Gerade Risikopatientinnen und -patienten sollten bei Hitze viel trinken, die Sonne meiden und für Abkühlung sorgen. Aber was, wenn sie zudem Medikamente einnehmen, die bei Hitze beispielsweise stärker wirken? Hier finden Sie jede Menge praktische Tipps.
Hitze und Medikamente – da denkt man vielleicht zunächst daran, dass einige Medikamente bei Hitze zur Gefahr werden können, etwa weil sie das Durstgefühl mindern oder sich auf den Wasserhaushalt auswirken. Oder daran, dass einige Medikamente durch Hitze ihre Wirksamkeit verändern oder gar verlieren.
Allerdings beeinflussen Medikamente auch den Klimawandel und führen damit unter anderem zu mehr Hitzeperioden – Medikamente und Hitze, das ist also ein Teufelskreis.
Müssen es Dosieraerosole sein?
Denn von den Treibhausgasemissionen einer durchschnittlichen Praxis machen Medikamente rund 60 Prozent aus, wie Dr. Franziska Charrier bei einem Workshop anlässlich des ersten deutschlandweiten Hitzeschutztags berichtete.
„Und einen ganz großen Anteil daran – nämlich 12 der 60 Prozent – haben Dosieraerosole.“ Da lohne es sich, zu überprüfen, ob Dosieraerosole vielleicht durch einen Pulverinhalator ersetzt werden können. Schließlich könne man mit einer Umstellung einen ganzen Kurzstreckenflug oder eine Autofahrt von 1000 Kilometern kompensieren.
„Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat genau für solche Fragestellungen die S1-Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln“ erstellt“, berichtete Charrier (die Leitlinie finden Sie unter www.hausarzt.link/VuRU9).
Bei der Hälfte der verschriebenen Dosieraerosole handle es sich um Salbutamol. „Hier kann man darüber nachdenken, ob eventuell ein Salbu Easyhaler® in Frage kommen könnte. Und auch Symbicort® gibt es als Pulverinhalator.“
Tipp: „Bei der Deutschen Atemwegsliga findet man unter dem Reiter „Inhalieren“ alle Pulver-Inhalatoren und Dosieraerosole aufgelistet. Hier kann man sich auch Filme zur korrekten Anwendung ansehen und dies regelmäßig gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten überprüfen“, so Charrier.
Multimedikation: Dreh- und Angelpunkt ist der Medikationsplan
Grundsätzlich sei Multimedikation ein großes Problem. „20 Prozent aller gesetzlich Versicherten und 40 Prozent der über 65-jährigen Versicherten nehmen mehr als fünf Arzneimittel ein. Und 6,5 Prozent aller Klinikeinweisungen erfolgen aufgrund von Nebenwirkungen!“
Dreh- und Angelpunkt sei der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) – und den sollte man einmal im Jahr überprüfen. „Am besten im zweiten Quartal, also noch vor der ersten großen Hitze“, schlug die Allgemeinmedizinerin aus Bad Kösen vor.
Auch die „Brown-Bag“-Methode sei eine Option: Der Patient oder die Patientin bringt beim Praxisbesuch alle Medikamente mit, die er oder sie einnimmt – auch OTC-Präparate. „Da kommen dann so Dinge wie Dimenhydrinat (Vomex®) auf den Tisch, das ja eine anticholinerge Wirkung hat“, berichtete Charrier.
Das bedeutet: Die Schweißbildung ist reduziert, es kommt zu Mundtrockenheit sowie Schwindel und Müdigkeit, was sich bei Hitze noch verstärken kann. „Und das kriegt man ja im Allgemeinen gar nicht mit, wenn der Patient solche Präparate einnimmt.“
Unverträglichkeiten dokumentieren!
Wichtig sei auch, Unverträglichkeiten zu dokumentieren – einfach, damit nicht der Nächste wieder einen Versuch mit dem Medikament startet oder eine Nebenwirkung mit einem neuen Medikament behandelt wird.
Regelmäßig sollte zudem abgefragt werden, ob sich die Lebenssituation verändert hat und dabei gegebenenfalls auch Angehörige oder der Pflegedienst befragt werden.
Therapieziel und Therapielast sollten immer mit dem Patient besprochen werden. „Manchmal sind dem Patienten andere Therapieziele wichtiger als dem Arzt“, so Charrier. „Das Ziel muss lauten: So wenig wie möglich, so viel wie nötig und so einfach wie möglich.“
Heidelberger Hitzetabelle
Tipp: Zum Einfluss von Arzneimitteln auf die Temperaturregulation und Volumenstatus verwies die Allgemeinmedizinerin auf die Heidelberger Hitzetabelle (diese finden Sie unter www.hausarzt.link/eNpxQ, siehe auch Auszug unten).