DGPPN-Kongress BerlinPsychiatrie für den Hausarzt

Wie wirken sich Arbeits-, Alltags- und die soziale Lebenswelt auf die psychische Gesundheit aus und welche Rolle spielen gesellschaftliche Entwicklungen, Digitalisierung und fortschreitendes Alter aber auch individuelle Anlagen? Das waren die zentralen Themen des DGPPN-Kongresses (27.-30.11.2019 in Berlin).

Früherkennung beim Hausarzt

Die Früherkennung affektiver Störungen ist insbesondere im Hinblick auf die mit ihnen potenziell einhergehenden schweren Beeinträchtigungen wichtig. Sie stellt aber eine große und auch oftmals schwierige Herausforderung dar, vor allem bei Jugendlichen, bei denen die Symptome einer affektiven Störung häufig unspezifisch sind. Nicht selten wird eine somatische Beschwerdesymptomatik geklagt und aus Scham werden die psychischen Beschwerden verschwiegen. Ein frühes Erkennen der Erkrankung ist aber essenziell, um möglichst früh eine Intervention einleiten zu können. Da die meisten psychischen Störungen erstmals in der hausärztlichen Praxis auffallen und diagnostiziert werden, kommt hier der Rolle des Hausarztes eine zentrale Bedeutung zu.

(Detlef Dietrich, Rinteln)


Alkohol

Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) sind eine Gruppe von Entwicklungsstörungen bei Kindern, die durch eine intrauterine Alkoholexposition über die Mutter verursacht sind. In Deutschland geht man von einer Prävalenz von einem Prozent aus. FASD geht über die gesamte Lebensspanne mit erheblichen neurokognitiven Funktionsbeeinträchtigungen sowie Defiziten im Sozialverhalten, der Impulsregulation und der Funktionsfähigkeit im Alltag einher. Auch dürften der Substanzkonsum, substanzbezogene Störungen und weitere komorbide Störungen bei FADS-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht sein. Auch treten sekundäre Probleme wie Schulabbrüche, Arbeits- und Obdachlosigkeit oder Konflikte mit den Gesetzen häufiger auf.

(Jessica Wagner, Berlin)


Stigmatisierung

In Deutschland sind über vier Millionen Menschen an einer Depression erkrankt. Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen scheint die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zuzunehmen. Das Merkmal “Depression” wird häufig in einem Zusammenhang mit negativen Bewertungen genannt: Schwach, unberechenbar, gefährlich und selbst schuld. Aber auch bei der Schizophrenie und bei ADHS ist die Stigmatisierung weiterhin ein großes Problem.

(Nele Göpfert, Mannheim)


Pflegeheim

Depressionen sind neben demenziellen Erkrankungen die häufigste Erkrankung des Alters. Die Prävalenz depressiver Störungen von Menschen in Pflegeheimen ist nahe doppelt so hoch im Vergleich zu Personen, die nicht in einer Pflegeeinrichtung untergebracht sind. In der hausärztlichen Versorgung erhalten aber nur weniger als die Hälfte der Betroffenen eine adäquate Therapie.

(Arthur Schall, Frankfurt a.M.)


Klimaveränderungen

Die Forscher sind sich einig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für die Gesundheit, gerade auch der psychischen Gesundheit; denn die direkte und indirekte Erfahrung von Katastrophen im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und Wetterextremen kann Stress und Ängste verursachen und dadurch zu psychischen Erkrankungen führen.

Dazu kommt, dass langfristige Auswirkungen des Klimawandels wie beispielsweise klima-bedingte Bevölkerungsmigration, Nahrungsmittelknappheit, schlechte Nahrungsmittelqualität, eine Zunahme übertragbarer Krankheiten, Luftverschmutzung, Verlust von Arbeitsplätzen und Verlust der sozialen Unterstützung ebenfalls negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Menschen mit bereits bestehenden psychischen Erkrankungen sind besonders vulnerabel für die Folgen des Klimawandels.

(Andreas Heinz, Berlin)


Vernetzung

Die Versorgung psychisch kranker Menschen findet nach wie vor und vielfach hauptsächlich in der Hausarztpraxis statt. Nur der geringere Anteil der Patienten wird fachärztlich psychiatrisch oder ambulant psychotherapeutisch behandelt. Oft obliegt es Zufällen und nicht dem Behandlungsbedarf und dem Schweregrad der Erkrankung, wie die Vernetzung der Behandelnden verläuft. Aber eine enge Kooperation und Vernetzung ist unabdingbar. Doch in vielen Fällen gelingt die reale Versorgung jenseits der idealtypisch gedachten auch besser als vermutet.

(Ilka Aden, Braunschweig)


Freiwilliger Nahrungsverzicht

Das Thema “Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit” berührt medizinische, juristische und ethische Aspekte. Für den begleitenden Hausarzt stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Bewertung. Bei einer Befragung gaben 62 Prozent der palliativ tätigen Hausärzte an, in den letzten fünf Jahren zumindest einen Patienten beim freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) begleitet zu haben. FVNF einer einwilligungsfähigen Person ist etwas anderes als die Beendigung einer künstlichen Ernährung. FVNF ermöglicht ein selbstbestimmtes Sterben, die Entscheidung ist reversibel, Angehörige können Abschied nehmen und für den Arzt ist das juristische Risiko geringer. Doch der Tod tritt erst nach einer relativ langen Zeit ein.

Ist FVNF Suizid?

Im Unterschied zum Suizid fehlt die gewaltsame Einwirkung von außen und das Vorgehen ist wohlerwogen und nicht impulsiv. FVNF ist eine Form des passiven Suizids, ähnelt mehr dem natürlichen Sterben. FVNF und Suizid sollten als zwei Ausdrucksformen des Wunsches nach vorzeitigem Lebensende gewertet werden, die ähnlich zu behandeln sind.

Bei entsprechendem Wunsch des Patienten sollten zunächst alternative Handlungsmöglichkeiten erörtert werden. Man sollte fragen: Welche Not steht hinter diesem Wunsch? Gibt es andere Möglichkeiten, diese Not zu lindern? Beruht der Wunsch auf einer wohlüberlegten Entscheidung? Können Einflüsse wie eine psychische Krankheit oder sozialer Druck ausgeschlossen werden? Doch reversible Ursachen einer unzureichenden Nahrungsaufnahme müssen immer ausgeschlossen sein. Wenn dies alles beantwortet ist, sollte die Entscheidung des Patienten bei Lebenssattheit respektiert werden. Dies beinhaltet auch die Pflicht der Sterbebegleitung mit dem Ziel der Symptomlinderung, nicht aber, um die Selbsttötung zu fördern. Die ärztliche Garantenpflicht zur Suizidintervention entfällt, denn die Alternative wäre die Zwangsernährung, zu der der Patient sein Einverständnis erteilen müsste.

Wie sieht das der Jurist?

Jeder Patient hat das Recht, unerwünschte Maßnahmen abzulehnen, es gibt keine Pflicht zu leben. Entscheidend sei, dass die Tathoheit beim Patienten liegt und dies ist bei FVNF gegeben. Ansonsten wäre es Tötung auf Verlangen, also ein Tötungsdelikt. FVNF impliziert auch nicht den Tatbestand einer Tötung durch Unterlassen, ist also kein assistierter Suizid, sondern ein natürlicher Tod. Und so sollte man auch den Totenschein ausfüllen.

(Diskussionsforum)

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