DeutschlandFSME: Im Norden steigt das Risiko

Die Epidemiologie der Frühsommer-Meningoenzephalitis in Deutschland hat sich verändert. Das macht eine Anpassung der Impfstrategie nötig, betonen Experten.

Barfuß laufen? Zum Schutz vor Zeckenstichen besser nicht!

Betrachtet man die Epidemiologie der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in Deutschland, so scheint das Land zweigeteilt: Zwar wurden auch 2021 die meisten FSME-Fälle aus Bayern und Baden-Württemberg gemeldet, die Erkrankungszahlen haben hier insgesamt aber abgenommen. 2021 wurden aus Bayern 30 Prozent weniger Fälle gemeldet, aus Baden-Württemberg sogar 50 Prozent.

Nördlich der Mittelgebirgsschwelle dagegen scheint sich das FSME-Virus auszubreiten. So hat das Robert Koch-Institut (RKI) gerade sechs neue FSME-Risikogebiete definiert – drei in Brandenburg, zwei in Sachsen und eines in Nordrhein-Westfalen. Woran liegt das?

Neu eingeschleppte Viren breiten sich aus

Zum einen breiten sich im Norden Deutschlands offenbar aus Dänemark neu eingeschleppte FSME-Viren aus, im Osten Deutschlands werden die Erreger vor allem aus Polen eingetragen, berichtete Dr. Gerhard Dobler vom Konsiliarlabor für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr bei einer Veranstaltung anlässlich des 6. Süddeutschen Zeckenkongresses.

Zum anderen scheint es den Überträgern des FSME-Virus, in Deutschland ist das ja hauptsächlich die Zeckenart Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock), im Süden zu warm zu werden: “In den Tälern ist es den Zecken mittlerweile zu warm und zu trocken, wir sehen jetzt mehr FSME-Fälle in höheren Lagen zwischen 400 und 600 Metern”, sagte Dr. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg.

Durch die insgesamt milderen Winter hat sich auch die Aktivität der Tiere in den Winter verschoben – schon der Februar kann zur Zeckensaison gezählt werden. Damit wird auch der Zeitraum größer, in dem FSME als meldepflichtiges Ereignis von Ärztinnen und Ärzten im Blick behalten werden sollte.

Allerdings: Nicht nur das Klima scheint eine Rolle zu spielen. “Es gibt auch in Bayern Regionen, in denen die FSME-Fallzahlen zunehmen. Es ist offenbar ein multifaktorielles Geschehen”, so Dobler. Trendanalysen zeigten, dass in den hoch-endemischen Landkreisen in Süddeutschland mit einer weiteren Zunahme der Fälle in den bekannten FSME-Hotspots zu rechnen ist.

Steigende Erkrankungszahlen in Nord- und Mitteldeutschland

“Grundsätzlich scheint der Süden Deutschlands eine völlig andere Öko-Epidemiologie der FSME aufzuweisen als FSME in den nördlichen Bundesländern”. Das habe Auswirkungen auf die Impfstrategie. Dobler: “Wir müssen viel individueller, und zwar auf Kreisebene, auf die Risikosituation eingehen und beispielsweise auch im Norden Impfkampagnen fahren und die Menschen auf die Impfung ansprechen.” Dobler erwartet in den kommenden Jahren in Nord- und im mittleren Deutschland steigende Erkrankungszahlen.

Hierzulande waren im Jahr 2019, je nach Risikogebiet, zwischen 7,7 und 38,6 Prozent der Erwachsenen und zwischen 13,3 und 50,5 Prozent der Kinder gegen FSME geimpft. Besonders niedrig war die Impfquote in der Risikogruppe der über 60-Jährigen, bei denen FSME häufig schwerer verläuft.

Generell könnten durch eine höhere Impfquote viele Erkrankungsfälle verhindert werden. Das bestätigen RKI-Daten aus dem vergangenen Jahr: 99 Prozent der gemeldeten FSME-Erkrankten waren gar nicht oder nur unzureichend geimpft. Bei jedem zweiten (52 Prozent) wurde ein klinisches Bild mit neurologischen Manifestationen einer Meningitis, Enzephalitis oder Myelitis angegeben.

Dobler machte darauf aufmerksam, dass zehn Prozent der jährlichen FSME-Fallzahlen in der Gruppe der 0- bis 15-Jährigen auftreten. “Es ist zwar selten, aber es gibt auch sehr schwere Erkrankungen bei Kindern, die dann ihr Leben lang unter den Folgen leiden.” Die beiden für Kinder verfügbaren Impfstoffe sind ab dem Alter von zwölf Monaten zugelassen. “Da muss man das Risiko dann abwägen. Für Kinder, die viel Zeit in der Natur verbringen, könnte eine Impfung sinnvoll sein”, sagte Dobler. “Wir haben zum Beispiel schon einmal einen Zecken-Focus direkt neben einem Waldorfkindergarten entdeckt.”

In solchen Zecken-Foci, die meist die Größe von ein bis zwei Fußballfeldern haben, sind rund 0,5 bis 3 Prozent der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert, schätzt Rainer Oehme. Überträger des Virus können neben dem Gemeinen Holzbock auch andere Zeckenarten wie die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) sein, auch wenn sie den Menschen deutlich seltener sticht als der Gemeine Holzbock.

Das FSME-Virus wurde bereits mehrfach in Auwaldzecken nachgewiesen – und die Zeckenart hat sich in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet. Mittlerweile ist Dermacentor reticulatus eigentlich in ganz Deutschland verbreitet. Daher müsse die Auwaldzecke im FSME-Zyklus und auch in der Übertragung des Virus auf den Menschen berücksichtigt werden, betonte Professorin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim.

15 Prozent der Zecken übertragen Borreliose

Ein Zeckenstich birgt dabei bekanntlich nicht nur das Risiko einer Übertragung des FSME-Virus: In Deutschland sind flächendeckend rund 15 Prozent der Zecken mit Bakterien der Art Borrelia burgdorferi infiziert. Pro Jahr gibt es hierzulande mehrere zehntausend Fälle von Borreliose, ein Impfstoff ist derzeit nicht verfügbar.

Sorgen bereitet Mackenstedt auch die Hyalomma-Zecke, die zwar nicht das FSME-Virus und Borrelien, dafür aber den Erreger des gefährlichen Krim-Kongo-Fiebers und Bakterien der Gattung Rickettsia übertragen kann. Die eigentlich tropische Zeckenart Hyalomma wird mit Zugvögeln immer wieder nach Deutschland eingeschleppt, kann aber mittlerweile offenbar bei günstigen klimatischen Bedingungen auch in Deutschland überwintern.

Ob die Zeckenart hier heimisch werden wird, hängt vom künftigen Klima ab: “Werden in den nächsten Jahren heiße Sommer mit langen Trockenphasen vorherrschen, dann ist davon auszugehen, dass sich mehr Hyalomma-Zecken in Deutschland weiterentwickeln können”, so die Zoologin.

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