VerkehrsmedizinKein Rütteln an der Schweigepflicht

Die ärztliche Schweigepflicht ist in der Arzt-Patienten-Kommunikation das höchste Gut. Das hat aktuell der Deutsche Verkehrsgerichtstag unterstrichen – und eine Meldepflicht für fahruntaugliche Menschen abgelehnt. Doch welche Regeln gelten im Praxisalltag überhaupt?

Gerade mit Blick auf Hochbetagte wird die Frage nach der Fahreignung immer wieder aufgeworfen.

Als Natascha N.* mit 53 Jahren ihren ersten epileptischen Anfall hat, ist nicht nur die Diagnose ein Schock. Auch dass sie zwölf Monate auf das Autofahren verzichten soll, wirft die quirlige Frau aus Unterfranken aus der Bahn. “Doch ich habe keine Sekunde an der Ansage meines Hausarztes gezweifelt”, sagt sie. “Ích werde das befolgen, für mein eigenes Wohl ebenso wie das anderer.”

Für Hausärztinnen und Hausärzte ist eine solche Situation Alltag. Es gibt eine Reihe von Diagnosen, bei denen sie das Autofahren – zumindest temporär – verbieten müssen. Dazu gehört die Epilepsie ebenso wie eine Reihe von Herzerkrankungen oder eine neue Insulin-Einstellung (siehe Praxishilfe unten).

Wichtig in der Praxis: Es sollte schriftlich festgehalten werden, dass die Patientin oder der Patient belehrt und ein Fahrverbot ausgesprochen wurde, rät Hausärztin Dipl.-Med. Ingrid Dänschel Kolleginnen und Kollegen mit Blick auf die Rechtssicherheit.

Ob Ärztinnen und Ärzte darüber hinaus verpflichtet sein sollten, fahruntaugliche Patientinnen und Patienten an die Behörden zu melden, hat nun der 61. Deutsche Verkehrsgerichtstag diskutiert – und entschieden verneint.

Gerade mit Blick auf Hochbetagte wird die Frage nach der Fahreignung immer wieder aufgeworfen. Dabei zeigen Daten aus der Schweiz oder skandinavischen Ländern, dass eine altersabhängige generalpräventive Untersuchung keinen Gewinn für die Verkehrssicherheit bedeutet [1].

Wichtiges Signal an die Politik

Der Verkehrsgerichtstag, auf dem Dänschel als Mitglied im Bundesvorstand den Deutschen Hausärzteverband vertreten hat, ist ein eher unbekanntes, aber nicht zu unterschätzendes Gremium: 1.600 Teilnehmende, zum Großteil Juristen, diskutieren dort Ideen für die Gesetzgebung. Auch der Sicherheitsgurt oder Kindersitze wurden hier erstmals empfohlen.

Dass eine ärztliche Meldepflicht in ihrem Arbeitskreis einstimmig abgelehnt wurde, wertet Dänschel daher als wichtiges Signal an die Politik. “Der Schaden für die Arzt-Patienten-Beziehung wäre fatal”, sagt sie (siehe auch Interview unten). Darüber hinaus würde eine solche Auflage durch den Gesetzgeber einmal mehr Arztzeit für das Ausstellen von Attesten und Bescheinigungen statt für die Patientenversorgung verlangen.

Viel wichtiger, plädiert der Beschluss des Verkehrsgerichtstags, sei der Ausbau niedrigschwelliger Angebote wie Fahreignungstests oder Fahrsicherheitstrainings. Gerade Älteren oder Menschen mit früher Demenz könnte das Sicherheit geben, beobachtet auch Dänschel in ihrer Praxis.

Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass Angehörige wichtige Gesprächspartner sein können – sofern dies dem Willen der Betroffenen entspricht und beispielsweise Kinder ohnehin regelmäßig mit im Sprechzimmer sitzen. “Auch bei der Medikamentengabe sind bei Hochbetagten ja oft die Kümmerer mit im Boot”, erinnert sie.

Tipps für die Beratung

Darüber hinaus gibt Dänschel Kolleginnen und Kollegen folgende Ideen rund um die Mobilität an die Hand:

  • Alltagstaugliche Schritte können sein, sich darauf zu einigen, dass nur noch bekannte Strecken oder nur bei Tageslicht gefahren wird. Möglicherweise wird im Gespräch auch erkannt, dass das Abstoßen des Autos – oder ein Teilen mit anderen Familienmitgliedern – Geld sparen kann.
  • Hinweis auf freiwilligen Check-up: Fahrsicherheitstrainings oder “Mobilitätschecks” bieten einige Fahrschulen und TÜV-Stellen an.
  • Evidenzgestützte Kriterien finden sich beispielsweise in der S2-Leitlinie “Diabetes und Straßenverkehr” [2] oder der Pocket-Leitlinie der Deutschen kardiologischen Gesellschaft [3]. Letztlich handelt es sich jedoch immer um eine individuelle Abwägung, die das soziale Umfeld, die Fahrpraxis, örtliche Gegebenheiten und Compliance der Betroffenen einbeziehen muss.

Die Meldung von Extremfällen (siehe Kasten unten) bleibt als Ultima ratio.

Fazit

  • Der 61. Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich Ende Januar einstimmig dagegen ausgesprochen, eine ärztliche Meldepflicht für fahruntaugliche Patientinnen und Patienten einzuführen.
  • Der Deutsche Hausärzteverband hat diese Position vor Ort vertreten und vor einem Aushöhlen der Schweigepflicht gewarnt. Außerdem müsse die wertvolle Arztzeit in die Patientenversorgung und nicht in das Ausstellen von Attesten und Bescheinigungen fließen.
  • Stand heute dürfen Extremfälle bereits gemeldet werden, wenn beispielsweise eine Gefahr für das Leben anderer besteht

* Vollständiger Name liegt der Redaktion vor.

Quellen:

1. Road safety in the aging society (CONSOL), 2013.

2. www.hausarzt.link/KqPnE

3. www.hausarzt.link/Q6gub

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