Hausarzt MedizinSchäden am Herzen jenseits der KHK

Diabetes mellitus Typ 2 führt zu weitreichenden Schäden im kardiovaskulären System. Ein Algorithmus kann helfen, eine Herzinsuffizienz frühzeitig zu erkennen.

Bei etwa 7 Prozent der Bevölkerung ist ein Diabetes bekannt, 90 Prozent von ihnen leiden an einem Diabetes mellitus Typ 2. Gut die Hälfte der Erkrankten ist über 65 Jahre alt. Schätzungsweise leben aktuell zwischen 50 und 60 Millionen Diabetiker in Europa. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Erkrankten weltweit auf über 550 Millionen Patienten ansteigen.

Das klinische Bild des Diabetes mellitus Typ 2 wird durch Insulinresistenz, erhöhte Blutzuckerspiegel oder eine kompensatorische Hyperinsulinämie geprägt. Die Insulinresistenz begünstigt dabei nicht nur Fettleibigkeit und atherogene Fettstoffwechselstörungen, sondern auch ein insgesamt prothrombotisches Umfeld sowie eine gestörte Funktion der Blutplättchen. Vaskuläre Entzündungsmechanismen, oxidativer Stress und endotheliale Dysfunktion sowie eine Makrophagenaktivierung bilden wesentliche Kräfte hinter dem Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen.

Im klassischen Verständnis prägen makrovaskuläre Komplikationen wie die koronare Herzerkrankung (KHK) häufig die Klinik. Doch auch jenseits der KHK verursacht der manifeste Diabetes mellitus Typ 2 eine Reihe von Endorganschäden und ernst zu nehmende Effekte im kardiovaskulären System. Hierzu zählen nicht nur die extrakardialen Manifestationen atherosklerotischer Erkrankungen von der arteriellen Verschluss­erkrankung bis hin zu zerebrovaskulären Ereignissen, sondern auch mannigfaltige­ Schäden z. B. an Niere, peripheren Nerven und am Herzen. Insbesondere die arterielle Hypertonie, die Hyperlipoproteinämie oder Adipositas sowie deren kombiniertes Mischbild des metabolischen Syndroms bilden im Wechselspiel mit dem Diabetes mellitus Typ 2 einen gewichtigen und sich gegenseitig bedingenden Risikofaktor.

Epidemiologische Studien legen zudem eine­ erhöhte Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 nahe: Die Diagnose wird bis zu viermal häufiger bei diesen Patienten gestellt – und in vielen Fällen ist das klinische Bild nicht durch eine koronare Herzerkrankung zu erklären.

Wiederholt konnte ein linearer Zusammenhang von Blutzuckerspiegeln auch schon bei Prädiabetes und dem Auftreten von mikrovaskulären Komplikationen oder Herzinsuffizienz demonstriert werden. Auch bei Patienten mit einer etablierten Herzinsuffizienz ist ein erhöhter HbA1c mit einem größeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse vergesellschaftet, doch es bleibt letztlich unklar, ob und inwieweit eine strenge Blutzuckereinstellung sich hier prognostisch günstig auswirkt. Bereits einzeln betrachtet sind die Diagnosen Diabetes mellitus Typ 2 und Herzinsuffizienz pro­gnostisch bedeutsam. Im Vergleich zu Patienten, die lediglich an Herzinsuffi­zienz leiden, erhöht die Kombination­ mit Diabetes mellitus das Sterblichkeitsrisiko um das 1,5 bis 2-Fache.

Diagnostik

Sicherlich ist die diabetische Kardiomyopathie eine der wesentlichen Differenzialdiagnosen bei Diabetikern. In Verbindung mit den typischen Symptomen (z.B. belastungsabhängige Luftnot, Müdigkeit, Orthopnoe, Ödeme) und Zeichen (z. B. dritter Herzton, hepatojugulärer Reflux, apparente Stauung der Jugularvenen oder periphere Ödeme) ist die Verdachtsdiagnose einer Herzinsuffizienz zu stellen. Das Vorhandensein eines Diabetes mellitus erhöht die Wahrscheinlichkeit einer positiven Dia­gnose Herzinsuffizienz. Dieses Wissen lässt die europäische Gesellschaft für Kardiologie in einen diagnostischen Algorithmus einfließen (Abbildung 1).

Erster Schritt in der hausärztlichen Praxis bleiben daher die sorgfältige Anam-nese, die körperliche Untersuchung und das Elektrokardiogramm. Wo etabliert, sollen labormedizinische Untersuchungen wie die Bestimmung von natriuretischen Peptiden durchgeführt werden. Die ultraschallgestützte Bildgebung ist ein wesentliches Werkzeug der weiteren Diagnostik. Weitere invasive und nichtinvasive Untersuchungen erfordern in der Regel die Einbeziehung einer ambulanten oder stationären Kardiologie.

Die Diagnose der diabetischen Kardiomyopathie kann angesichts einer gesicherten ventrikulären Dysfunktion und nach Ausschluss einer arteriellen Hypertonie oder koronaren Herzerkrankung gestellt werden.

Therapie der Herzinsuffizienz

Die Therapie ist bei Diabetikern insbesondere im Hinblick auf eine bestehende Herzinsuffizienz im Sinn einer kardiovaskulären Beteiligung mit Bedacht zu wählen. Hinsichtlich der Therapie unterscheidet die aktuelle ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz neuerdings drei Krankheitsentitäten (Tab. 1).

