KongressberichtPalliative Versorgung: Wo stehen wir heute?

Die Pandemie hat die Situation in der palliativen Versorgung deutlich verschärft: Die Anzahl an Palliativstationen ist bundesweit rückläufig und auch der ambulante Bereich stagniert oder verzeichnet Rückschritte. Was könnte die Lösung für das Problem sein? Das diskutierten Experten beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Betreuung von Palliativpatienten: SAPV-Teams sind oft nur in größeren Städten zu finden.

Wie Prof. Wolfgang Hoffmann aus Greifswald anhand von Versichertendaten darlegte, gibt es bei der palliativmedizinischen Versorgung deutliche regionale Unterschiede. So liegt der Anteil an Versicherten, die in den letzten sechs Lebensmonaten eine palliativmedizinische Leistung erhielten, in einigen Landkreisen bei ≤30 Prozent, in anderen hingegen bei >45 Prozent. Gleiches gilt für spezialisierte palliativmedizinische Leistungen.

Am Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern verdeutlichte Hoffmann die aktuelle Situation. Insgesamt verteilt sich die Hospiz- und Palliativversorgung in diesem Bundesland auf die Palliativstationen, das SAPV (spezialisiertes ambulantes Palliativversorgungs)-Team, stationäre Hospize, Oberzentren sowie Ärzte mit einer Zusatz-Weiterbildung für Palliativmedizin.

Zwischen 2014 und 2017 reduzierte sich die palliativmedizinische Versorgung um 12 Prozent. “Der Hauptgrund dafür ist, dass 10 Prozent weniger Hausarztpraxen allgemeine palliativmedizinische Leistungen angeboten haben, obwohl der Bedarf in der gleichen Zeit anstieg”, berichtete Hoffmann. Die Corona-Pandemie hat die Defizite noch verschärft.

Versorgung ist wohnortabhängig

Da die SAPV-Teams oft nur in größeren Städten zu finden sind, hängt die Versorgung davon ab, wo die Patienten wohnen. Teilweise können stationäre Palliativstationen den Mangel an SAPV ausgleichen (oder umgekehrt die SAPV-Teams den Mangel an stationären Palliativstationen), allerdings gibt es in weiten Bereichen des Landes weder die eine noch die andere Anlaufstelle.

Insgesamt deuten die Versichertendaten darauf hin, dass die stationäre palliativmedizinische Versorgung in der Stadt besser ist als in ländlichen Regionen.

Wie zu erwarten, behandeln die SAPV-Teams insbesondere Patienten aus der näheren Umgebung. Erstaunlich ist laut Hoffmann jedoch, dass die Versorgung von Patienten, die mehr als 50 Kilometer von der SAPV-Station entfernt wohnen, nur noch von Pflegekräften geleistet wird, nicht jedoch von Ärzten.

Bei genauerer Betrachtung sei dies nachvollziehbar. “Denn die Kollegen sollen ja nicht den ganzen Tag im Auto verbringen”, sagte Hoffmann. Zugleich offenbart der Umstand die zu geringe Dichte an SAPV-Stützpunkten.

Nahtlose Anschlussbehandlung?

Macht es einen Unterschied, wie spezialisiert die Patienten behandelt werden? Offensichtlich schon, denn 88,7 Prozent der Patienten, die in einer spezialisierten Palliativstation behandelt wurden, erhalten innerhalb von zwei Wochen eine Anschlussbehandlung durch ein SAPV-Team, gegenüber 81,3 Prozent der in einer allgemeinen stationären Einrichtung behandelten Patienten.

“Unsere Daten sprechen dafür, dass es auch in der Zeit vor ihrem Tod bei vielen Patienten nicht nahtlos mit der ambulanten palliativen Behandlung weitergeht”, berichtete der Versorgungsepidemiologe.

Umgekehrt erhalten zahlreiche Patienten, die zuvor eine allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) oder eine SAPV erhielten, im Krankenhaus keine palliative Behandlung vor ihrem Tod. Hier ist jedoch zu bedenken, dass eine Sterbebegleitung nicht automatisch eine palliative Behandlung auslöst.

Telemedizinische Palliativversorgung

“Als wir im Jahr 2010 ein erstes Pilotprojekt zur telemedizinischen Palliativversorgung starteten, hielten das viele Experten für absurd”, berichtete Hoffmann. Doch nach den Erfahrungen der letzten Jahre hat sich die Einstellung zur Telemedizin verändert.

Im Pilotprojekt bestand die Intervention in regelmäßigen Telefonanrufen und Hausbesuchen durch Palliativ-Care Pflegekräfte. Dabei wurden die Schmerz- und Symptombelastungen erhoben sowie persönliche oder organisatorische Probleme besprochen. Als Kontrolle dienten Palliativpatienten, die lediglich Hausbesuche und keine Anrufe erhielten.

Wie die Analyse der Daten zeigte, brachen nur sehr wenige Patienten (13,6 Prozent) das Projekt ab. “Viele fanden es interessant und blieben dabei, so lange es ihnen möglich war”, so Hoffmann. Die Patienten (n=22) litten insbesondere unter Schmerzen, aber auch unter Müdigkeit, Schwäche, Dyspnoe, Übelkeit, Angst und Obstipation.

Anhand einzelner Fallbeispiele verdeutlichte Hoffmann, dass sich die Schmerzen nach den Telefonaten reduzierten und die Patienten weniger Bedarfsmedikation benötigten. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren überwiegend positiv.

Hoffmann zufolge könnten regelmäßige Telefonanrufe eine machbare und sinnvolle Ergänzung zur Betreuung der Patienten darstellen. Vor allem vor dem Hintergrund fehlenden Personals und weiter Anfahrtswege. In einem weiteren Schritt soll nun anhand einer randomisierten prospektiven Studie erforscht werden, was sich mit einer telemedizinischen Verbindung erreichen lässt beziehungsweise in welchen Fällen eine Betreuung vor Ort erforderlich ist.

Visionen für die Palliativforschung

“Wir müssen versuchen, das aktuelle Niveau der Forschung aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen”, betonte Prof. Claudia Bausewein, München. Inhaltlich ist die Palliativforschung auf einem guten Weg, eine Herausforderung stellt allerdings die öffentliche Förderung dar.

“Wir leiden momentan alle darunter, dass es kaum noch Fördermittel gibt”, erklärte Prof. Christoph Ostgathe, Erlangen. Dazu kommen diverse Regularien. Ostgathe berichtete in diesem Zusammenhang von einer retrospektiven Studie zur Sedierung am Lebensende, für deren Genehmigung der Datenschutzbeauftragte eine Einverständniserklärung forderte.

Auch aufgrund des Arzneimittelgesetzes sei es kaum noch möglich, als Forscher selbst eine Studie zu initiieren, monierte Ostgathe und plädierte für eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit der medizinischen Fakultäten.

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