1 Fall, 3 MeinungenBewegung tut gut bei COPD und KHK

Wenn Patienten chronische Krankheiten haben, etwa COPD oder KHK, neigen sie oft dazu, sich körperlich zu schonen – was vor nicht allzu langer Zeit auch häufig der Rat ihrer Ärzte war. 2020 lautet das Motto dagegen meistens: Runter von der Couch. Nur: Wie motiviert man Patienten dazu? Und was hilft am besten? Wir fragten einen Hausarzt und einen forschenden Pneumologen zu ihren Ideen im Fall "Frau J.".

Körperliche Aktivität ist wichtig, um einer KHK vorzubeugen.

Das sagt der Hausarzt

Dr. med. Markus Groteguth ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmediziner mit einer hausärztlichen Praxis in Meerbusch

Wenn wir davon ausgehen, dass ich die Patientin kenne und sie bei mir in den DMP-Programmen KHK und COPD eingeschlossen ist, dann aktualisiere ich zunächst die Befunde – schreibe also ein EKG, veranlasse eine Lufu, nehme Labor mit BZ, Cholesterin, HDL, LDL, Triglyzeride ab und prüfe den Impfstatus. Wegen der Dyspnoe würde ich eine Ergometrie durchführen, um zu sehen, ob die KHK eventuell progredient ist und um ihre körperliche Leistung zu objektivieren.

Jedes halbe Jahr führen wir bei Patienten wie Frau J. auch ein geriatrisches Basisassessment durch, mit Barthel-Index, Timed Up and Go-Test, Mini Mental ­State- und Uhrentest, auch, um eine Demenz früh zu erkennen. Dann interessieren mich vor allem die sozialen Bindungen der Patientin, und was ich tun kann, um sie psychosomatisch zu unterstützen.

Eine Idee wäre, dass sie ein Essprotokoll führt, als aktivierende Maßnahme. Je nachdem, wie ihre Ernährung aussieht, könnte man ihr vielleicht Essen auf Rädern vorschlagen. Eine weitere Idee: ihr einen Alltagsbegleiter vermitteln, der etwa Spaziergänge mit ihr macht oder einkauft. Das Beste wäre für Frau J. aber eine Sportgruppe. Die für COPD findet man bei uns nicht so oft, aber Koronarsportgruppen. Wir arbeiten mit zwei Sportvereinen zusammen, das ist super, vor allem hätte die Patientin dort soziale Kontakte. Alles andere wird schwierig. Für ein Fitnessstudio ist ihr Leistungsniveau wahrscheinlich zu niedrig, und sie scheint auch keine Kandidatin zu sein, die dort selbstsicher hingeht.

Eine Physiotherapie käme eventuell als Einstieg in den Reha-Sport in Betracht, für Gleichgewichts- oder Gehübungen. Aber eigene Übungen in ihren Alltag integrieren, nein, alleine schaffen das Patienten mit depressiver Stimmung nicht. Gesundheits-Apps benutzen bei uns vor allem Patienten, die jünger sind als 60 Jahre, bei denen klappt das gut. Irgendwann werden die Altersgruppen sich verschieben, aber momentan ist das noch so. Fitness-Apps, die RR und Puls aufzeichnen und Schrittzähler als Orientierung, das funktioniert – mehr ist zu kompliziert. Gute Erfahrungen haben wir auch mit der Schnarch-App gemacht, die beim Schlafen Schnarch-Geräusche wahrnimmt.

Das sagt der Gebietsarzt

PD Dr. med. Henrik Watz ist Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie und Geschäftsführer des Pneumologischen Forschungsinstitutes an der LungenClinic Großhansdorf

Bei dieser Patientin kann man an einigen Stellschrauben drehen: Nach der Lungenentzündung im Winter würde ich unbedingt eine pneumologische Rehabilitation beantragen. Hier können meiner Erfahrung nach in einem ganzheitlichen Konzept ein körperliches Aufbautraining und die Motivation zur körperlichen Aktivität am besten erfolgen.

Wenn die Reha durch den Kostenträger nicht gestattet wird, sollte sich die Patientin unbedingt eine Lungensportgruppe in der Nähe suchen. Hier findet sie mit Gleichgesinnten am besten Motivation und Freude an der Bewegung. Auch im Anschluss an eine Reha sollte sie diesen Lungensport unbedingt zu Hause weitermachen.

Wenn die Luftnot bei Belastung die Bewegung bei der Patientin anfangs erschweren sollte, kann man die antiobstruktive Therapie eskalieren: Man kann eine neue Kombination aus langwirksamen Anticholinergikum und Beta-2-Mimemtikum verschreiben, in diesem Fall zum Beispiel die Eskalation von Spiriva auf Spiolto oder jeder anderen Kombination.

Ansonsten gilt als Faustregel für die Patientin: Schon 30 min etwas schnelleres Spazieren pro Tag würde ihr helfen. Gerne könnte sie auch in kleineren „Portionen“ von 3 x 10 min gehen – schon das kann der Abwärtsspirale und dem Teufelskreis aus Luftnot, Muskelabbau, wiederkehrenden Exazerbationen und Verschlechterung der Lungenfunktion entgegenwirken.

Wir machen bei unseren Patienten gute Erfahrungen mit langsamen Nordic Walking mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Durch den Einsatz der Stöcke bekommen sie gleichzeitig mehr Sicherheit, das ist meistens sehr hilfreich.

Das sagt die evidenzbasierte Medizin

Die aktuelle Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) „Chronische KHK“ bezeichnet körperliche Aktivität als „integralen Bestandteil der Sekundärprävention bei Patienten mit stabiler KHK“. Demnach kann die kardiovaskuläre Mortalität von KHK-Patienten durch regelmäßiges körperliches Training gesenkt und die Lebensqualität erhöht werden.

Die NVL empfiehlt für KHK-Patienten mit stabiler kardiovaskulärer Erkrankung und niedrigem Risiko für Komplikationen bei größerer körperlicher Belastung ein aerobes Training von insgesamt zwei Stunden in der Woche mit einer Intensität von 55 bis 70 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit.

KHK-Patienten mit einem mittleren bis hohen Risiko für kardiale Komplikationen bei körperlicher Belastung oder Patienten, die ihr Aktivitätsniveau selbst nicht einschätzen können, empfiehlt die Leitlinie ein individuell gestaltetes Trainingsprogramm. Es sollte mit weniger als 50 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit beginnen und in der Woche etwa eine Stunde Krafttraining enthalten mit je 10 bis 15 Wiederholungen bis zur moderaten Erschöpfung. Bei belastungsabhängigen Symptomen sollte nur bis zu einer Intensität belastet werden, ab der Symptome auftreten. Kontraindiziert ist eine körperliche Aktivität zu Trainingszwecken nur bei instabilen Patienten.

Die NVL COPD wird gerade aktualisiert und erscheint voraussichtlich diesen Sommer. In der abgelaufenen Version hieß es, dass körperliches Training bei COPD-Patienten ab mäßigem Schweregrad zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Verringerung der Exazerbationsrate führt. Die Autoren empfahlen deshalb ein körperliches Training als Teil der Langzeittherapie.

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