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"Rauchende Köpfe"Blankoverordnung: Jetzt auch für häusliche Pflege

Zum 1. Juli tritt die geänderte G-BA-Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege in Kraft, die eine Übertragung der medizinischen und wirtschaftlichen Verantwortung auf Pflegekräfte zulässt. Das ändert sich bei der Verordnung auf Muster 12.

Bestimmte Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege sind jetzt als Blankoverordnung erlaubt.

Nach langen Verhandlungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, dass Pflegefachkräfte bei bestimmten Maßnahmen nach ärztlicher Verordnung selbst über Dauer und Häufigkeit dieser Maßnahmen entscheiden dürfen. Diese Änderung ist bei der häuslichen Krankenpflege nun zum 1. Juli in Kraft getreten. Das entsprechende Verordnungsformular Muster 12 wurde geändert, alte Versionen dürfen seit dem Stichtag nicht mehr verwendet werden.

Wichtig: Bereits ausgestellte Verordnungen behalten ihre Gültigkeit und müssen nicht umgestellt werden.

Risiko geht an Pflegende über

Bemerkenswert: Wie bei der Blanko-Heilmittelverordnung geht damit auch das wirtschaftliche Risiko der Verordnung auf die Pflegefachkräfte oder deren Arbeitgebende über. Welche Maßnahmen blanko verordnet werden dürfen, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Praxishilfe zusammengestellt (s. Linktipp).

Dort finden Sie auch ein Muster des neuen Verordnungsblatts und in der Vordruckerläuterung zusätzliche Hinweise zum Ausfüllen: www.hausarzt.link/s6vN6.

Spannend wird sein, wie die Gematik die ebenfalls zum 1. Juli 2024 geplante elektronische Version der Verordnung umsetzt. Zumal es eher unwahrscheinlich ist, dass bis dahin alle ambulanten Pflegedienste ihrer seit Jahresbeginn bestehenden Pflicht zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) nachgekommen sind und bereits eine KIM-Adresse besitzen.

Vergessen hat man in Berlin in diesem Vorgang leider die Pflegeheime. Abzuwarten bleibt, ob die Blankoverordnung unter diesen Voraussetzungen die erhoffte Entlastung oder Mehrarbeit in Praxen bringen wird.

Was bleibt ärztliche Entscheidung?

Bei der Verordnung an sich ändert sich insoweit nichts, also entscheiden Ärztinnen und Ärzte weiterhin, welche Leistung sie verschreiben. Falls wichtige medizinische Gründe dagegensprechen, sind Häufigkeit und Dauer der pflegerischen Maßnahme anzugeben, heißt es in den Ausfüllhinweisen.

Werden mehrere pflegerische Maßnahmen auf einem Formular verordnet, kann es zur Hybrid-Verordnung kommen. Das bedeutet aber weiterhin: Wenn Sie im oberen Drittel des Formulars Häufigkeit und Dauer angegeben haben, müssen Sie dies bei den einzelnen Maßnahmen nicht noch einmal notieren.

Glücklicherweise findet man sich auch mit der neuen Version des Formulars Muster 12 „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ schnell zurecht. Denn die alte Version wurde nur um die Spalte „Häufigkeit/Dauer von Pflegefachkraft“ mit einem Ankreuzfeld ergänzt. Und zwar dort, wo dies explizit zulässig ist und bei „Sonstigen Maßnahmen der Behandlungspflege“, in die Sie Weiteres eintragen können (Beispiele s. Kasten).

Neu im Formular ist zudem das Feld “SER”. Es ist bei Personen anzukreuzen, bei denen die Verschreibung aufgrund einer anerkannten gesundheitlichen Schädigung erfolgt. SER ist kurz für Soziales Entschädigungsrecht nach SGB XIV.

