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127. Deutscher Ärztetag – RandnotizBitte nicht zu revolutionär!

Der Deutsche Ärztetag macht vor, wovon Hausärztinnen und Hausärzte träumen: Digitalisierung, die Prozesse wirklich effizienter macht. Die Delegierten sagen ade zu den gelben Abstimmungskärtchen – stemmen sich aber gegen weitere Neuerungen. Eine persönliche Randnotiz aus der Messehalle.

Der Deutsche Ärztetag ist vor allem ein Abstimmungsmarathon: Vorträge von Gastreferenten, eine mehr oder weniger emotionale Aussprache mit mehr oder weniger langer Rednerliste – und dann, final, das Abstimmen der entsprechenden Beschlüsse. Same procedure as every year. Nur fehlt in diesem Jahr ein entscheidendes Detail: die gelben Abstimmungskärtchen, die die Delegierten bis dato Beschluss für Beschluss in die Höhe streckten.

Erstmals stimmen die Delegierten in diesem Jahr online über die Anträge ab. Zyniker könnten sagen: Nun haben die iPads vor den Delegierten auch endlich eine Berechtigung.

Man könnte jedoch auch sagen, dass der Ärztetag dem Bundesgesundheitsministerium vormacht, wie es gehen kann. Denn die Online-Abstimmungen erleichtern das Prozedere tatsächlich: Die Abstimmungen laufen schneller über die Bühne, und auch bei knappen Entscheidungen ist kein zeitraubendes und im schlimmsten Falle ungenaues Nachzählen nötig. Genau das wünschen sich auch Hausärztinnen und Hausärzte: eine reibungslose Technik, die den Praxisalltag effizienter und einfacher macht.

Doch halt! Allzu revolutionär soll es auch auf dem Deutschen Ärztetag nicht werden. Der Vorschlag, auch die Wahlen zum neuen BÄK-Vorstand online durchzuführen, sei bei den Delegierten so auf Skepsis gestoßen, dass man die Idee verworfen haben, sagt Wahlleiter Prof. Frank Ulrich Montgomery.

Auch haben die Delegierten den Versuch eines „interaktiveren“ Formats mit externem Moderator und Spontanbefragungen in den Sitzreihen am Mittwoch (17. Mai) hinter den Kulissen so deutlich abgeschmettert, dass BÄK-Chef Dr. Klaus Reinhardt nur zwei Stunden später verkünden musste: „Ich sehe ein, das Format ist nicht gut angekommen. Wir werden es nicht wieder tun.“ Die ärztliche Einschätzung wird wahrgenommen – auch hier könnte sich Vorbildcharakter fürs Gesundheitsministerium zeigen.

Dabei hätte der Deutsche Ärztetag nach den Jahren der Pandemie durchaus die Chance gehabt, sich – in Teilen und dabei die Ernsthaftigkeit des ärztlichen Parlaments wahrend – zu erneuern, neue Formate zu finden, die langen Sitzungstage in den Messehallen aufzulockern. Die Wahlen zügiger ablaufen zu lassen. Und nicht zuletzt die Konzentration abschweifender Delegierter zurückzugewinnen. Hätte die Quintessenz aus den misslungenen ersten Gehversuchen nicht auch lauten können, an Format und einberaumtem Zeitfenster zu feilen statt komplett “sitzen” zu bleiben?

Viel lieber wollen die Delegierten scheinbar in ihrem gewohnten Abstimmungsmarathon verharren: Namen auf die Rednerliste setzen, ab an den Rednerpult, Rede, Antrag auf Redezeitbegrenzung, kürzere Rede, Antrag auf Ende der Rednerliste, weitere Rede, Online-Abstimmung. Doch welch ein Glück: Für technische Pannen – oder nostalgische Gefühle – liegen die gelben Kärtchen weiterhin bereit.

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