ExpertengesprächWas tun bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose?

Stellt sich ein Patient in der Sprechstunde mit Symptomen vor, die eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) wahrscheinlich machen, sollte er die Praxis nicht ohne Antikoagulation und Kompression verlassen, erklärt der Phlebologe Prof. Dr. med. Markus Stücker, Bochum, im Expertengespräch.

Ein Kompressionsstrumpf sollte zunächst für sechs Monate getragen werden.

Wie kann man klinisch abschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) vorliegt?

Stücker: Zu den typischen – aber nicht spezifischen – Symptomen zählen Ödem, Schmerz, Spannungsgefühl und Zyanose. Manchmal spüren Patienten auch nur einen muskelkaterähnlichen Schmerz. Bei der Abgrenzung zu anderen Schmerzursachen hilft die Lokalisation: Während der Schmerz etwa bei einer Ischialgie meist an der Außenseite der Beine und im Gesäß auftritt, ist bei einer Thrombose bevorzugt der Unterschenkel betroffen.

Wie gut eignet sich der Wells-Score (siehe Tabelle links) in der hausärztlichen Praxis, um die Wahrscheinlichkeit einer TVT zu beurteilen?

Der Wells-Score ist klinisch gut validiert. Er lässt sich direkt in die elektronische Patientenakte eintragen und erleichtert damit auch die Dokumentation.

Welche Untersuchungen folgen abhängig vom ermittelten Wells-Score?

Bei einem Score < 2 ist eine TVT wenig wahrscheinlich. Hier kann der Test auf D-Dimere sinnvoll sein, wenn man eine Thrombose mit hoher Sicherheit ausschließen will. Bei einem Score ≥ 2 ist dieser Test nicht indiziert, weil ein negatives Ergebnis hier eine Thrombose nicht ausreichend sicher ausschließt. Bei diesen Patienten sollte unverzüglich eine Untersuchung mit Kompressionsultraschall erfolgen bzw. veranlasst werden.

Bei welchen Red Flags muss man sofort stationär einweisen, weil eine akute Lungenembolie vorliegen könnte?

Typisch für eine klinisch relevante Embolie sind plötzlich einsetzende Dyspnoe und, vor allem im fortgeschrittenen Stadium, Schmerzen über der Brust oder gar eine Synkope. Die Belastungsdyspnoe wird von älteren Menschen allerdings manchmal weniger deutlich wahrgenommen, weil sie ohnehin schnell außer Atem kommen.

Ein wichtiges Warnzeichen ist ferner eine Tachykardie mit einem Puls über 100 pro Minute.

In welchen weiteren Situationen sollten Patienten mit Verdacht auf TVT stationär behandelt werden?

Gründe für eine stationäre Einweisung sind neben dem Verdacht auf akute Lungenembolie Hinweise auf eine Beckenvenenthrombose, für die eine invasive Therapie infrage kommen kann. Auch bei Zweifeln an der Therapieadhärenz ist die stationäre Aufnahme eine Option.

Wie beginnt man die antithrombotische Therapie?

Die Behandlung erfolgt überwiegend ambulant. Dafür gelten drei Grundsätze:

Bei wahrscheinlicher TVT muss die antithrombotische Therapie sofort vor der weiteren Diagnostik beginnen. Dazu wird noch in der Sprechstunde gewichtsadaptiert Heparin verabreicht und die Therapie ambulant in der Regel mit einem DOAK fortgesetzt.

Ebenso wichtig ist es, mit der Kompressionstherapie sofort anzufangen, denn sie lindert nicht nur die Schmerzen, sondern unterstützt die Rückbildung des Thrombus und verringert das Risiko eines postthrombotischen Syndroms, wenn sie in den ersten zwei Wochen einsetzt.

Mit modernen Kompressionsbinden ist korrektes Wickeln heute viel einfacher als etwa mit konventionellen Kurzzugbinden.

Ein weiteres Kernelement der Therapie bei TVT besteht darin, die Patienten nicht zu immobilisieren, sondern zur Bewegung zu motivieren. Wer zu Fuß in die Sprechstunde kommt, geht mit der Diagnose TVT in der Regel auch zu Fuß wieder nach Hause!

Was spricht für Vitamin-K-Antagonisten, was für DOAKs zur antithrombotischen Therapie?

Wenn keine Kontraindikationen vorliegen, wird heute meistens die wesentlich einfachere Therapie mit einem DOAK empfohlen. Es entfallen nicht nur die unter Phenprocoumon nötigen Gerinnungskontrollen, sondern auch viele Einschränkungen durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln.

Unter Phenprocoumon verfehlen zwischen 20 und 80 Prozent den therapeutischen INR-Zielbereich und das Risiko größerer Blutungskomplikationen scheint unter DOAKs niedriger zu sein. Ferner entfällt das Bridging bei nötigen Eingriffen unter DOAK-Therapie in der Regel.

Wie lang muss die antithrombotische Therapie fortgesetzt werden?

Im Allgemeinen für drei bis sechs Monate. Eine gute Orientierung, wann man nach drei bis sechs Monaten absetzen kann oder weiterbehandeln muss, gibt die Thrombose-Ampel (siehe Abbildung unten). Nur etwa jeder fünfte Patient fällt in den gelben Bereich, der eine weitere Abklärung bei Spezialisten erfordert.

Wann wird ein Kompressionsstrumpf verordnet?

Sobald sich das Ödem zurückgebildet hat, kann ein Kompressionsstrumpf angepasst werden. Er sollte zunächst sechs Monate getragen werden. Danach kann bei Patienten, die ohne Kompression keine Beschwerden wie zum Beispiel Schwellungen und Hautveränderungen entwickeln, die Kompressionstherapie beendet werden.

Welche Kontrollen sind im Langzeitverlauf nach TVT erforderlich?

Nach etwa drei Monaten sollte eine Ultraschallkontrolle erfolgen und klären, ob ein Residualthrombus und/oder ein Reflux besteht. Wird die Antikoagulation länger als drei Monate verordnet, erfolgt eine weitere sonografische Kontrolle nach sechs Monaten.

Unter einer Langzeittherapie mit DOAKs sollte ferner auf die Nierenfunktion geachtet werden, um die Dosis gegebenenfalls an eine veränderte eGFR anpassen zu können.

Welche Ratschläge geben Sie den Patienten nach einer TVT?

Sie sollten wissen, dass sie nach einer Thrombose ein erhöhtes Risiko für ein weiteres derartiges Ereignis haben. Bei Autofahrten über sechs Stunden oder Flugreisen über vier Stunden, aber auch bei Infekten mit Bettlägerigkeit über ein paar Tage, sollte eine Prophylaxe mit Heparininjektionen erfolgen und der Kompressionsstrumpf getragen werden.

DOAKs sind in diesen Fällen nicht zur Thromboseprophylaxe zugelassen. Patienten im grünen Bereich der Thrombose-Ampel können auf eine Antikoagulation verzichten und sich auf den Kompressionsstrumpf beschränken.

Vielen Dank für das Gespräch.

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