"Rauchende Köpfe"Wichtige ICD-Suchläufe zur Regressprophylaxe

Wenn Sie korrekt behandeln, aber falsch kodieren, ist dies mehr als ärgerlich: Denn bei einer Prüfung droht dann ein Regress. Dabei kann die Praxissoftware helfen, Diagnosen nicht zu vergessen. Die "Rauchenden Köpfe" haben die relevantesten ICD-Suchläufe für hausärztliche Praxen als Spicker zusammengestellt.

Wie kann die Praxissoftware dabei helfen, Diagnosen nicht zu vergessen?

Schon mal ein Medikament verordnet, aber die zutreffende ICD-Diagnose im Eifer des Gefechts vergessen zu notieren und somit bei der Abrechnung zu übermitteln? Das passiert in den besten Praxen. Eine häufige Fehlerquelle sind auch Rezepte für Blutdruck- und Schilddrüsen-Medikamente im Vertretungsfall, bei denen man dann aber nur die Hypertonie als ICD dokumentiert.

Das Problem: Bei solchen Fällen schlagen die internen Prüfroutinen der Praxissoftware (PVS) in der Regel nicht an, da ein einzelner ICD-Kode in Kombination mit einer Gebührenordnungsposition für die KV-Abrechnung reicht.

Programmhilfen, die einen darauf hinweisen, dass man Ramipril verordnet hat, sich dazu aber keine passende Diagnose (wie etwa ICD I10-I15 oder I21-I25) in der Abrechnung findet, wären wünschenswert, gibt es aber leider nicht.

Solche Fehler fallen einem oft erst auf und werden zum Problem, wenn Kassen kurz vor Verjährungsfrist eigene Prüfläufe starten und daraufhin Regressanträge wegen “Unwirtschaftlichkeit in Ermangelung eines zulassungsrechtlich abgedeckten Erkrankungszustands im Verordnungsquartal – behelfsweise nicht genehmigter Off-Label-Use” stellen.

Um dem vorzubeugen, wollen die “Rauchenden Köpfe” Wege zeigen, wie man dieses Regressrisiko und die bei einer Prüfung nötigen Stellungnahmen zumindest reduziert.

Sicherlich ist dies wieder etwas mehr “Bürokratie aus Eigenschutz”, der Praxisteams von der Patientenversorgung abhält, denkt man sich aber in die Sichtweise der Kostenträger, also Krankenkassen, hinein, erkennt man: Vergessene Diagnosen bedeuten für sie weniger Geld aus dem Risikostrukturausgleich und potenziell einen Leistungserbringer, der dann den Ausfall aus privater Kasse zahlt.

Natürlich wäre es schöner, wenn es diesen Mechanismus nicht gäbe, da dies aber politisch nicht durchzusetzen ist, kostet dies dann letztlich Zeit für die Patientenversorgung.

Aber auch medizinisch kann die Diagnoseprüfung durchaus Sinn ergeben: Denn nur wenn eine Zulassung des Medikaments für die gefundene Diagnose vorliegt, sollte man damit therapieren. Wie entdecken Sie nun fehlende ICD-Codes?

1. Übersicht über die Verordnung

Jedes vernünftige PVS sollte eine Statistik über die in der Praxis verschriebenen Medikamente erstellen können. So bekommen Sie eine objektive Übersicht über Ihr individuelles Verordnungsverhalten. Orientieren kann man sich allerdings auch an deutschlandweiten Auswertungen (zum Beispiel unter www.hausarzt.link/FVunE).

Hausärztlich dürften bei den Verschreibungen weit vorne dabei sein: Antihypertensiva, Analgetika, Protonenpumpenhemmer (PPI), Antidepressiva, Antidiabetika, Antikoagulanzien und Inhalativa für COPD und Asthma sowie Antibiotika.

Mit Ihrer praxiseigenen Liste sollten Sie dann im PVS Suchläufe fürs Quartalsende erstellen, die vergessene Diagnosen/Dauerdiagnosen aufzeigen. Leider unterscheiden sich die Suchmöglichkeiten der PVS deutlich: Manche PVS bieten sehr detaillierte Suchkriterien an, rudimentäre Suchen sollten aber überall funktionieren! Wenn es nicht klappt, liegt es oft auch an unzureichender Kenntnis im Umgang mit dem Programm.

Tipp: Auch wenn eine PVS-Schulung erstmal eine Investition ist, so zahlt sich diese in der Regel aus, etwa durch Zeitersparnis, weil Sie das PVS dann an vielen Stellen im Praxisalltag entlasten oder unterstützen kann.

2. Nach ATC-Kode filtern

Besonders gute Programme ermöglichen zusätzlich ein Filtern und Suchen nach ATC-Klassifikation. Hinter ATC versteckt sich die “Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation”. Zwar haben Metformin, Glibenclamid, Empagliflozin und Insulin auch eindeutige ATC-Kodes wie etwa A10BA02 für Metformin, aber alle beginnen mit “A10”.

Wer also nach ATC “A10” suchen kann und dies mit fehlendem Diabetes-ICD E10-E14 verknüpft, erhält schnell eine Übersicht, wo ICD-Kodes nachgearbeitet werden müssen. Um die häufigsten Verschreibungen zu checken, braucht man dann nur 10-15 Suchen insgesamt.

Tipp: Eine Liste der häufigsten ATC-Kurzkodes haben die “Rauchenden Köpfe” zum Download zusammengestellt (siehe Kasten am Anfang dieses Textes).

