahrung. Qualitativ hochwertige Studien, etwa ein direkter Vergleich zwischen Risperidon und Melperon, werden nicht durchgeführt, weil Melperon und Pipamperon schon sehr lange zugelassen sind. [9]

Es gibt Hinweise auf eine günstige Wirkung von Carbamazepin auf Agitation und Aggression. Es kann nach fehlendem Ansprechen auf andere Therapien empfohlen werden (auf die zahlreichen Interaktionen achten). Valproat wird nicht empfohlen. [1]

Es gibt Hinweise für eine Wirksamkeit des Antidepressivums Citalopram (cave: anticholinerg) bei agitiertem Verhalten von Demenzkranken. Ein Behandlungsversuch kann erwogen werden [1] (siehe auch Kasten „Citalopram gegen Agitation und Unruhe bei Demenz?“).

Enthemmung: Für die Behandlung von enthemmtem Verhalten bei Demenzerkrankungen liegt keine belastbare Evidenz für bestimmte Substanzen vor. [1]

Euphorie bei Demenzerkrankungen ist selten behandlungsbedürftig. Evidenz für bestimmte Behandlungen existiert nicht. [1]

Gesteigerte Psychomotorik und repetitive Bewegungsabläufe sind bei Demenzkranken häufig. Wenn sie beim Betroffenen kein erkennbares Leid verursachen, besteht kein Grund zur Intervention. Bewegungsdrang kann aber für die Patienten auch zur Belastung werden, etwa durch Gewichtsabnahme. Bei quälendem Bewegungsdrang kann eine medikamentöse Behandlung erwogen werden. [1]

Motorische Unruhe der Patienten kann insbesondere in Pflegeeinrichtungen als Belastung für die Mitarbeiter empfunden werden. Aus dieser Belastung leitet sich jedoch keine Indikation für Medikamente oder freiheitseinschränkende Maßnahmen (FeM) ab, wird in der LL Demenzen [1] hervorgehoben.

Eine Behandlungsindikation ergibt sich generell, wenn die Betroffenen die Unruhe als leidvoll empfinden oder dadurch gefährdet werden. Im häuslich-familiären Umfeld kann eine gesteigerte Psychomotorik eine starke Belastung für die pflegenden Angehörigen werden und im Einzelfall sowie bei unzureichender Wirksamkeit anwendbarer
psycho-sozialer Verfahren eine medikamentöse Behandlung erforderlich machen. [1]

Risperidon zeigte bei mittlerer bis schwerer Demenz eine Wirksamkeit auf repetitive Bewegungen und scheinbar zielloses Umhergehen. Bei schwerer psychomotorischer Unruhe, die den Betroffenen oder die Pflegenden deutlich beeinträchtigt, kann ein zeitlich begrenzter Therapieversuch mit Risperidon empfohlen werden.

Psychotische Symptome (Halluzination, Wahn): Halluzinationen und Wahn sind bei Demenz häufig und können bei den Betroffenen u. a. Angst oder Wut auslösen.

Vor einer medikamentösen Behandlung soll geprüft werden, ob die psychotischen Symptome durch Medikamente oder andere Ursachen (z. B. Delir, siehe oben) verursacht sind. Als wirksam im Vergleich zu Placebo hat sich Haloperidol (2–3 mg/Tag) erwiesen. In dieser Dosierung entwickelten sich jedoch bei 20 % der Demenzpatienten EPS. Die LL Demenzen [1] empfiehlt daher Risperidon (0,5-2 mg/Tag), wenn AP erforderlich sind.

Apathie: Eine Verminderung von Antrieb und Initiative ist das häufigste Verhaltenssymptom bei Demenzkranken. Es belastet die Pflegenden emotional und verhindert die Teilnahme der Kranken an Alltagsleben und psychosozialen Interventionen. Weder für Cholinesterasehemmer noch für andere Substanzen, etwa Methylphenidat, ist eine Empfehlung ausreichend belegt. [1]

Benzodiazepine bei BPSD

Benzodiazepine können bei Menschen mit Demenz die Kognition verschlechtern, die Sturzgefahr erhöhen, paradoxe Reaktionen hervorrufen und haben ein Abhängigkeitspotenzial, das bei plötzlichem Absetzen mit der Gefahr eines Delirs verbunden ist. In Ausnahmefällen kommen Einzeldosen kurzwirksamer Präparate in Betracht. Präparate mit langer Halbwertszeit sollen vermieden werden. [1]

