© chaloemwut77 - stock.adobe.com Um 500 v. Chr. entwickelte sich unter dem Einfluss von Konfuzius eine naturwissenschftlichere Medizin.
In der folgenden Zhou- oder Chou-Dynastie (erstes vorchristliches Jahrtausend) herrschte eine Dämonenheilkunde vor. Krankheiten entstanden demnach durch Angriffe feindseliger Dämonen. Kranke waren von bösen Geistern besessen. Gegen den Einfluss der Dämonen sollten Amulette, Bannsprüche, aber auch Arzneimittel helfen.
Gleichzeitig, Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends, entwickelte sich aber auch eine mehr naturwissenschaftliche Medizin. Dieses heilkundliche System war stark geprägt von der Lehre des Konfuzius (551-479 v. Chr.). Grundlage waren dualistische Lebensphänomene, die im Gleichgewicht sein mussten. Wie Yin, das das weibliche Prinzip, Dunkelheit, Kälte und Feuchtigkeit symbolisiert, und Yang, das männliche Prinzip, Sonnenschein, Sommer und Hitze. Diese – und andere – konträren Kräfte konnten nur komplementär wirken, wenn sie im Gleichgewicht waren. Nur dann konnte ein Mensch gesund sein.
Dazu kam um etwa 300 v. Chr. die Lehre der fünf Handlungsphasen, ein Ordnungssystem, basierend auf den Naturphänomenen Wasser, Erde, Feuer, Holz und Metall. Dieses System wurde auf den Körper übertragen: Wasser entsprach den Nieren, Erde der Milz, Feuer dem Herzen, Holz der Leber, Metall der Lunge. Auch hier ist das Gleichgewicht entscheidend für die Gesundheit.
Auch das alternative philosophische Konzept des Taoismus ging in das chinesische Medizinsystem ein: Diese auf Makrobiotik, also Langlebigkeit, ausgerichtete Lehre betrachtete den Körper als Mikrokosmos, der dem Makrokosmos des Universums entspricht.
Ungleichgewichte führen zu Krankheiten
Diese Lehren und Philosophien haben die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), wie wir sie heute kennen, geprägt. Entstanden ist diese Art der Heilkunde ab dem 2. Jahrhundert v. Chr.. Die TCM ist von der Weltgesundheitsorganisation als medizinische Wissenschaft anerkannt. An dieser Stelle kann auf dieses äußerst komplexe Medizinsystem nur oberflächlich eingegangen werden.
In der Vorstellung dieser chinesischen Medizin beeinflussen innere und äußere Phänomene die Gesundheit. Ungleichgewichte führen zu Krankheiten. Zu wenig Yin etwa bedingt Mundtrockenheit, dunklen Urin oder Schlafstörungen. Zu wenig Yang führt zu kalten Gliedmaßen, viel klarem Urin oder langsamem Puls. Chinesische Ärzte sind deshalb bestrebt, das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang sowie ein ausgeglichenes Verhältnis der fünf Elemente im Körper zueinander wiederherzustellen.
An jedem Handgelenk werden zur Diagnostik sechs Pulse bestimmt. Das wird schon im alten Lehrwerk “Huangdi Neijing” beschrieben. Die chinesische Pulsmessung ist sehr komplex und detailliert, es braucht jahrelange Erfahrung. Außerdem werden etwa Farbe und Größe der Zunge, die Augen, Atem- und Körpergeruch und der Klang der Stimme begutachtet.
TCM – “ein großartiges Schatzhaus”
Im 17. Jahrhundert wurde die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) auch in Europa bekannt. Jesuitische Priester haben sie in China kennengelernt und dann im Westen verbreitet. In Europa war man schnell von der fremdartigen Medizin begeistert. Andererseits führte die Tätigkeit der jesuitischen Ärzte, von denen einige in China sogar als kaiserliche Leibärzte arbeiteten, dazu, dass man sich dort für die westliche Medizin interessierte. Bis zum abrupten Ende im Jahr 1724, als alle ausländischen Missionare des Landes verwiesen wurden.