Bei Herzinsuffizienz mit mittelgradiger oder erhaltener systolischer linksven­tri­kulärer Funktion empfehlen die Leitlinien das besondere Screening für kardiovaskuläre und nicht kardiovaskuläre Komorbiditäten. Sichere und effektive­ Therapien sollten zur Verbesserung der Symptome, des Wohlbefindens und der Prognose eingesetzt werden. Zur Behandlung und Kontrolle der Symptome der Herzinsuffizienz werden hier lediglich Diuretika empfohlen.

Für die Behandlung der Herzinsuffizienz­ mit reduzierter linksventrikulärer Funk­tion besteht ein weitläufiges, medikamentöses Armentarium, das zunächst auf der Gabe von ACE-Hemmern oder bei Kontraindikation/Unverträglichkeit derselben von Angiotensinrezeptorblockern und Betablockern fußt. Während die prognostischen Effekte der gängigsten kardioselektiven ­Betablocker vergleichbar sind, wurden z. B. zwischen Carvedilol und Metoprolol unterschiedliche Effekte im Hinblick auf die diabetische Kontrolle der Patienten beschrieben. Bei weiterhin symptomatischen Patienten mit einer linksventrikulären Auswurffraktion von höchstens 35 Prozent soll ein Mineralokortikoid­rezeptorantagonist (z. B. Spironolacton) ­ergänzt werden.

Wesentliche Neuerung der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz bildet die weitergehende Option einer ­kombinierten, den ACE-Hemmer oder Angiotensin­rezeptorblocker ersetzenden Therapie durch ­Angiotensinrezeptorblockade und Neprilisin­inhibition (ARNI). Hierfür steht derzeit lediglich Sacubitril/Valsartan zur Verfügung. In der Zulassungsstudie PARADIGM-HF wurden auch Subgruppenanalysen von Patienten mit bzw. ohne Diabetes mellitus Typ 2 durchgeführt. Dabei zeigt sich für beide Gruppen ein vergleichbarer relevanter Zusatznutzen (Prognoseverbesserung) von Sacubitril/­Valsartan gegenüber Enala­pril. Im weiteren Verlauf der Herzinsuffizienz wird sicherlich auch der Bedarf einer maßgeschneiderten Therapie vermehrt deutlich.

Antidiabetische Therapie

Die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 ist hier sicherlich eines der relevantesten Therapieziele. Die antidiabetische Therapie selbst erfordert besondere Sorgsamkeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Aus Sicht des Kardiologen sollte eine antidiabetische Therapie besonders vorsichtig und schrittweise eingeleitet und eskaliert werden.

Nach dem derzeitigen Verständnis und entsprechend aktueller Leitlinien ist Metformin zur Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus Typ 2 hierfür eine sichere und effektive Wahl. Sulfonylharnstoffe sind mit dem erhöhten Risiko einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz assoziiert, sie sollten nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Glitazone verursachen eine Natrium- und Wasserretention und sind sowohl mit einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz als auch mit einer vermehrten Hospitalisierung assoziiert, sie werden daher bei Herzinsuffizienz eindeutig nicht empfohlen.

In Bezug auf die kardiovaskuläre ­Sicherheit von Gliptinen und langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten stehen derzeit keine ausreichenden Studienergebnisse zur Verfügung.

Humaninsuline bergen die Gefahr einer vermehrten Natriumretention, die gepaart mit einer verminderten Glukosurie eine Flüssigkeitsretention begünstigen kann. Im Kontext der symptomatischen Herzinsuffizienz erfordert dies besondere Aufmerksamkeit.

Studienergebnisse der jüngsten Zeit zeigen, dass eine Therapie mit Empagliflozin, einem Inhibitor des Natrium-Glukose-Kotransporters 2 (SGCT2), unabhängig von der zusätzlichen antidiabetischen Medikation mit verminderten Krankenhausaufenthalten aufgrund einer symptomatischen Herzinsuffizienz sowie einer reduzierten Sterblichkeit einhergeht.

Fazit

  • Diabetes mellitus Typ 2 hat in der klinischen Praxis eine erhebliche epidemiologische und prognostische Relevanz.

  • Jenseits von makrovaskulären Komplikationen (z. B. KHK) verursacht der Diabetes mellitus Typ 2 viele weitere Endorganschäden.

  • Diabetische Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz sind wichtige Folgeerkrankungen bzw. Komorbiditäten.

  • Metformin ist aus Sicht des Kardiologen die erste therapeutische Wahl bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und stabiler, moderat symptomatischer Herzinsuffizienz.

  • Empagliflozin ist ein vielversprechendes orales Antidiabetikum mit nachgewiesenen positiven Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System einschließlich Herzinsuffizienz.

Literatur

  • 1 Stratton IM et al. Association of glycaemia with macrovascular and microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS 35): prospective observational study. BMJ 2000;321:405-412

  • 2 Ponikowski P et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J (2016) 37 (27): 2129-2200.

  • 3 Rydén L et al. 2013 ESC Guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD. The Task Force on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and developed in collaboration with the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Eur Heart J. 2013 Oct;34(39):3035-87.

  • 4 Nationale Versorgungs-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. November 2014. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-001gl_S3_Typ-2-Diabetes-Therapie_2014-11.pdf. AWMF-Register:Nr.: nvl-001g.

Mögliche Interessenkonflikte:

Frank Edelmann ist Leiter der klinischen Prüfung und Prinicipal Investigator zahlreicher klinischer Studien im Bereich Prävention und Herzinsuffi­zienz mit öffentlicher und industrieller Förderung. Er hat Aufwandsentschädigungen, Honorare, Forschungsförderung, Sponsoring und Reisekosten von zahlreichen Unternehmen erhalten.

Tobias Daniel Trippel hat Aufwandsentschädigungen, Honorare­ und ­Reisekosten von zahlreichen ­Unternehmen erhalten.

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