Depression und Angst bei Demenz

Außer zu Donepezil bei mittelschwerer bis schwerer Demenz (zwei Studien mit dem Item „Depression“ des NPI als sekundärem Endpunkt) liegen keine Daten über eine Wirksamkeit von Antidementiva auf depressive Symptome bei Demenz vor. [1]

Antidepressiva
Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie bei Patienten mit Demenz und Depression. Bei der Ersteinstellung und Umstellung sollten trizyklische Antidepressiva mit zentral anticholinergem Effekt nicht eingesetzt werden. Sedierende Antidepressiva erhöhen die Sturzgefahr und können die kognitive Leistung bei Patienten mit Demenz verschlechtern. Bei allen Substanzen wird generell zunächst eine niedrigere Dosierung gewählt als bei jüngeren Patienten. [1]

Angststörungen bei Demenz: Hier ist keine evidenzbasierte medikamentöse Therapie bekannt. [1]

Schlafstörungen bei Demenz

Störungen des Nachtschlafs und des Tag-Nacht-Rhythmus sind bei Demenzkranken häufig und können Pflegende insbesondere im häuslichen Umfeld erheblich belasten. Aufgrund von Sedierung, Sturzgefahr und Verschlechterung der Kognition sollten Hypnotika nur in Situationen angewendet werden, die durch Verhaltensempfehlungen und Interventionen nicht ausreichend verbessert werden können und die zu einer erheblichen Belastung des Betroffenen und der Pflegenden führen. Störungen von Arbeitsabläufen und Organisationsstrukturen in Heimen durch gestörten Schlaf von Betroffenen sind keine Indikation für den Einsatz von Hypnotika. [1] Es liegen keine kontrollierten Studien zum Einsatz von Hypnotika bei Demenzkranken vor.

Melatonin ist in der Behandlung von Schlafstörungen bei Demenz nicht wirksam. Eine Anwendung wird nicht empfohlen. [1] Für eine medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei Demenz kann keine evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen werden. [1]

Benzodiazepine sollen bei Patienten mit Demenz nur bei speziellen Indikationen kurzfristig eingesetzt werden [1].

Regeln für die Verordnung von Bedarfsmedikation

In einer Studie wurden nach Entlassung von Altenheimbewohnern aus stationärer psychiatrischer Behandlung fest verordnete Psychopharmaka im Wesentlichen beibehalten. Eine starke Zunahme gab es dagegen bei der Bedarfsmedikation: Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus war eine Therapie bei Bedarf mit Psychopharmaka bei 15,0 % bzw. speziell mit Neuroleptika bei 7,5 % der Patienten empfohlen worden. Drei Monate später wurde Bedarfsmedikation von Psychopharmaka generell bei 39,3 % bzw. von Neuroleptika bei 19,6 % dieser Gruppe verzeichnet. [20]

Werden Medikamente zur Anwendung bei Bedarf verordnet, müssen zusätzlich zu den allgemeinen Regeln für die Verordnung von Medikamenten weitere Angaben erfolgen (siehe auch Tabelle unten): [21]

  • Angabe eines präzise beschriebenen Bedarfsgrunds für den Einsatz des Arzneimittels: Darunter ist neben der (laienverständlichen) Benennung der allgemeinen Indikation die Angabe eines konkreten Bedarfs, z. B. eines Symptoms und der zur Indikationsstellung geforderten Ausprägung des Symptoms nötig. Ebenfalls angegeben werden müssen mögliche Kontraindikationen.
  • Angaben zur Dosierung: Diese müssen neben der initialen Einzeldosis auch die maximale Einzeldosis und gegebenenfalls die Schritte der möglichen Einzeldosissteigerung enthalten. Auch in Fällen, in denen eine Einzeldosisreduktion sinnvoll sein kann und ohne Rücksprache mit dem Arzt möglich sein sollte, muss dies bei der Verordnung festgelegt werden. Ebenso sollte der Mindestabstand der Einzelgaben, die maximal mögliche Anzahl von Gaben pro Tag und – sofern dies zutrifft – eine maximale Therapiezyklusdauer angegeben werden. Bei manchen Substanzen sind auch maximale Tagesdosis und Gesamtdosis für einen Behandlungszeitraum anzugeben.
  • Dauer der Gültigkeit der Verordnung: Auch bei der Bedarfsmedikation ist regelmäßig zu prüfen, ob die Indikation noch besteht bzw. die Verordnung noch angemessen ist. Dies ist zumindest immer dann erforderlich, wenn sich entweder der Gesundheitszustand oder die Arzneimitteltherapie des Patienten ändert. Um sicherzustellen, dass die Verordnung zeitnah überprüft wird, ist eine zeitliche Begrenzung der Bedarfsmedikation hilfreich.

