Neues DMP OsteoporoseDMP Osteoporose: Hausärzte sollen Unterversorgung abbauen

Ärzte übersehen die Erkrankung, Patienten brechen die Behandlung ab: Menschen mit Osteoporose sind noch nicht optimal versorgt. Ein neues DMP soll das nun ändern. Passend dazu hat „Der Hausarzt“ zwei Praxishilfen für Sie erstellt.

Allen Osteoporosepatienten soll regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen werden.

Berlin. Die Rolle der Hausärzte als erste Ansprechpartner für Osteoporosepatienten wird gestärkt. Dafür sorgt das neue Disease-Management-Programm (DMP) für Menschen mit medikamentös behandlungsbedürftiger Osteoporose.

Demnach sollen grundsätzlich Hausärzte das DMP koordinieren (Indikationen für Überweisung, Einweisung und Reha s. Tab. 1). Andere Fachärzte können dies im Ausnahmefall übernehmen, nicht jedoch bei multimorbiden Patienten – hier sollen Langzeitbetreuung und Dokumentation stets beim Hausarzt liegen.

Osteoporosepatienten sind häufig multimorbid; dies gilt auch für jüngere Personen, bei denen oft eine sekundäre Osteoporose mit einer Grunderkrankung außerhalb des orthopädischen Fachgebietes vorliegt.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) begrüßt daher das DMP. „Außerdem sind Patienten mit Osteoporose derzeit unterversorgt,“ ergänzt DEGAM-Schatzmeisterin Prof. Erika Baum. Dies liege zum einen daran, dass die Erkrankung oft nicht diagnostiziert werde, zum anderen würden Behandlungen frühzeitig abgebrochen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Januar die Details zum DMP beschlossen, der Beschluss tritt am ersten Tag des auf die Veröffentlichung im Bundesanzeiger folgenden Quartals in Kraft. Die Patienten können sich einschreiben, sobald Krankenkassen und Ärzte Verträge zur Umsetzung geschlossen haben; dies dauert in der Regel ein Jahr.

DMP hält sich eng an DVO-Leitlinie

Das DMP stimmt inhaltlich weitgehend mit der Osteoporose-Leitlinie des Dachverbands Osteologie (DVO) überein. Frauen können sich ab dem vollendeten 50. Lebensjahr ins DMP einschreiben lassen, Männer ab dem vollendeten 60. Lebensjahr.

Als Einschreibekriterien gelten osteoporoseassoziierte Frakturen oder ein Frakturrisiko von mindestens 30 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre. Das Frakturrisiko können Ärzte mit dem Risikomodell der DVO (s. DVO-Leitlinie) berechnen.

Die Diagnose soll – analog zur DVO-Leitlinie – auf Anamnese, klinischer Untersuchung, Knochendichtemessung (DXA), Basislabor und (wenn indiziert) bildgebenden Verfahren basieren. Auf eine Knochendichtemessung verzichtet werden kann bei typischen klinischen osteoporotischen Aspekten (zum Beispiel Größenverlust, Kyphosierung) und Vorliegen einer proximalen Femur- oder Wirbelkörperfraktur.

Die Dokumentation erfolgt quartalsweise oder jedes zweite Quartal (Qualitätsziele s. Tab. 2).

Hilfe zur Selbsthilfe

Wie bei jedem DMP ist es wesentlich, die Patienten über die Erkrankung und lebensstilbezogene Einflussfaktoren aufzuklären (s. Tab. 3). „Zusätzlich können weitere Maßnahmen sinnvoll sein, etwa Funktionstraining, Physiotherapie oder die Teilnahme an Selbsthilfegruppen. Hier muss man im Einzelfall entscheiden, was für den Patienten geeignet ist,“ erklärt Baum.

Laut DVO-Leitlinie sollen Ärzte den Patienten raten, fachlich ausgewiesene Selbsthilfegruppen zu kontaktieren; diese konkrete Empfehlung enthält die DMP-Richtlinie nicht. Jeder Patient, der davon profitieren kann, soll an einem – wenn möglich evaluierten – Schulungsprogramm teilnehmen.

Sturzrisiko senken

Vor allem Patienten mit erhöhtem Sturzrisiko sollen Ärzte Maßnahmen empfehlen, um Koordination, Reaktionsfähigkeit, Gleichgewichts und Kraftsteigerung zu fördern sowie die Sturzangst zu reduzieren. Geeignet sind beispielsweise Funktionstraining oder Rehabilitationssport.

Zudem sollen Ärzte ihre Patienten darüber aufklären, wie sie ihr Sturzrisiko reduzieren können. „Dazu gehört zum Beispiel, Stolperfallen in der Wohnung zu beseitigen, sich eine ordentliche Brille zuzulegen und riskantes Verhalten im Alltag zu vermeiden,“ so Baum.

Die DEGAM hatte sich bei vorausgehenden Beratungen dafür ausgesprochen, auch den Hinweis zur Anpassung des häuslichen Umfelds in die DMP-Richtlinie aufzunehmen.

Regelmäßige Sturzanamnese

Gemäß DMP-Richtlinie sollen Ärzte regelmäßig eine Sturzanamnese erheben. Ein Sturzassessment kann ab einem Alter von 70 Jahren im Rahmen des Geriatrischen Basisassessments erfolgen – dies zeige, dass das DMP vorzugsweise in der Hausarztpraxis angesiedelt werden soll, so die DEGAM.

