Hausarzt MedizinSind Antibiotika sinnvoll?

In Deutschland läuft seit 2013 die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte ABACOPD-Studie, die erstmals mit einem geeigneten Studiendesign untersucht, ob Antibiotika wirklich eine sinnvolle Therapieoption darstellen. Die Unterstützung aller Ärzte, die Patienten mit COPD-Exazerbationen behandeln, ist gefordert, um endlich Klarheit in diesem wichtigem Punkt zu erlangen.

Jährlich werden ca. 300 Tonnen Antibiotika in Deutschland verordnet. Bei ambulanten Patienten wurden vor allem Amoxicillin (80 Tonnen), andere Betalaktame (35 Tonnen) und Fluorochinolone (25 Tonnen) verschrieben. Die akute Exazerbation der COPD ist eine häufige Indikation für Antibiotikaverordnungen. Eine retrospektive Kohortenstudie, die in 360 Krankenhäusern in den USA durchgeführt wurde, dokumentiert, dass bei 85 Prozent aller hospitalisierten COPD-Exazerbationen Antibiotika eingesetzt werden.

Diese Zahlen sind beeindruckend, da die Wirksamkeit von Antibiotika bei diesem sehr häufig in der Praxis vorkommendem Krankheitsbild kaum belegt ist. Man geht davon aus, dass etwa 70 Prozent aller COPD-Exazerbationen infektiöser Genese sind. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle Bakterien nachgewiesen werden können. Darüber hinaus ist der Nachweis von Bakterien, z.B. im Sputum von COPD-Patienten kein Beweis für eine akute Infektion, da viele COPD-Patienten chronisch mit Bakterien besiedelt sind (Kolonisation). Weiterhin wurde gezeigt, dass in mehr als der Hälfte der Exazerbationen Atemwegsviren eine Rolle spielen.

Weder bei der Kolonisation noch bei viralen Infektionen besteht eine Indikation für Antibiotika. Darüber hinaus ist eine nicht indizierte Antibiotika-Therapie nicht nur mit dem gesellschaftlichen Problem der zunehmenden Antibiotika-Resistenz verknüpft, sondern vor allem auch mit den individuellen, teils schwer verlaufenden Nebenwirkungen, vor allem auf gastrointestinalem Gebiet, z.B. Diarrhö, häufig ausgelöst durch Clostridium difficile.

Studienlage

2012 wurde zu diesem Thema ein Cochrane-Review veröffentlicht. Es wurden insgesamt 16 Studien mit insgesamt 2.068 Teilnehmen zum Thema identifiziert. Nur die aktuellste Studie zeigte einen Vorteil für Antibiotika im Vergleich zu Placebo. Diese Studie hatte jedoch, wie fast alle früheren Studien einen entscheidenden methodischen Fehler. Es wurden nicht systematisch, so wie in allen verfügbaren Leitlinien empfohlen, systemische Kortikosteroide verabreicht. Weniger als 20 Prozent aller Studienteilnehmer erhielten systemische Kortikosteroide!

Somit ist ein zusätzlicher Effekt von Antibiotika nicht sinnvoll zu beurteilen. Die einzige, bislang publizierte Studie, die systemische Kortikosteroide als Standardtherapie vorgesehen hat und den zusätzlichen Nutzen von Antibiotika, in diesem Falle Doxycyclin, untersuchte, konnte keinen Vorteil für Antibiotika aufzeigen.

Die ABACOPD-Studie

Vor diesem Hintergrund hat sich die CAPNETZ-STIFTUNG entschlossen, die weltweit erste, ausreichend große Interventionsstudie zu entwickeln, welche die Wirksamkeit von Antibiotika bei moderaten COPD-Exazerbationen zusätzlich zu einer definierten Standardtherapie, untersucht. Studienziel ist der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit, da wir zeigen wollen, dass Antibiotika nicht notwendig sind, und somit Placebo dem Verum Antibiotikum nicht unterlegen ist.