Im 19. Jahrhundert wurde die missionsärztliche Tätigkeit wieder aufgenommen. China war damals politisch und kulturell nach innen und außen geschwächt und hatte der kulturimperialistischen Invasion des Westens nichts entgegenzusetzen. Das führte dazu, dass sich einerseits die westliche Medizin schnell in China verbreitete und andererseits die traditionelle chinesische Medizin langsam verschwand. Allerdings gab es immer Ärzte, die für die TCM kämpften.
Anfang des 20. Jahrhunderts sah die junge kommunistische Partei dann in den alten Traditionen einen Hauptgrund für den Niedergang Chinas. Vor allem die chinesische Medizin wurde stark kritisiert, etwa als “Jahrtausende alter Misthaufen”. Erst Ende der 50er Jahre bemühte sich Mao Zedong, die TCM zu rehabilitieren: Sie sei “ein großartiges Schatzhaus”. In den folgenden Jahrzehnten kam es in China zu einer fruchtbaren Verbindung von traditioneller und westlicher Medizin.
© izikmd - stock.adobe.com Bei der Moxibustion soll durch das Abbrennen pulverisierter Beifußblätter das Yang stimuliert werden.
Diätetik, Akupunktur, Moxibustion
In der chinesischen Medizin wurden von Anfang an Medikamente eingesetzt. Auch eine makrobiotisch orientierte Diätetik und Massagen gehören zur Therapie. Weitere Behandlungsformen sind bekanntlich die Akupunktur und die Moxibustion. Laut dem “Huangdi Neijing” fließt die Lebensenergie, Chi, entlang von 12 Hauptmeridianen durch den Körper. Jeder Meridian steht mit bestimmten Organen und Körperfunktionen in Beziehung. Auf den Meridianen liegen 365 Punkte, an denen der Fluss des Chi durch Nadelstiche beeinflusst werden und so der Patient gesunden kann.
Diese Methode ist bereits seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. belegt und stammt noch aus der Zeit der Dämonenmedizin. Ursprünglich zielten die Einstiche mit feinen Silber- oder Goldnadeln wohl auf die Sitze der bösen Geister. Darauf deuten jedenfalls die Namen von Akupunkturpunkten: “Dämonenherz” oder “Dämonenweg”. Im “Huangdi Neijing” beschäftigen sich drei Kapitel mit der Akupunktur. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das System dann ausdifferenziert und erweitert.
Bei der Moxibustion wird ein kleiner Kegel aus Moxa, das sind pulverisierte Beifußblätter, auf den entsprechenden Akupunkturpunkt gelegt oder darüber gehalten und angezündet. Die Hitze führt dazu, dass Yang zunimmt.
Inzwischen gibt es Studien zu Akupunktur, die belegen, dass die Behandlung bei chronischen Schmerzen erfolgreich sein kann. Diese Studien stammen auch aus dem Westen, wo die Akupunktur viele Anhänger hat und die westlichen Therapieformen, vor allem in der Schmerztherapie, ergänzt.
Auch die Pharmakopöe der TCM hat die westliche Medizin bereichert. Bekanntlich gibt es heftige Kritik wegen der Verwendung von Teilen bedrohter Tiere wie Tiger oder Seepferdchen. Doch manche der in der TCM eingesetzten Heilpflanzen sind im Westen übernommen worden. So ist zum Beispiel der Einjährige Beifuß, der in der TCM seit Jahrhunderten verwendet wird, die Basis eines modernen Malariamittels: des Artemisinin.
Quellen u.a.:
Eckart, Wolfgang: “Geschichte der Medizin”, Springer-Lehrbuch.
Paul, Gill: “Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten”. Haupt Verlag, Bern, 2016.
Unschuld, Paul U: “Die erstaunliche Wiederkehr der Traditionellen Chinesischen Medizin”. Spektrum der Wissenschaft 2013