Globale HerausforderungWie Diabetes und Klimawandel zusammenhängen

Klimawandel und Diabetes sind zwei globale Probleme, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Denn die Auswirkungen des Klimawandels können die Prävalenz und die Behandlung von Diabetes beeinflussen.

Schon jetzt nimmt die Frequenz von Hitzerekorden, extremen Wetterereignissen und Waldbränden dramatisch zu.

Der Lancet und die WHO haben die eskalierende Klimakrise als die größte globale Herausforderung für unsere Gesundheit adressiert [1]. Wie weit die Auswirkungen der Klimakrise unsere Gesundheit beeinflussen werden, hängt maßgeblich davon ab, ob wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten oder uns weiterhin dem unbegrenzten Einsatz fossiler Energien aussetzen [2].

Schon jetzt nimmt die Frequenz von Hitzerekorden, extremen Wetterereignissen und Waldbränden dramatisch zu. Was früher als das “Jahrhunderthochwasser” oder der “Jahrhundertsommer” bezeichnet wurde, tritt nun mit Regelmäßigkeit sowie steigenden CO2-Emissionen und Temperaturen alle zwei bis drei Jahre auf und beeinflusst die Gesundheit der Bevölkerung und vulnerable Gruppen wie Schwangere, Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke [3].

Zur Diabetes-Epidemiologie bietet die Internationale Diabetes-Föderation (IDF) regelmäßig aktualisierte Daten. Im Jahr 2021 schätzte die IDF [4], dass in der Altersgruppe der 20- bis 79-Jährigen weltweit ungefähr 536,6 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt waren.

Man erwartete, dass diese Zahl bis 2045 auf 783,2 Millionen ansteigen würde, wenn keine entscheidenden Maßnahmen zur drastischen Reduktion unserer CO2-Emissionen ergriffen werden. Dies verursacht nicht nur eine verringerte Lebensqualität und verschiedene Komorbiditäten bei den Betroffenen, sondern auch eine erhebliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

Die Prognose für die nächsten zehn Jahre hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der weltweiten Gesundheitspolitik, den Präventionsmaßnahmen, den Ernährungsgewohnheiten, dem Lebensstil der Menschen – und eben auch vom Fortschreiten des Klimawandels [5]. Wieso ist das so?

Hitze

Extreme Temperaturen beeinflussen den Glukosestoffwechsel. Die Insulinempfindlichkeit ändert sich und Dehydrierung kann auftreten, was wiederum eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels zur Folge hat. Eine Studie zeigte, dass 1 Grad Temperaturerhöhung in den USA zu 100.000 neuen Diabeteserkrankungen pro Jahr führen kann [6].

Ebenfalls können Hitzewellen die Krankenhauseinweisungen von Menschen mit Diabetes aufgrund verschlechterter Einstellung und verschlechterter Glukosetoleranz erhöhen [7]. Hitzestress kann bei Menschen mit Diabetes zu Hitzeerschöpfung oder Hitzschlag führen, da sie möglicherweise weniger in der Lage sind, Temperaturschwankungen wahrzunehmen und darauf zu reagieren.

Besonders Patienten über 65 Jahre mit entsprechender Komorbidität (Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) sind hier besonders gefährdet [8].

Extreme Wetterbedingungen

Klimawandelbedingte Wetterextreme wie Dürren oder Überschwemmungen beeinträchtigen heute schon die landwirtschaftliche Produktion, reduzieren die Nahrungsmittelversorgung und -qualität und erhöhen die Lebensmittelpreise. Eine unausgewogene Ernährung kann zur Entwicklung von Adipositas und Typ-2-Diabetes beitragen.

Erhöhte Lebensmittelpreise oder -knappheit können dazu führen, dass Menschen zu billigeren, weniger nahrhaften Optionen greifen, was die Adipositas, einen der Hauptrisikofaktoren für Typ-2-Diabetes, verschlimmern kann. Extreme Wetterbedingungen, die in der Klimakrise immer häufiger auftreten, sei es Hitze oder Kälte, halten Menschen davon ab, im Freien körperlich aktiv zu sein, da der persönliche Komfortbereich verlassen wird.