Um das Sturzrisiko zu erfassen, sollen Ärzte standardisierte Tests verwenden. Hierfür empfiehlt das DMP – analog zur DVO-Leitlinie – den „Timed-up and go“ oder „Chair rising“ Test, letzterer sollte mit dem Tandemstand kombiniert werden (s. Muster-Formular).

Dies kann auch ans Praxisteam delegiert werden. VERAH® und Referentin Iris Schluckebier empfiehlt, nicht nur die Zeit wahrzunehmen, sondern die Patienten genau zu beobachten.  „Fällt ihnen das Aufstehen schwer, hilft vielleicht ein Rollator. Wird ihnen nach drei Metern schwindlig, sollte man mal das Herz-Kreislauf-System abklären,“ äußerte Schluckebier gegenüber „Der Hausarzt“.

Kalzium und Vitamin D

Kalzium- und Vitamin D-Supplemente sollen die Patienten nur einnehmen, wenn sie die empfohlenen Mengen nicht mit der Nahrung oder durch UV-Licht-Exposition aufnehmen können (s. Tab. 3).

Reich an Vitamin D ist vor allem fettreicher Speisefisch, zum Beispiel können 100 g Hering 1.000 IE enthalten. Zur Abschätzung der eigenen Kalziumzufuhr können Sie den Patienten auf den Kalziumrechner des IQWiG hinweisen.

Die Verordnungsfähigkeit gemäß Arzneimittel-Richtlinie des G-BA ist zu beachten (www.hausarzt.link/jghHn): Kalziumverbindungen (mindestens 300 mg Kalzium-Ion/Dosiereinheit) und Vitamin D (freie oder fixe Kombination) sowie Vitamin D als Monopräparat können Ärzte bei manifester Osteoporose und bei Bisphosphonat-Behandlung  verordnen, Kalziumverbindungen als Monopräparate bei Bisphosphonat-Behandlung.

Medikamentöse Therapie für mindestens drei Jahre

Allen Patienten ist eine osteoporosespezifische Therapie anzubieten (s. Tab. 4). Diese soll mindestens drei Jahre dauern, kann aber auch deutlich länger sinnvoll sein. Nach jeweils drei bis fünf Jahren sollen Ärzte die Therapie evaluieren.

Frauen, die eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen und Gestagenen oder nur mit Östrogenen (bei Zustand nach Gebärmutterentfernung) erhalten, benötigen in der Regel keine zusätzliche osteoporosespezifische Therapie.

Wegen des Risikos einer Kiefernekrose sollen Ärzte vor allem Patienten, die Bisphosphonate oder Denosumab erhalten, von Anfang an auf die regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen und gute Mundhygiene hinweisen.

Endet eine Therapie mit Denosumab, kann der positive Effekt auf die Knochenmasse schnell verloren gehen. Daher empfiehlt die DMP-Richtlinie, nachfolgend ein Bisphosphonat zu verordnen. Die Therapie mit Teriparatid ist auf 24 Monate begrenzt; anschließend wird eine antiresorptive Therapie empfohlen.

Regelmäßige Verlaufskontrollen

Nach Therapiebeginn sollten Ärzte alle drei bis sechs Monate klinische Kontrollen durchführen (s. Checkliste).

Insbesondere bei Patienten, die fünf oder mehr Arzneimittel einnehmen, sollten die Ärzte mindestens einmal jährlich sämtliche vom Patienten eingenommenen Medikamente strukturiert erfassen – etwa mit dem bundeseinheitlichen Medikationsplan – und gegebenenfalls deren Indikation prüfen.

Wurden dem Patienten renal eliminierte Arzneimittel verordnet, ist ab einem Alter von 65 mindestens einmal jährlich die Nierenfunktion zu prüfen (GFR berechnen).

Vorgaben zur Knochendichtemessung

Die Vorgaben zur Osteodensitometrie entsprechen den vom GBA im Jahr 2013 beschlossenen Regelungen: Die Untersuchung kann nach frühestens fünf Jahren wiederholt werden, es sei denn, besondere therapierelevante anamnestische und klinische Befunde erfordern eine früherer Osteodensitometrie. Zudem empfiehlt die DMP-Richtlinie, die Wiederholungsmessung möglichst mit dem gleichen Gerät durchzuführen.

Von einem Therapieversagen ist auszugehen, wenn die Knochendichte unter einer Therapie mit Bisphosphonaten, Denosumab oder Raloxifen deutlich abfällt (≥ fünf Prozent) oder wenn unter der Therapie zwei oder mehr osteoporotische Frakturen innerhalb von drei Jahren auftreten – hier sollen Ärzte die Ursache prüfen und bei Bedarf erwägen, auf eine andere Medikation umzustellen.

Fazit

  • Der DEGAM erscheint das neue DMP geeignet, die Versorgung von Patienten mit Osteoporose nachhaltig zu verbessern.
  • Medikamente reichen nicht: Wie bei jedem DMP spielen Lebensstilinterventionen eine große Rolle.
  • „Der Hausarzt“ hat zwei Praxishilfen für Sie erstellt: Eine Checkliste für die Verlaufsuntersuchung und ein Muster-Formular zur Erfassung des Sturzrisikos.

Quellen: DVO-Leitlinie “Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose“; G-BA-Beschluss über die 19. Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie; Bundesinstitut für Risikobewertung: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D: https://www.bfr.bund.de/cm/343/ausgewaehlte-fragen-und-antworten-zu-vitamin-d.pdf

 

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