Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Plötzlicher Herztod bei jungem Mann

In der fünften Folge unserer Serie "EKG in der Hausarztpraxis" berichten wir von einem plötzlichen Herztod bei einem 24-jährigen Mann: Was ist die Ursache?

Fallbericht: Im vom zügig eintreffenden Rettungsdienst geschriebenen EKG zeigt sich ein Kammerflimmern (Symbolbild).

Der 24-jährige Malte W. bricht auf einer Feier plötzlich zusammen und bleibt bewusstlos. Sie sind als Gast anwesend und erkennen schnell, dass es sich um eine ernste Situation handelt. Der junge Mann hat keinen Puls und atmet nicht. Gemeinsam mit anderen Anwesenden beginnen Sie mit der Reanimation.

Im vom zügig eintreffenden Rettungsdienst geschriebenen EKG zeigt sich ein Kammerflimmern, nach einmaliger Defibrillation lässt sich zunächst ein Sinusrhythmus und eine stabile Kreislaufsituation etablieren. Der Patient ist nun intubiert und beatmet, die Notärztin schreibt im Rettungswagen vor der Abfahrt noch ein 12-Kanal-EKG. Während der Aufzeichnung alarmiert plötzlich der Monitor (siehe Abb. 1 unten).

EKG-Analyse

In den Extremitätenableitungen finden wir ein tachykard übergeleitetes Vorhofflimmern. Der QRS-Komplex ist grenzwertig verbreitert. Die QTc-Zeit ist normal. In den Brustwandableitungen, die nicht gleichzeitig mit den Extremitätenableitungen registriert wurden, zeigt sich eine schnelle Breitkomplex-Tachykardie, die mit einem R-auf-T-Phänomen beginnt, das heißt einer frühen ventrikulären Depolarisation.

Die QRS-Komplexe der Tachykardie sind polymorph und haben variable Amplituden. Es handelt sich um eine “Spitzen-Umkehr-Tachykardie” bzw. “Torsade-de-pointes-Tachykardie”.

Wie ging es weiter?

Eine erneute Defibrillation bringt Malte W. in einen von da an stabilen Sinusrhythmus. Er wird wenige Tage später auf Normalstation verlegt, ist extubiert und ohne neurologisches Defizit. Da das Long-QT-Syndrom die häufigste Grundlage für Torsade-de-pointes-Tachykardien darstellt, schreiben die behandelnden Ärzte wiederholt 12-Kanal-EKG.

Wie bereits im Index-EKG findet sich hier keine relevante QTc-Verlängerung. Daher leiten sie verschiedene diagnostische Schritte ein, um die Ursache des plötzlichen Herztods zu finden. Akute Elektrolytstörungen, welche umgehend bei Aufnahme über eine POCT-Analyse (Point-of-Care-Testing) entdeckt werden können, lagen nicht vor.

Neben einer Echokardiografie und einem Kardio-MRT zum Ausschluss einer strukturellen Ursache wie einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) oder einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC) gehört auch ein Ajmalin-Test zur Aufdeckung eines möglichen Brugada-Syndroms zum Standard. Um ein Long-QT-Syndrom wirklich auszuschließen, sollte neben wiederholter 12-Kanal-EKG noch eine genetische Diagnostik erfolgen.

Frühe Repolarisation

Bei unserem Patienten waren alle Untersuchungen unauffällig – mit Ausnahme des 12-Kanal-EKG in Ruhe (s. Abb. 2 unten). Hier sehen wir zwar nicht die erwartete verlängerte QTc-Zeit, es imponiert jedoch eine kurze, deszendierende ST-Strecken-Hebung, wie eine “spiegelverkehrte Deltawelle” direkt nach dem QRS-Komplex.

Es handelt sich um eine frühe Repolarisation, auch J-Welle genannt. Diese stellt sich primär in den inferioren und lateralen Ableitungen dar. Ein typisches Bild bieten die Ableitungen II und III in Abb. 2. Eine frühe Repolarisation tritt je nach Definition und Quelle mit einer Prävalenz zwischen 1 bis 13 Prozent in der Gesamtbevölkerung auf [1].

Definiert wird die frühe Repolarisation aktuell durch eine ST-Hebung von mindestens 0,1 mV oder J-Welle in mindestens zwei zusammenhängenden Ableitungen. Allerdings entwickelt nur ein sehr kleiner Teil der Menschen mit früher Repolarisation eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung. In diesem Fall spricht man vom Syndrom der frühen Repolarisation.

Bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung, die einen plötzlichen Herztod erleiden, findet sich das Muster einer frühen Repolarisation deutlich häufiger als bei ansonsten Gesunden [2].

Pathophysiologisch handelt es sich um ein elektrisches Ungleichgewicht zwischen epi- und endokardialen Myokardschichten, die zu Dispersion zwischen De- und Repolarisation führen. Typischer Auslöser der Tachykardien sind früh einfallende ventrikuläre Extrasystolen, die ein R-auf-T-Phänomen verursachen. Neben Torsade-de-pointes-Tachykardien kann es auch zu primärem Kammerflimmern kommen.

Risikostratifizierung

Die Risikostratifikation einer asymptomatischen frühen Repolarisation, die als reiner Zufallsbefund im EKG festgestellt wird, ist aufgrund der hohen Prävalenz bei Gesunden nicht ganz einfach. In Vergleichsstudien zwischen Patienten mit plötzlichem Herztod und asymptomatischen Patienten ergaben sich mehrere Parameter, die häufiger mit malignen Herzrhythmusstörungen assoziiert waren.

Dazu gehören deszendierende J-Wellen insbesondere in den inferioren Ableitungen, längere QTc-Intervalle und ein niedrigeres T/R-Amplitudenverhältnis. Die Provokation maligner ventrikulärer Herzrhythmusstörungen in der elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) war in bisherigen Studien kein guter Prädiktor für das Auftreten eines plötzlichen Herztods.

Allerdings könnten neue Hybrid-Technologien aus EPU und Computertomografie in Zukunft eine Risikostratifikation bei asymptomatischen Patienten ermöglichen.

Therapeutische Konsequenzen

Asymptomatische Patienten mit dem Muster einer frühen Repolarisation benötigen aktuell keine weiteren spezifischen therapeutischen Maßnahmen. Alle Patienten mit Dokumentation von primärem Kammerflimmern oder symptomatischen Torsade-de-pointes-Tachykardien und Zeichen der frühen Repolarisation sollten einen ICD erhalten.

Kommt es akut zu malignen Arrhythmien, kann Isoproterenol oder ein äquivalentes Katecholamin intravenös verabreicht werden. Die Zielherzfrequenz liegt bei 90/min oder > 20 Prozent der Ausgangsfrequenz. Als Dauermedikation stehen Chinidin oder Hydrochinidin zur Verfügung, welche beide die Zeichen der frühen Repolarisation im EKG reduzieren können.

Zur Reduktion symptomatischer Tachykardien kann außerdem versucht werden, den Fokus der Ektopie im Rahmen einer EPU aufzufinden und zu abladieren.

Interessenkonflikte: Die Autoren sind Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

Literatur:

  1. Bourier F et al. Early Repolarization Syndrome: Diagnostic and Therapeutic Approach. Front Cardiovasc Med. 2018 Nov 27;5:169. doi: 10.3389/fcvm.2018.00169
  2. Haïssaguerre M et al. Sudden cardiac arrest associated with early repolarization. N Engl J Med. 2008 May 8;358(19):2016-23. doi: 10.1056/NEJMoa071968
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