Forum PolitikSelektive Stringenz statt kollektiver Komplexität

Die Höhe von Fallwerten wird immer wieder herangezogen, um Kollektiv- und Selektivvertrag zu vergleichen. Dabei sind Durchschnittswerte der Fachgruppe im Kollektivvertrag kaum aussagekräftig für den einzelnen Arzt. Relevanter ist eine transparente Honorierung, die jeder Arzt auf den ersten Blick versteht.

Fallwerte oder Honorare über Selektivverträge einerseits und im Kollektivvertrag andererseits werden immer wieder berufspolitisch diskutiert. Dabei geht es überwiegend um die Frage nach der Höhe des Fallwertes oder des Honorars. Wie nicht anders zu erwarten, reklamiert dabei jede Seite für sich, die höheren Fallwerte zu generieren. Möglicherweise verläuft diese Diskussion auch deshalb so kontrovers, weil Fallwerte nur dann eine relevante Entscheidungsgröße darstellen, wenn sie auf der individuellen Ebene betrachtet werden. Der durchschnittliche Fallwert einer Fachgruppe sagt wenig bis gar nichts über den individuellen Fallwert eines Arztes dieser Fachgruppe aus.

Die Teilnahme an Selektivverträgen ist hingegen freiwillig, sodass jede Praxis – unter Berücksichtigung ihrer Situation – entscheiden kann, ob sie an einem oder mehreren Selektivverträgen teilnehmen möchte. Gerade aus Sicht der Hausärzte sind wir der Überzeugung, dass die Teilnahme an den Hausarztverträgen viele Vorteile bietet. Wir glauben aber ebenso, dass Hausärzte selbst am besten wissen, in welchem System sie ihre Patienten optimal versorgen können. Verlässt man die Ebene von Fallwert und Honorarhöhe und wendet sich der dahinterliegenden Systematik zu, lassen sich die Unterschiede zwischen Selektivverträgen – wie den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) der Hausärzteverbände – und Kollektivvertag einfach erkennen. Auf dieser Ebene sind die beiden Systeme grundverschieden.

Die arztindividuelle Vergütung im Kollektivvertrag erfolgt zu großen Teilen aus der Gesamtvergütung, welche ex ante feststeht. Wie die Gesamtvergütung berechnet wird, mag vom Prinzip her noch nachvollziehbar sein. Aber nur sehr wenige Ärzte dürften im Detail die Berechnungsschritte verstehen, die ein Euro auf dem Weg von einer Krankenkasse über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bis zum niedergelassenen Arzt durchläuft. Stichpunktartig seien nur einmal Veränderungsrate, Trennungsfaktor und Vorwegabzüge genannt. Die Höhe der Gesamtvergütung steht im Voraus fest, die Leistungsmenge aber nicht.

Somit müssen im Kollektivvertrag Mechanismen eingesetzt werden, durch die ein fixer Betrag auf eine ex ante unbekannte Menge an Leistungen verteilt werden kann. Hierzu müssen die „Preise der Leistungen“ variabel sein, was zum Beispiel Praxen mit überdurchschnittlich hohen Fallzahlen in Form von Abstaffelungen zu spüren bekommen. Als Abstaffelung bezeichnet man eine Minderung des Fallwerts für jeden Fall, der über 150 Prozent der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe liegt.

Bei HZV-Verträgen gibt es keine „ex ante Gesamtvergütung“. Hier verhandeln die Vertragspartner zunächst die selektivvertraglichen Leistungen samt der entsprechenden Vergütungshöhe. Nach Ablauf eines Quartals werden die erbrachten Leistungen der Kasse „in Rechnung gestellt“ und auf dieser Grundlage dann vergütet. Dieses Prinzip gilt auch für jene HZV-Verträge, die per Schiedsspruch festgesetzt werden. Lediglich die „Refinanzierungsklausel“ nach Paragraf 73b Abs. 5a SGB V blockierte dieses Prinzip vorübergehend. Sinnvollerweise haben Union und SPD vergangenes Jahr den Absatz wieder aus dem Gesetz gestrichen.

