WissenschaftAspartam und Krebsrisiko – Was über den Süßstoff bekannt ist

Der Süßstoff Aspartam wird in vielen Getränken und Speisen verwendet. Nun gilt er als «möglicherweise krebserregend». Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finden die Einstufung vage und teils problematisch

Die WHO hat den Süßstoff Aspartam als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. Wissenschaftler sehen das kritisch.

Genf. Ist der Süßstoff Aspartam in Diät-Cola oder Kaugummi möglicherweise krebserregend? Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC)  – der Krebsforschungszweig der Weltgesundheitsorganisation (WHO)  – sagt: ja. Gleichzeitig gibt die WHO aber Entwarnung: Wer die geltenden Empfehlungen für Höchstmengen am Tag nicht überschreite, setze sich keiner höheren Krebsgefahr aus, teilt sie mit. Was über den Süßstoff bekannt ist:

Was ist Aspartam?

Aspartam ist ein synthetisch hergestellter kalorienarmer Süßstoff. Er ist laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) etwa 200 Mal süßer als Zucker. Aspartam ist seit vielen Jahren für den menschlichen Verzehr zugelassen, etwa als Tafelsüßstoff oder in Lebensmitteln wie Erfrischungsgetränken, Kaugummi, Joghurt, Eis, Senf, Soßen, sowie in Zahnpasta, Hustensaft und manchen Vitamintabletten.

Der Süßstoff muss auf dem Etikett angegeben sein, entweder mit Namen oder seiner E-Nummer (E951). Aber wie viel davon im Produkt ist, erfahren Konsumenten in der Regel nicht.

Was bedeutet die Einstufung der IARC?

Die IARC beurteilt, ob eine Substanz generell bei Menschen Krebs verursachen könnte. Sie unterteilt untersuchte Stoffe in drei Kategorien: “möglicherweise krebserregend”, “wahrscheinlich krebserregend” und “krebserregend”. Aspartam wurde erstmals untersucht und landete in der Kategorie “möglicherweise krebserregend”, unter die auch 320 anderen Substanzen fallen.

Die IARC berücksichtigt aber nicht, wie viel ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben. Deshalb ist es möglich, dass ein Stoff zwar als möglicherweise krebserzeugend eingestuft ist, die Menge, die ein Mensch üblicherweise etwa über Lebensmittel aufnimmt, aber so gering ist, dass das Risiko als vernachlässigbar gilt. Genau dies ist bei Aspartam der Fall.

Kritik von Wissenschaftlern

“Die IARC/WHO möchte hier wahrscheinlich hauptsächlich ein Zeichen setzen und die Konsumenten dazu animieren, möglichst Wasser und ungesüßte Tees zu trinken, den Zuckerkonsum drastisch zu reduzieren, dabei aber Süßstoffe nur in Maßen zu konsumieren. Die neue Klassifikation soll auch dazu motivieren, mehr Studien zu dieser Substanz durchzuführen. Das ist begrüßenswert. Allerdings ist eine solche Klassifikation auch problematisch: sie könnte die Verbraucher unnötigerweise dazu verleiten, mehr Zucker zu konsumieren, anstatt zuckerfreie oder zuckerarme Alternativen zu wählen, die nach wie vor gemäß der aktuellen Datenlage insgesamt immer noch gesünder sind“, sagen PD Dr. Bettina Wölnerhanssen und PD Dr. Anne Christin Meyer-Gerspach, Co-Leiterinnen metabole Forschung St. Clara Forschung, St. Claraspital Basel, Schweiz.

„Die neue Bewertung von Aspartam durch die IARC ist für mich sehr überraschend, da sich die Evaluierung zumindest auf Basis der verfügbaren Informationen im Wesentlichen auf die Ergebnisse von drei Studien stützt, die zudem ‚nur‘ positive Assoziationen zwischen dem Konsum von künstlich gesüßten Getränken und dem Krebsrisiko ermittelten. Die IARC sieht im Konsum von künstlich gesüßten Getränken einen Näherungswert (‚proxy‘) für die Aufnahme an Aspartam, dafür gibt es aber meiner Ansicht nach keine Evidenz. Insgesamt steht die Bewertung der IARC auf eher schwachen Beinen, dies wird aber auch durch den Hinweis auf eine begrenzte Evidenz (‚limited evidence‘) eingeräumt”, sagt Prof. Dr. Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften, Universität Wien, Österreich.

Was sagt die WHO?

Sie macht anders als die IARC eine Risikoanalyse und berücksichtigt die konsumierte Menge. Sie hält die Studien, die die IARC heranzog, für nicht eindeutig genug. Deshalb hält sie den Verzehr im Rahmen ihrer bislang geltenden Tageshöchstempfehlungen für unbedenklich.

Wie viel Aspartam sollten Menschen täglich höchstens zu sich nehmen?

Die akzeptable Aufnahmemenge pro Tag (ADI) liegt laut EFSA und WHO bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Menge kann ein ganzes Leben lang ohne Bedenken eingenommen werden. Um diesen Wert zu erreichen, müsste eine 70 Kilogramm schwere Person am Tag beispielsweise 9 bis 14 Dosen herkömmlicher Größe mit stark aspartamhaltigem Diät-Getränk trinken, rechnet die WHO vor.

Allerdings sind die Mengen Süßstoff je nach Getränk und Hersteller unterschiedlich. Coca-Cola Schweiz berichtete 2020, dass in der Schweiz Coca-Cola zero und Coca-Cola light etwa 130 Milligramm Aspartam pro Liter enthielten. Davon könnte ein 70-Kilogramm-Mensch theoretisch dann am Tag mehr als 20 Liter trinken, ehe er an die empfohlene Höchstmenge stößt.

Sollte man Lebensmittel mit Aspartam künftig meiden?

Die WHO beruhigt: Dafür bestehe kein Anlass, solange man unter den täglichen Höchstmengen bleibe. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sagt, Aspartam sei eines der am besten untersuchten und von internationalen Expertengremien wiederholt bewerteten Süßungsmittel. Das BfR hat auch keine Bedenken. Gleichwohl rät die WHO generell, sowohl Zucker als auch Süßstoffe zu reduzieren. Besser sei es, etwa mit Obst zu süßen.

Da Aspartam im Darm in harmlose beziehungsweise mengenmäßig harmlose Spaltprodukte aufgetrennt wird und nicht intakt in den Körper übergeht, besteht auch rein mechanistisch keine große Wahrscheinlichkeit für einen kausalen Zusammenhang zwischen Aspartam-Zufuhr und Krebsrisiko“, findet auch Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung / DZD), Campus Benjamin Franklin (CBF), Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Franklin meint: “Es bleibt zu hoffen, dass die neue Einstufung besonnen aufgenommen wird und Konsumenten nicht dazu bringt, von Süßstoffen auf Zucker umzusteigen. Es gibt keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar.“

Quellen: dpa/ Sciencemediacenter.de

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