Forum PolitikVERAH®: Für jede Praxis ein Gewinn

Hausbesuche, Impfsprechstunde oder Fall-Management: Qualifizierte Medizinische Fachangestellte entlasten Hausärzte und steigern den Wert einer Praxis. Seit sieben Jahren profitieren Hausarztpraxen von VERAH®. Mit der NäPA bekommt sie nun Gesellschaft, die aber nicht jeder nach EBM abrechnen darf. Ein Überblick.

Die besonders qualifizierten Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH®) sind für Hausärzte nicht mehr wegzudenken. Seit 2008 entlasten sie Hausärzte im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Heute gibt es bundesweit schon mehr als 6.500 VERAH®. Jetzt haben die Körperschaften diese Grundidee aufgegriffen, mit der Nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPA) aber eine schlechtere Kopie geschaffen. Seit 1. Januar können Leistungen der NäPA nun im EBM abgerechnet werden. Seitdem stellen sich für Hausärzte daher einige Fragen, etwa wie sich VERAH® und NäPA unterscheiden.

Beide sind besonders fortgebildete Medizinische Fachangestellte (MFA), aber nur VERAH® ist speziell für die Bedürfnisse in der Hausarztpraxis qualifiziert. Während der Deutsche Hausärzteverband das VERAH®-Curriculum mit dem Verband der Medizinischen Fachberufe entwickelt hat, stammt die Fortbildung zur NäPA von der Bundesärztekammer (BÄK) – im Wesentlichen angestoßen vom Pflegeweiterentwicklungsgesetz 2008. Es ermöglichte, vom Arzt angeordnete Hilfeleistungen an qualifizierte MFA zu delegieren. In den Anlagen 8 und 24 zum Bundesmantelvertrag Ärzte wurden dann die Details geregelt.

2010 legte die BÄK das NäPA-Curriculum vor. In einigen Regionen sind seitdem weitere Modelle entstanden, etwa agnes zwei, MoNI oder Mopra. Als EVA werden MFA bezeichnet, die das NäPA-Curriculum in Nordrhein oder Westfalen-Lippe abschließen. VERAH® und NäPA sind aber die einzigen, deren Ausbildung bundesweit gültigen Curricula folgt, daher beschränkt sich der Vergleich auf sie.

Gegenseitige Anerkennung

VERAH® und NäPA unterscheiden sich grundlegend. Dem Deutschen Hausärzteverband war es von Anfang an wichtig, alle Facetten einer Hausarztpraxis in der Fortbildung der MFA abzubilden. Neben medizinischen Inhalten fokussiert die VERAH®-Ausbildung daher auch stark auf Case- und Praxismanagement. Zudem soll sie für MFA und Praxisinhaber gut mit dem Praxisalltag vereinbar sein, um die Inhalte schnell in der Praxis anwenden zu können und zu entlasten. Die NäPA setzt schwerpunktmäßig auf medizinisch-theoretisches Wissen. Schon im Januar 2014 haben sich Deutscher Hausärzteverband und BÄK auf ein Memorandum geeinigt, wie die unterschiedlichen Fortbildungen gegenseitig anerkannt werden können.

Damit eine VERAH® eine NäPA-Qualifikation erhält, muss sie 20 Theoriestunden (Sterbebegleitung, Schmerz, Demenz, Ulcus cruris), 20 Hausbesuche und eine Prüfung über diese Inhalte ablegen. Umgekehrt müssen NäPA zusätzlich das VERAH®-Modul Praxismanagement, 40 Stunden praktische Tätigkeit nachweisen sowie dazu eine Prüfung beim Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF) bestehen. Teilweise gibt es auf Länderebene spezifische Regelungen zur Anerkennung.

Abrechnung

VERAH® oder NäPA? Die Art der Qualifikation spielt in Praxisalltag wie für die Abrechnung eine Rolle. Während die VERAH® leicht über die HZV abzurechnen ist, wurden für die NäPA-Vergütung nach EBM viele Hürden für Hausärzte aufgebaut.

Die VERAH® punktet in der HZV mit einer einfachen Abrechnung – für die Vorhaltung einer VERAH® wird in der Regel ein Zuschlag von fünf Euro auf die Chronikerziffer P3 gewährt. Bei der HZV hängen die Honorare also nicht von der Praxisgröße ab. In der HZV werden sowohl die Pauschalen oder aber die als Einzelleistung vergüteten Hausbesuche der VERAH® bezahlt. Das gilt für jeden als Chroniker abgerechneten Patienten sowohl für jeden VERAH®-Hausbesuch zu Hause, im Heim und für jeden Mitbesuch. Die Anzahl der Pauschalen oder Einzelleistungen ist keinerlei Einschränkungen unterworfen.

Im KV-System ist die Abrechnung von NäPA- Leistungen an einige Hürden geknüpft, etwa eine Mindestzahl behandelter Patienten. Diese Zahl kann bei entsprechender Praxisgröße durchaus in einem Quartal vorhanden sein. Schrumpft aber der Patientenstamm, etwa weil Patienten die Praxis wechseln, müssen Ärzte damit rechnen, dass die Quote der Behandlungsfälle nicht mehr erzielt wird und damit auch die Genehmigung verloren geht.

Details: Die Genehmigung zur Abrechnung nach EBM erhalten Hausärzte, die in den letzten vier Quartalen durchschnittlich mindestens 860 Behandlungsfälle abgerechnet haben oder mindestens 160 Patienten betreuen, die 75 Jahre und älter sind. Dies gilt pro Vollzulassung, bei anteiliger Zulassung werden die Zahlen adäquat reduziert. Zudem ist die Auszahlung der Pauschale 03060 auf maximal 584 Behandlungsfälle pro Praxis begrenzt, wobei von diesen alle HZV-Fälle abgezogen werden müssen. Hausärzte, die an Selektivverträgen teilnehmen, werden also systematisch von zusätzlichen Honorarmitteln ausgeschlossen.