EBM viel komplizierter

Angesichts dieser grundlegenden Unterschiede verwundert es nicht, dass die Regelungen des EBM wesentlich komplexer sind als jene einer HZV-Honoraranlage. Betrachten wir als Beispiel die Vergütung von Leistungen einer besonders qualifizierten Medizinischen Fachangestellten (MFA) – Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis, VERAH®, in der HZV oder nicht-ärztliche Praxisassistentin (NäPA) im Kollektivvertrag: Seit dem ersten HZV-Vertrag (mit der AOK Baden-Württemberg seit Ende 2008) gibt es den VERAH®-Zuschlag. Praxen, die eine VERAH® beschäftigen und dies gegenüber dem HÄVG Rechenzentrum anzeigen, erhalten automatisch einen Zuschlag in Höhe von fünf Euro auf jede abgerechnete „Chronikerpauschale“. So einfach kann es sein.

Seit Januar 2015 können auch im Kollektivvertrag Leistungen besonders qualifizierter MFA abgerechnet werden. Die Regelungen sind aber wesentlich komplizierter. Im aktuellen EBM findet man hierzu folgende Erläuterung:

„Der Höchstwert für die Gebührenordnungsposition 03060 beträgt je Praxis 12.851 Punkte im Quartal. Sofern Fälle der tatsächlichen Inanspruchnahmen einer Arztpraxis gemäß Präambel 3.1 Nr. 11 mit in die Fallzählung einfließen, reduziert sich der Höchstwert um jeweils 22 Punkte je Fall gemäß Präambel 3.1 Nr. 11, jedoch auf nicht weniger als 0 Punkte. Die Gebührenordnungsposition 03060 wird entsprechend der Erklärung der Praxis durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung bis zum Höchstwert zugesetzt.“

Im Klartext: Der „NäPA-Zuschlag“ wird für maximal 584 Fälle (12.851 Punkte/22 Punkte) bezahlt, hiervon werden aber selektivvertragliche Fälle abgezogen. Eine Praxis, die im Quartal 584 oder mehr selektivvertragliche Fälle behandelt, bekommt daher – unabhängig von der Fallzahl im Kollektivvertrag, um den es hier gehen sollte – den Höchstwert von null Punkten, also null Euro! Diese Regelungen können Außenstehende kaum nachvollziehen. Immerhin kann der Zuschlag nicht negativ werden und wird von der KV zugesetzt.

Klare Strukturen

Die Ermittlung der Höhe der Gesamtvergütung im Kollektivvertrag zwischen Kassen und KVen ist für die meisten niedergelassenen Ärzte intransparent, zumindest aber undurchsichtig komplex. Gleiches gilt für die Berechnung der Honorare zwischen Ärzten und KVen.

In Selektivverträgen hingegen ist beides einfacher: Sowohl die Beziehungen zwischen Kassen und Managementgesellschaft der Hausärzteverbände können Ärzte leicht nachvollziehen, als auch das Verhältnis zwischen Ärzten und Managementgesellschaft.

Ein Beispiel:

100 Ärzte nehmen am HZV-Vertrag der Kasse X teil. Im zweiten Quartal 2015 rechnen sie insgesamt 1.000 Mal die Leistung Z ab (GOP Z, vergütet mit 40 Euro). Nun stellt die Managementgesellschaft des Hausärzteverbandes an die Kasse eine Rechnung über 40.000 Euro. Hat die Kasse diese beglichen, zahlt die Managementgesellschaft die teilnehmenden Ärzte aus. Allein die HZV-Verträge, die das HÄVG Rechenzentrum im Auftrag der Landesverbände des Deutschen Hausärzteverbandes abrechnet, generieren mittlerweile ein jährliches Honorarvolumen von rund einer Milliarde Euro. Selektivverträge für Fachärzte nach Paragraf 73c SGB V in Baden-Württemberg sowie weitere Verträge funktionieren nach genau diesem Prinzip.

Es ist also durchaus möglich, auch bei sehr großen Beträgen, eine transparente und für jeden verständliche Struktur zwischen Kassen und niedergelassenen Ärzten zu etablieren. Ein Vergleich zwischen Kollektivvertrag und Selektivvertrag auf dieser Ebene fällt daher leicht: Der Selektivvertag ist einfacher und vor allem deutlich transparenter!

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