Jeder Patient erhält im Rahmen der Studie eine definierte Standardtherapie, die aus Prednisolon 40 mg (oder Äquivalent) täglich für sieben bis zehn Tage, ausreichender Gabe von Bronchodilatatoren und ggf. Sauerstofftherapie im Fall von Hypoxämie, besteht. Die vorbestehende COPD-Medikation wird unverändert fortgesetzt. Die Patienten erhalten zusätzlich randomisiert entweder Sultamicillin 375 mg 2-mal täglich zwei Kapseln oder Placebo für jeweils fünf Tage. Der primäre Endpunkt ist Therapieversa gen nach 30 Tagen, definiert als zusätzliche Antibiotika-Gabe innerhalb von 30 Tagen. Wir untersuchen also, ob Patienten nach Einschätzung der behandelnden Ärzte im Verlauf der Exazerbation doch Antibiotika erhalten, unabhängig davon, ob sie nun im Verum- oder Placebo-Arm sind.

Die sekundären Endpunkte beschäftigen sich mit der Rückfallrate innerhalb von sechs Monaten, der Zeit bis zum Rückfall, der klinischen Heilungsrate und dem Langzeitverlauf der Lungenfunktion nach einem Jahr. Alle diese sekundären Endpunkte zielen darauf ab, zu zeigen, dass Patienten ohne Antibiotika nicht doch noch im Langzeitverlauf Nachteile erleiden. Die wesentlichen Ein- und Ausschlusskriterien sind in Tabelle 1 abgebildet. Derzeit wird die Studie an 21 klinischen Zentren in Deutschland durchgeführt (s.u.).

ABACOPD-Studie

Einschlusskriterien (Alle müssen zurtreffen)

  • Alter mindestens 40 Jahre

  • Diagnostizierte COPD

  • Aktuelle Exazerbation der COPD

  • Ausschluss einer Pneumonie Raucher (mindestens 10 Packungsjahre)

Ausschlusskritierien (keines darf zutreffen)

  • Pneumonie

  • Schwere Exazerbation, definiert durch Notwendigkeit der Atmungsunterstützung

  • Fieber (> 38,5 °C)

  • Akute Exazerbation eines Asthma

  • Sultamicillin-Allergie

  • Immunsuppression oder immunsuppressive Therapie

  • Orale/parenterale Einnahme von Antibiotika in den letzten 30 Tagen

  • Krankenhausaufenthalt innerhalb der letzten 30 Tage

  • Lebenserwartung maximal sechs Monate

  • Bekannte Bronchiektasen

  • Schwanger, stillend

Aufruf zur Teilnahme

Es hat sich herausgestellt, dass der Einschluss von Patienten bisher unbefriedigend ist. Der häufigste Grund für einen Nicht-Einschluss ist, dass die Patienten einige Tage vorher doch ein Antibiotikum vom niedergelassenen Arzt erhalten haben. Also genau die Situation, die wir untersuchen und ggf. verbessern wollen.

Daher rufen wir alle niedergelassenen Kollegen, die im Einzugsbereich der teilnehmenden klinischen Zentren tätig sind, auf, möglichst viele Patienten mit COPD-Exazerbation nicht antibiotisch vorzubehandeln, soweit medizinisch vertretbar. Und diese Patienten für die Studienteilnahme ans lokale klinische Zentrum zu verweisen. Nach unserer Schätzung würden wir das Studienziel innerhalb sehr kurzer Zeit erreichen können, wenn jeder niedergelassene Kollege ca. zwei bis drei Patienten melden könnte.

Sie können sehr gerne direkt Kontakt mit der CAPNETZ Geschäftsstelle aufnehmen. Ansprechpartner: Waldemar Kröner, Tel.: 0511-532-4447, E-Mail: kroener.waldemar@mh-hannover.de.

Literatur bei den Verfassern

Interessenkonflikte: keine

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