Sonderfälle der NäPA-Abrechnung

BAG: In einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einer Praxis mit angestellten Ärzten werden die für die Genehmigung relevanten Behandlungsfälle folgendermaßen gezählt: Für einen Arzt mit Vollzulassung werden jeweils 860 Fälle oder 160 Patienten älter als 75 gerechnet. Für jeden weiteren Arzt eine reduzierte Zahl von 640 oder 120 Fällen. Bei Ärzten mit anteiliger Zulassung zählt auch nur die anteilige Zahl von Behandlungsfällen. Ein Beispiel: BAG mit drei Ärzten, zwei mit Vollzulassung und ein angestellter Arzt mit halber Zulassung. Nötig sind 860 + 640 + 320 = 1.820 Behandlungsfälle oder 180 + 120 + 60 = 360 über 75-Jährige.

Job-Sharer: Bei Jobsharer-Praxen (ein Praxisinhaber, ein Jobsharer) wird die Praxis wie eine Einzelpraxis behandelt, da durch das Jobsharing die Praxisgröße, also die Zahl behandelter Patienten, nicht wesentlich steigen darf (§ 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Dies führt dazu, dass eine Praxis mit einem angestellten Arzt mit halber Zulassung 1120 (860+320) Fälle nachweisen muss, eine Jobsharer-Praxis mit einem angestellten Jobsharer mit halber Zulassung jedoch nur 860 Fälle. Neue Praxen: Für neue und junge Praxen, die weniger als 18 Monate zugelassen sind, gibt es eine Sonderregel im EBM. Sie müssen für die ersten 18 Monate keine Mindestzahlen vorlegen, um eine Abrechnungsgenehmigung für die Nummern 03060, 03062, 03063 zu erhalten. Erst ab dem 19. Monat greift dann die Nachweispflicht.

Neue Praxen: Für neue und junge Praxen, die weniger als 18 Monate zugelassen sind, gibt es eine Sonderregel im EBM. Sie müssen für die ersten 18 Monate keine Mindestzahlen vorlegen, um eine Abrechnungsgenehmigung für die Nummern 03060, 03062, 03063 zu erhalten. Erst ab dem 19. Monat greift dann die Nachweispflicht.

Weitere Benefits für die Praxis

Auch wenn wir hier in erster Linie einen Blick auf die Abrechnung von VERAH® und NäPA werfen, darf der eigentliche Benefit speziell ausgebildeter MFA nicht aus den Augen gelassen werden. Die Delegation unter ärztlicher Aufsicht etwa von Hausbesuchen entlastet Hausärzte und schafft Zeit für andere Aufgaben. Bei VERAH® machen Hausbesuche nur etwa ein Viertel der Tätigkeit aus. Gut ausgebildet sind sie auch für das Management und die Betreuung der Disease-Management-Programme und der HZV-Verträge. Zudem können sie bei der Planung und (mit dem Arzt) Durchführung von reisemedizinischen Sprechstunden, Impfungen/Impfsprechstunden oder einer Akutsprechstunde für akute Krankheitsprobleme unterstützen. Das hilft, den Praxisablauf zu optimieren.

Hausärzte sollten dabei frühzeitig daran denken, wie ein plötzlicher Ausfall (längere Krankheit, Kündigung) einer VERAH® kompensiert werden kann. Gerade hier wäre eine zweite qualifizierte MFA sinnvoll – auch bei dünner Personaldecke und nicht nur in großen Praxen mit entsprechendem Bedarf. Nicht zuletzt werten Hausärzte auch die Tätigkeit ihrer MFA mit einer Weiterbildung auf.

Darüber hinaus sind qualifizierte MFA ein ideeller Mehrwert für die Praxis. Ärzte sollten sich daher nicht scheuen, Zertifikate für Patienten sichtbar in der Praxis sowie in der Außendarstellung (Internet, Praxis-Zeitung u.ä.) zu präsentieren. So wird die Bindung bestimmter Patienten an die eigene Praxis gestärkt. Besonders wenn Ärzte erklären, welchen Nutzen Patienten davon haben, etwa eine umfassendere Betreuung chronisch kranker, älterer und immobiler Patienten.

Ein weiterer Pluspunkt zeigt sich bei der Praxisabgabe oder -verkauf. Qualifizierte MFA und effiziente Praxisabläufe steigern den Wert der Praxis. Denn auch der Nachfolger profitiert von der Entlastung.

Fazit

Besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen sind ein Gewinn für die Praxis. Die Praxis profitiert finanziell und „ideell“, wenn man die gezielte Versorgung chronisch kranker und alter Menschen betrachtet. Zudem werten Praxisinhaber die Tätigkeit ihrer Mitarbeiterinnen auf. Bei Hausbesuchen bekommen MFA oft einen anderen, entspannteren Kontakt zu Patienten, da die Patienten die „Gastgeber“ sind. Die so gewonnenen Informationen zu Befinden und aus dem Umfeld des Patienten sind auch für den Arzt hilfreich.

Sofern auch MFA auf Hausbesuche fahren, sollten Hausärzte aber einige Fragen klären: Eigenes oder Praxisfahrzeug? Einige Landesverbände des Deutschen Hausärzteverbandes bieten hier Sonderkonditionen für ein VERAH®mobil an. Wie ist die Entschädigung geregelt: Benzingutscheine, Kilometergeld, Monatspauschale? Auch die Haftung bei einem Unfall und eventuelle Schadenersatzzahlungen sollten geklärt sein.

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