Grundsätze der Verordnung

Die Verordnung häuslicher Krankenpflege ist nur zulässig, wenn die Betroffenen krankheitsbedingt ärztlicher Behandlung bedürfen und die Pflege Teil dieses Behandlungsplans ist. Daneben ist sie als reine Unterstützungspflege auch zulässig, wenn eine schwere Erkrankung vorliegt oder eine Erkrankung sich akut verschlechtert. Hier allerdings geht es nur um Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Die Unterstützungspflege zielt vor allem darauf, den Menschen nach der Klinikentlassung oder einer ambulanten Op für vier Wochen vorübergehend zu helfen.

Hingegen ist die Krankenhausvermeidungspflege für Fälle gedacht, in denen so ein Klinikaufenthalt verkürzt oder verhindert werden kann. Auch sie ist in der Regel vier Wochen möglich, in begründeten Ausnahmen länger.

Unterstützungspflege ist als Grundpflege oder Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung möglich, jedoch nicht als hauswirtschaftliche Versorgung allein. Anders verhält es sich bei der Krankenhausvermeidungspflege – hier sind alle drei Varianten zulässig. Bei diesen beiden Pflegeformen ist das Formular 12 im unteren Teil nicht intuitiv erfassbar, denn die Kreuzchen bei diesen beiden Maßnahmen sind scheinbar nur der Klinikvermeidungspflege zugeordnet.

Merke: Sie ­beziehen sich aber auch auf die Unterstützungspflege!

Eine weitere Einschränkung gibt es für Menschen mit einem Pflegegrad von 2 oder höher: Für sie ist Unterstützungspflege generell nicht verordnungsfähig.

Wichtig: Eine Verordnung ist auch dann nicht möglich, wenn den Praxen bekannt ist, dass eine im Haushalt lebende Person die Pflege übernehmen kann. Diese Einschränkung gilt auch für einzelne Maßnahmen. Das erklärt etwa die Differenzierung zwischen dem An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen auf dem Formular – letzteres ist Angehörigen in aller Regel zuzumuten. Auf Unkenntnis kann sich eine Praxis dabei nicht berufen, denn die Verordnung setzt voraus, dass Sie sich persönlich von deren Notwendigkeit überzeugt haben oder diese aus der laufenden Behandlung heraus bekannt ist.

Bei der Medikamentengabe ist zu beachten, dass die Richtlinie vorsieht, dass diese „in der Regel“ wöchentlich stattfinden sollte und dabei auch die Einnahme kontrolliert werden soll. Ein längerer Verordnungszeitraum oder eine Medikationsbox dürfte also nur in medizinisch begründeten Ausnahmen von der Kasse genehmigt werden.

Entlastung oder Mehrarbeit?

Die Verordnung pflegerischer Maßnahmen belastet Praxen aktuell mit viel Bürokratie. Angesichts dessen wäre es wünschenswert, wenn die Möglichkeit zur Blankoverordnung – und damit einhergehend die Bestimmung durch die Leistungserbringenden selbst und die Übernahme des wirtschaftlichen Verordnungsrisikos – hier entlasten würde.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob der erhoffte ­Effekt eintreten wird. So sind bisher nur einige Maßnahmen und nicht die komplette häusliche Pflege umfasst, was zu Abstimmungsbedarf mit Pflegenden führen kann.

Andererseits kann man es zum Beispiel positiv sehen, dass die Versorgung chronischer Wunden weiterhin nicht „blanko“ möglich sein wird – dadurch haben die überwiegend von Verbandmittel-Herstellern geschulten „Wundmanager“ keine freie Hand („Der Hausarzt“ 7/24).

Zudem könnte der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen mehr Personal brauchen, um diese Blankoverordnungen und ihre Folgen zu prüfen. Personal, das dann an anderer Stelle in der Versorgung fehlt.

Fazit

Mit der Blankoverordnung für häusliche Pflege ändert sich für Praxen zunächst einmal vor allem das Muster 12 zur Verordnung – in Form neuer Ankreuzfelder. Abzuwarten bleibt, ob unter den aktuellen Rahmenbedingungen und im deutschen Gesundheitswesen oft bruchstückhaften digitalen Prozessen sich die erhoffte Entlastung für Praxen entfalten kann.

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