Besondere Regelungen gelten für die Anwendung von Bedarfsmedikation durch Pflegekräfte: Grundsätzlich darf Pflegepersonal keine Arzneimitteltherapie ohne ärztliche Verordnung initiieren. Liegt eine ärztliche Verordnung vor, kann die Applikation an das Pflegepersonal übertragen werden. Die Verantwortung für die Therapie verbleibt immer bei der Ärztin/dem Arzt. [21]

Quellen

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) (2016, in Überarbeitung). S3-Leitlinie „Demenzen“, AWMF-Register-Nr.: 038-013. https://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/ 038-013l_S3-Demenzen-2016-07.pdf
  2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Bundesministerium für Gesundheit (2020). Nationale Demenzstrategie. https://www.nationale-demenzstrategie.de/ fileadmin/nds/pdf/ 2020-07-01_Nationale_Demenzsstrategie.pdf
  3. Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V., Selbsthilfe Demenz (2018). Informationsblatt 14: Die Lewy-Körperchen-Demenz. https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin /alz/pdf/factsheets/ infoblatt14_lewy-koerperchen-demenz_dalzg.pdf
  4. Glaeske, D., et al. (2020). Demenzreport 2020. https://docplayer.org/198419794-Demenzreport-2020-gerd-glaeske.html# download_tab_content
  5. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), HIOPP-3 (2018). HIOPP-3-iTBX – Angemessene und sichere Medikation für Heimbewohner/innen mit Hilfe einer interprofessionellen Toolbox (AMTS-Toolbox). 5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie 18.–19. Oktober 2018. https://www.akdae.de/AMTS/Kongresse/2018/Z3.pdf
  6. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM) (2018, gültig bis 7/2023). Pflegende Angehörige von Erwachsenen S3-Leitlinie. AWMF-Register-Nr. 053-006, DEGAM-Leitlinie Nr. 6. https://www.degam.de /files/Inhalte/ Leitlinien-Inhalte/Dokumente/ DEGAM-S3-Leitlinien/053-006_Pflegende%20Angehoerige/ 053-006l_DEGAM%20LL%20Pflegende%20 Angeho%CC%88rige_4-3-2019.pdf
  7. Gertz, H.J., et al. (2012). Antipsychotika zur Behandlung neuropsychiatrischer Störungen bei Demenz. Nervenarzt 84:370–373. DOI 10.1007/s00115-012-3693-4
  8. Gertz, H.J. (2016). Die Behandlung von neuropsychiatrischen Störungen bei Demenz mit Antipsychotika. Arzneiverordnung in der Praxis Band 43, Heft 4, 195–198. https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201604/195.pdf
  9. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN) (2018, in Überarbeitung). S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“. AWMF-Register-Nr. 038-022. https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/ 154528053e2d1464d9788c0b2d298ee4a9d1cca3/ S3%20LL%20Verhinderung%20von%20Zwang%20LANG%2BLITERATUR%20FINAL%2010.9.2018.pdf
  10. Cummings, J.L. (1997). The Neuropsychiatric Inventory: assessing psychopathology in dementia patients. Neurology 48, Suppl 6: S10–16
  11. The Royal Australian and New Zealand College of Psychiatrists (RANZCP) (2011). The Use of Antipsychotics in Residential Aged Care. Clinical Recommendations developed by the RANZCP, Faculty of Psychiatry of Old Age (New Zealand). https://bpac.org.nz/a4d/resources/docs/ ranzcp_clinical_recommendations.pdf
  12. Danieli, E., et al. for Mount Sinai Hospital, Toronto (2013). Non-Pharmacological Assessment and Management of Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia in Primary Care. https://www.mountsinai.on.ca/care/psych/patient-programs/ geriatric-psychiatry/prc-dementia-resources-for-primary-care/ dementia-toolkit-for-primary-care/responsive-behaviours-in-dementia/ non-pharmacological-assessment-and-management-of-behavioural-and-psychological
