Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL)Wichtige Neuerungen zur Arzneiverordnung

Was zahlt die Krankenkasse? Die Antwort ist oft in der Arzneimittel-Richtlinie zu finden. Doch mit dieser fühlen sich viele Ärztinnen und Ärzte nicht vertraut, zeigt eine Umfrage. Im Praxisalltag hilft ihnen nicht nur die Richtlinie selbst, sondern auch deren Anlagen, das Regressrisiko zu senken.

Viele Ärzte sind unsicher im Umgang mit der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Das zeigt eine Umfrage des DeutschenArztPortals (Abb. 1). Dabei gaben 40 Prozent der 319 teilnehmenden Ärzte an, dass sie nicht sicher sind, ob sie die Grundsätze der Richtlinie kennen. 21 Prozent sind nicht mit ihnen vertraut [1].

Grundsätzlich stehen in Deutschland apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel unmittelbar nach ihrer Zulassung für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung und können, wenn keine gesetzlichen Gründe für einen Ausschluss vorliegen, von Ärzten auf einem Kassenrezept verordnet werden [2].

Erst nach dem Markteintritt setzen verschiedene Regulierungsmechanismen ein, die etwa den Nutzen, die Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittel prüfen. Diese Aufgabe übernimmt der G-BA über die frühe Nutzenbewertung neuer Wirkstoffe, die Bildung von Festbetragsgruppen sowie den Erlass von Therapiehinweisen, Verordnungseinschränkungen oder Regeln zum Austausch von wirkstoffgleichen Arzneien [2].

Aufbau der Arzneimittel-Richtlinie

Die AM-RL regelt die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung. Ihr allgemeiner Teil legt die gesetzlichen Grundlagen zum Umfang und zu den Grenzen des Leistungsanspruchs, die Voraussetzungen zur Arzneiverordnung sowie die Dokumentation fest. Auch finden sich hier Sonderregeln zur Corona-Pandemie.

Der besondere Teil umfasst Vorgaben, welche Arzneimittel zulasten der GKV verschrieben werden dürfen und welche nicht, zum Beispiel Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse, die Verordnungsfähigkeit von enteraler Ernährung und Medizinprodukten sowie Off-Label-Use. Viele Anlagen ergänzen die AM-RL: Sie konkretisieren die Vorgaben des besonderen Teils (Tab. 1).

Die Richtlinie im Praxisalltag

Viele Regelungen der AM-RL wenden Ärzte bei der täglichen Verordnungspraxis selbstverständlich an: So wird einem Erwachsenen mit einem leichten grippalen Infekt in jeder Hausarztpraxis das benötigte abschwellende Nasenspray auf einem grünen Rezept verordnet, während ein zehnjähriges Kind dafür ein Kassenrezept erhält.

In anderen Fällen ist die Entscheidung nicht so einfach, zum Beispiel bei der Frage: In welchen Fällen darf ein nicht verschreibungspflichtiges Abführmittel für Erwachsene auf einem Kassenrezept verordnet werden? Die Antwort gibt Anlage I der AM-RL, die OTC-Übersicht (Tab. 2). Sie regelt, wann apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneien ausnahmsweise zulasten der GKV zu verordnen sind.

Auch andere Vorgaben der AM-RL sind von großer Bedeutung, kann es doch zu Prüfanträgen und Regressen kommen, wenn Ärzte diese nicht einhalten. Um dies zu vermeiden, sollten sie besonders die in Anlage III genannten Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse beachten.

Neue Vorgaben für Biologika und Biosimilars

2020 hat der G-BA zudem Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnung von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln (Biologika) in die AM-RL aufgenommen (“Der Hausarzt” 15/20). Demnach sollen Ärzte zu Beginn einer Therapie wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Arzneimittel wählen.

Sofern vorhanden, ist dies in der Regel ein Biosimilar. Auch unter einer laufenden Therapie sollen Ärzte prüfen, ob auf ein preisgünstiges Biosimilar umgestellt werden kann. Wichtig: Bestehen Rabattverträge, müssen Ärzte nicht die Kosten vergleichen, da die Wirtschaftlichkeit der Verordnung bereits gesichert ist [3].

Die neue Anlage VIIa soll Ärzte über den Zulassungsstatus von Biologika und deren Biosimilars informieren. Sie soll im Laufe von 2021 fertig sein. Biosmiliars können Ärzte ab Markteintritt verschreiben, auch wenn diese noch nicht in der Anlage gelistet sind. Das DeutscheArztPortal bietet zu Biologika und Biosimiliars bereits jetzt eine Übersicht (www.hausarzt.link/zDTcy).

Bis August 2022 wird der G-BA den Austausch von Biologika in der Apotheke regeln [3].

Verbandmittelbegriff konkretisiert – mit Folgen

Ebenfalls 2020 hat der G-BA Verbandmittel in der AM-RL konkretisiert. Was nicht bedeutsam klingt, hat durchaus Folgen für die Erstattungsfähigkeit von Wundprodukten. Künftig bleiben nur “klassische” Verbandmittel und Fixiermaterialien sowie Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften unmittelbar zulasten der GKV verordnungsfähig.

Zu den ergänzenden Eigenschaften zählen zum Beispiel das Feuchthalten und Reinigen der Wunde oder das Vermindern von Gerüchen, wenn dabei keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung verursacht wird [4,5].

Anders sieht es bei Produkten zur Wundbehandlung aus, die eine solche pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise besitzen und damit aktiv die Wundheilung beeinflussen. Diese “sonstigen Produkte zur Wundbehandlung” zählen nicht mehr zu den unmittelbar verordnungsfähigen Verbandmitteln.

Ärzte können sie erst verschreiben, wenn sie eine Prüfung des medizinischen Nutzens durch den G-BA mit einem positiven Ergebnis durchlaufen haben. Die konkret verordnungsfähigen “sonstigen Produkte zur Wundbehandlung” listet zukünftig Anlage V der AM-RL [4,5].

Damit keine Versorgungslücken entstehen, wurde eine Übergangsregelung getroffen: Für zwölf Monate nach dem Inkrafttreten des Beschlusses (2. Dezember 2020) haben Versicherte weiter Anspruch auf Versorgung mit den entsprechenden Produkten, wenn diese bereits vor dem 11. April 2017 verordnungsfähig waren [4,5].

Der aktuelle Entwurf zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) sieht aber vor, diese Frist zu verlängern [6].

Literatur:

  1. Umfrage im Praxis-Newsletter des DeutschenArztPortals vom 05.01.2021 bis 11.01.2021
  2. Gemeinsamer Bundesausschuss, Arzneimittel-Richtlinie und Anlagen (https://www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/, zuletzt aufgerufen am 30.12.2020)
  3. Gemeinsamer Bundesausschuss, Pressemitteilung vom 20.08.2020 „Biologische Arzneimittel: G-BA beschließt Hinweise für eine wirtschaftliche Verordnungsweise von Biologika und Biosimilars“
  4. Gemeinsamer Bundesausschuss, Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung (https://www.gba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/verbandmittel-wundbehandlung/, zuletzt aufgerufen am 30.12.2020)
  5. Gemeinsamer Bundesausschuss, Pressemitteilung vom 20.08.2020 „G-BA konkretisiert Begriff eines Verbandmittels in Abgrenzung zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung“
  6. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG), Kabinett: 16.12.2020
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