Ein Rückgang der körperlichen Aktivität ist ein bekannter Risikofaktor für Typ-2-Diabetes [9]. Menschen mit Typ-2-Diabetes können wiederum durch ihren Lebensstil und ihre Ernährungsgewohnheiten (Überernährung, fleischreiche Kost und Verzehr von rotem Fleisch (Rind, Schwein) zum Klimawandel beitragen.

Stress

Psychischer Stress, der durch extreme Wetterereignisse, Umsiedlung aufgrund des steigenden Meeresspiegels oder den Verlust von Eigentum entsteht, kann psychische Probleme verschärfen. Akuter und chronischer Stress kann sich auch negativ auf die Diabetesbehandlung auswirken.

Untersuchungen konnten zeigen, dass sich der HbA1c- und Blutzuckerspiegel verschlechtern, sogar noch 16 Monate später [10]. Von der Ahrtal-Katastrophe waren besonders viele ältere Menschen betroffen; Nachuntersuchungen [11] stehen noch aus.

Der Klimawandel verschärft zudem sozioökonomische Stressfaktoren, vor allem in vulnerablen Gemeinschaften. Stress, Armut und eingeschränkter Zugang zu gesunden Lebensmitteln und medizinischer Versorgung können die Diabetesversorgung verschlechtern.

Vektoren

Durch das Ansteigen der Temperaturen vergrößert sich der Aktionsradius vieler Vektoren (zum Beispiel Mücken, Zecken), was die Verbreitung von Infektionserkrankungen erhöht. Dies hat wiederum einen Einfluss auf Patienten mit Diabeteserkrankungen, da Infektionen die Therapie erschweren [12].

Luftverschmutzung

Luftverschmutzung ist ein Hauptrisikofaktor für Diabetes, das zeigt auch eine Studie der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung [13]. Anthropogene Aktivitäten verschlechtern die Luftqualität, erhöhen die Feinstaubbelastung und den Ozongehalt – alles Faktoren, die auch zelluläre Schädigungen verursachen.

Durch den Klimawandel kommt es zu einer massiven Zunahme von Waldbränden und verstärkter Rauchbelastung, was indirekt die Diabetes-Inzidenz beeinflusst. Einige Studien haben gezeigt, dass Feinstaub (PM2,5) und andere Schadstoffe in der Luft systemische Entzündungen im Körper auslösen können.

Chronische Entzündungen sind mit Insulinresistenz und Beta-Zell-Dysfunktion verbunden, zwei Hauptmerkmale von Typ-2-Diabetes [13]. Luftverschmutzung kann den oxidativen Stress in den Zellen erhöhen, was wiederum die Insulinaktivität und Glukosetoleranz beeinträchtigt und das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass Schadstoffe in der Luft den Fettstoffwechsel stören und zur Ansammlung von viszeralem Fett beitragen können, was die Insulinresistenz fördert [14]. Schadstoffe in der Luft können direkte toxische Wirkungen auf die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse haben und ihre Fähigkeit zur Insulinproduktion beeinträchtigen [15].

Luftverschmutzung kann auch zu Gefäßerkrankungen beitragen, die bei Menschen mit Diabetes häufiger auftreten und ihrer Gesundheit weiter schaden können.

Fazit

Zwischen Diabetes und dem Klimawandel besteht eine vielschichtige und komplexe Wechselwirkung, die wir erst langsam zu verstehen beginnen. Multifaktorielle Maßnahmen wie verbesserte Betreuung, Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und klimaresiliente Gesundheitssysteme sind nötig.

Der Gesundheitssektor ist mit über 5 Prozent der Emissionen ein großer C02-Emitter. Gerade die Diabetestherapie ist besonders verbrauchs-, verpackungs- und plastikintensiv, was Auswirkungen auf die Umwelt und unser Klima hat.

Umweltschonendere Optionen sind vorhanden und sollten angewendet werden [16]. Das Allerwichtigste wäre allerdings ein Einstehen von Regierungen zur Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens, um Gesundheitskosten zu reduzieren und unsere Lebensqualität nicht zu gefährden.