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  14. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM) (2008, abgelaufen). Demenz. DEGAM-Leitlinie Nr. 12. https://www.degam.de/files/ Inhalte/Leitlinien-Inhalte/ _Alte%20Inhalte%20Archiv/Demenz/ LL-12_Langfassung_TJ_03_korr_01.pdf
  15. Glaeske, G., Ludwig, W.-D. (2020). Innovationsreport 2018. Auswertungsergebnisse von Routinedaten der Techniker Krankenkasse aus den Jahren 2015 bis 2017. https://www.tk.de/resource/ blob/2047632/ d5b93f32bd6595afd621a3a6e2b42bb0/ innovationsreport-2018-data.pdf
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  21. Demuth, A., Grandt, D., Radecke, K. (2017). Anforderungen an die Verordnung und Anwendung von Bedarfsmedikation zur Gewährleistung von Arzneimitteltherapiesicherheit. Arzneiverordnung in der Praxis Band 44, Heft 1, 39–43. https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/ AVP/Artikel/201701/039.pdf
  22. Schucany, M., Bschor, T. (2015). Citalopram zur Behandlung von Unruhe und Agitation bei Alzheimer-Demenz? Riskant und mäßig wirksam. Arzneiverordnung in der Praxis Band 42, Heft 1, 25–28. https://www.akdae.de/ Arzneimitteltherapie/ AVP/Artikel/201501/025.pdf
  23. Mutschler, E., et al. (2013). Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie, der klinischen Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 10. Auflage. ISBN 978-3-8047-2898-1
  24. Bundesministerium für Gesundheit (2006). Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/ Dateien/Publikationen/Pflege/Berichte/ Bericht_Rahmenempfehlungen_zum_Umgang_mit_herausforderndem_Verhalten_ bei_Menschen_mit_Demenz_in_der_stationaeren_Altenhilfe.pdf
  25. Köpke, S., Gerlach, A., Möhler, R., et al. (2015). Leitlinie FEM – Evidenzbasierte Praxisleitlinie. 1. Aktualisierung 2015. Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der beruflichen Altenpflege. http://www.leitlinie-fem.de/download/LL_FEM_2015_Internet_gesamt.pdf
  26. Reynish E.L., et al. (2017) Epidemiology and outcomes of people with dementia, delirium, and unspecified cognitive impairment in the general hospital: prospective cohort study of 10,014 admissions. BMC Medicine 15:140–151. DOI 10.1186/s12916-017-0899-0
  27. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM) (2019). Patienteninformation „Pflegende Angehörige“. Download in den Formaten DIN A4 bzw. DIN A5 unter https://www.degam.de/files/Inhalte/bLeitlinien-Inhalte/bDokumente/DEGAM-S3-Leitlinien/bb053-006_Pflegende%20Angehoerige/b053-006_Patinfo_DEGAMb%20LL%20bPflegende%20bAngeho%CC%88rige_bA4_4-3-2019.pdf bzw. https://www.degam.de/files/Inhalte/bLeitlinien-Inhalte/bDokumente/bDEGAM-S3-Leitlinien/053-006_Pflegende%20Angehoerige/b053-006_Patinfo_DEGAM%20LL%20Pflegende%20bAngeho%CC%88rige_A5_4-3-2019.pdf

CME-Infos

VNR: 2760909012693770012

Diese Fortbildung ist gültig vom 8. Mai 2023 bis 8. Mai 2024

Autor: Dr. med. Ulrich Scharmer (Interessenkonflikte: keine)

Die Bayerische Landesärztekammer (www.blaek.de) hat diesen Beitrag in der Kategorie D zur zertifizierten Fortbildung freigegeben. Die CME-Fortbildung ist damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Nach Absolvieren der Fortbildung erhalten Sie 2 CME-Punkte, wenn Sie mindestens 70 Prozent der Fragen richtig beantworten. Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit zutreffend. Bei erfolgreicher Teilnahme werden Ihnen die CME-Punkte automatisch auf Ihrem Fortbildungskonto gutgeschrieben. Außerdem erhalten Sie eine Teilnahmebestätigung zum Download.

Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildungen und die CME-Fragen keine werblichen Aussagen oder Produktempfehlungen enthalten. Die inhaltliche Qualität des Beitrags wurde durch zwei unabhängige Gutachter bestätigt.

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