Alternativ: häufige Arzneien suchen

Leider bieten nicht alle PVS eine ATC-Suche. Ist dies bei Ihnen der Fall, müssen Sie ihre Suchstrategie ändern. Fokussieren Sie dann auf häufige Medikamente wie etwa ACE-Hemmer und vor allem auf hochpreisige Medikamente.

Ein Beispiel: Entresto® senkt aus unserer Erfahrung sehr stark den Blutdruck, sodass es viele ambulante Patientinnen und Patienten sowieso nicht vertragen, es kann aber beispielsweise bei einer therapierefraktären Hypertonie versucht werden.

Wichtig: Die Zulassung und Kostenübernahme durch die gesetzlichen Kassen bezieht sich aber auf “Behandlung einer symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion bei erwachsenen Patienten” – hier wäre also ein “Hypertonie-ICD” mit I10 beginnend falsch.

Es sollte mindestens I50.9 “Herzinsuffizienz, nicht näher bezeichnet” oder besser ICD I50.12 “Herzinsuffizienz bei stärkerer Belastung – NYHA 2” oder “schlechter” sein. I50.11 wäre wiederum schlecht geeignet, weil man damit “Ohne Beschwerden” kodiert. Gegebenenfalls ergänzt man noch um Alter >18 Jahre, sodass dann auch hier Sicherheit besteht.

Aufs Alter achten

Alter ist übrigens ein häufiges Problem, vor allem bei Asthmamedikamenten. Auch Leitlinien helfen dabei erstmal nicht weiter, so steht in der Nationalen Versorgungsleitlinie zum Off-Label-Use: “Die in der NVL Asthma empfohlenen Therapieoptionen sind nicht für alle adressierten Patientengruppen oder Indikationen zugelassen.

Auch weichen Dosisangaben in der NVL teilweise von Fachinformationen und damit von der Zulassung ab. Empfehlungen oder Angaben, die möglicherweise Off-Label-Use beinhalten, sind in der NVL nicht gesondert gekennzeichnet. Für den jeweils aktuellen Zulassungsstatus verweist die Leitliniengruppe auf die Fachinformationen der Hersteller.

Nach bisheriger Erfahrung der “Rauchenden Köpfe” hat man aber bei leitliniengerechter Therapie und guter Dokumentation in solchen Fällen gute Argumente, um sich bei einer Prüfung verteidigen zu können.

Wichtig: Die “Rauchenden Köpfe” wollen ausdrücklich nicht dazu aufrufen, Diagnosen der Medikation folgen zu lassen, sondern lediglich zur Vorsicht raten! Gerade teure und neue Medikamente werden gerne für Anwendungen beworben, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) oder das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) anders sehen.

Nur weil fachärztlich oder im Krankenhaus etwas empfohlen wurde, bedeutet es nicht, dass es dafür zugelassen, wirtschaftlich oder eine Rechtfertigung ist. Schickt man nämlich fürs nicht nachvollziehbare Rezept “zur fachärztlichen Verschreibung” zurück, dann wird es in der Facharztpraxis auch oft nicht rezeptiert.

Aus unserer Erfahrung die beste Strategie, um Regresse zu vermeiden, ist es, Arzneihersteller nicht in der Praxis zu empfangen und keine herstellerfinanzierten “Fortbildungen” zu besuchen. Auf den ersten Blick war die Veranstaltung gratis. Aber hinterher ist das Geld als Regress “fort”.

Suchtipps zu Blutdrucksenkern

Aber zurück zur Suchstrategie: Im Folgenden einige Hinweise, wie Sie vorgehen können, am Beispiel Blutdruck. Dieser wird oft mit ACE-Hemmern oder bei Unverträglichkeit mit Sartanen behandelt.

Tipp: Nicht jede/r verordnet das Generikum (austauschen wird es die Apotheke sowieso), daher sollten Sie bei diesem Verordnungsverhalten statt nach Ramipril eher nach Delix® suchen. Merke: Für solche Fälle ist Ihre praxisinterne Medikamenten-Statistik so wichtig.

Die “Rauchenden Köpfe” arbeiten durch ihre PVS unterstützt gerne mit den durch Wirkstoffnamen ergänzten Generika: RamiLich® ist gefolgt von Ramipril 1a Pharma® laut Statista in 2021 das am häufigsten abgegebene Medikament in Deutschland.

Tipp: Suchen Sie hier am besten nach “Rami” und fehlender ICD “I10-I15” oder fehlende “I21-I25”. Da es aber auch andere ACE-Hemmer gibt, wären hier eindeutige Wirkstofffragmente wie “Lisi/Enala/Capto” usw. und auch die Endung “pril” eine sinnvolle Strategie. Bei dem ebenso in die Suche aufzunehmenden “Sartan” wären “Losar/Cande/Valsa/Telmi/Olme” denkbar.

Wessen PVS eine ATC-Suche ermöglicht, spart Arbeit: Alle genannten Varianten finden Sie mit einer einzelnen Suche nach ATC “C09”. Hier subsumieren sich nämlich alle “Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System”.

Kommentar

Sicherlich ist dies zunächst mehr Aufwand und eine eigentlich “kranke” Reaktion auf ein “krankes Vorgehen”. Doch leider prüfen die Kostenträger zunehmend selbst günstige Medikamente, die nach Abzug der Zuzahlung nur 15 Euro pro Quartal kosten, um deren Kosten für die letzten drei Jahre (Verjährungszeitraum) wieder einzutreiben.

Die PVS-Suchen sind im ersten Quartal am aufwändigsten, danach geht es deutlich schneller – und sie beugen nicht nur dem finanziellen Schaden eines Regresses vor, sondern auch dem zeitlichen Aufwand eines Prüf- und Stellungnahmeverfahrens.

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