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.

Literatur:

  1. Costello A et al, 2009. Managing the health effects of climate change. Lancet, 373(9676), 1693–1733. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(09)60935-1
  2. Romanello M et al, 2022. The 2022 report of the Lancet Countdown on health and climate change: Health at the mercy of fossil fuels. Lancet (London, England), 400(10363), 1619–1654. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01540-9
  3. Lob-Corzelius T, Weimann E, 2022. Neonatologie und Pädiatrie. In Planetary Health Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän (pp. 194–203). Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
  4. Hong Sun et al. IDF Diabetes Atlas: Global, regional and country-level diabetes prevalence estimates for 2021 and projections for 2045. Diabetes Research and Clinical Practice, Volume 183, 2022, 109119, ISSN 0168-8227, https://doi.org/10.1016/j.diabres.2021.109119
  5. Ratter-Rieck JM, Roden M, Herder C, 2023. Diabetes and climate change: Current evidence and implications for people with diabetes, clinicians and policy stakeholders. Diabetologia, 66(6), 1003–1015. https://doi.org/10.1007/s00125-023-05901-y
  6. Blauw L et al, 2017. Diabetes incidence and glucose intolerance prevalence increase with higher outdoor temperature. BMJ Open Diabetes Research & Care, 5(1), e000317. https://doi.org/10.1136/bmjdrc-2016-000317
  7. Semenza JC et al, 1999. Excess hospital admissions during the July 1995 heat wave in Chicago. American Journal of Preventive Medicine, 16(4), 269–277. https://doi.org/10.1016/s0749-3797(99)00025-2
  8. Pearson-Stuttard J et al. Variations in comorbidity burden in people with type 2 diabetes over disease duration: A population-based analysis of real world evidence. eClinicalMedicine 2022;52: 101584. Published online 1 August 2022. https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2022.101584
  9. Vallianou NG et al, 2021. Diabetes mellitus in the era of climate change. Diabetes & Metabolism, 47(4), 101205. https://doi.org/10.1016/j.diabet.2020.10.003
  10. Fonseca VA et al, 2009. Impact of a natural disaster on diabetes: Exacerbation of disparities and long-term consequences. Diabetes Care, 32(9), 1632–1638. https://doi.org/10.2337/dc09-0670
  11. The Flooding Catastrophe in the Ahr Tal and its Drastic Consequences | Earth Refuge. (2021, November 15). https://earthrefuge.org/the-flooding-catastrophe-in-the-ahr-tal-and-its-drastic-consequences/
  12. Cuschieri S, Calleja Agius, J, 2021. The interaction between diabetes and climate change—A review on the dual global phenomena. Early Human Development, 155, 105220. https://doi.org/10.1016/j.earlhumdev.2020.105220
  13. GBD 2019 Diabetes and Air Pollution Collaborators. (2022). Estimates, trends, and drivers of the global burden of type 2 diabetes attributable to PM2·5 air pollution, 1990-2019: An analysis of data from the Global Burden of Disease Study 2019. The Lancet. Planetary Health, 6(7), e586–e600. https://doi.org/10.1016/S2542-5196(22)00122-X
  14. Li Y et al. Association between air pollution and type 2 diabetes: an updated review of the literature. Ther Adv Endocrinol Metab. 2019 Dec 24;10:2042018819897046. doi: 10.1177/2042018819897046. PMID: 31903180; PMCID: PMC6931138.
  15. Du X et al, 2022. Traffic-related air pollution and genome-wide DNA methylation: A randomized, crossover trial. The Science of the Total Environment, 850, 157968. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.157968
  16. B.M.C. Medicine, 2023. Diabetes and climate change: Breaking the vicious cycle. BMC Medicine, 21(1), 281. https://doi.org/10.1186/s12916-023-02980-x
  17. Zilbermint M, 2020. Diabetes and climate change. Journal of Community Hospital Internal Medicine Perspectives, 10(5), 409–412. https://doi.org/10.1080/20009666.2020.1791027
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