Forum PolitikKlinik auf Rädern im vulkanischen Insel-Paradies

Über holprige, matschige Pfade, zwischen Palmen und Bananen-Plantagen bahnt sich Dr. Uta-Verena Gröschel mit der Rolling Clinic ihren Weg zu abgelegenen Dörfern. Sechs Wochen war die Allgemeinmedizinerin im Einsatz für „German Doctors“ auf Mindanao.

Sechs Wochen Abenteuer, voller Emotionen, neuer Krankheitsbilder und grenzenloser Dankbarkeit sollten mich erwarten, als ich Ende Januar zu meinem Einsatz für „German Doctors“ zu den Philippinen aufbreche. Ein wenig mulmig ist mir schon, schließlich warnt auch das Auswärtige Amt vor Terroranschlägen und Entführungen von Ausländern auf Mindanao, der zweitgrößten Insel des Landes, – aber ich versuche, es auszublenden. Vorfreude und Neugier überwiegen.

Nach 24 Stunden Flug heißt es erstmal „Mabuhay“ („Willkommen“)! Eine Nacht Zwischenstopp in Davao, dann fahre ich weiter mit dem Überlandbus nach Cagayan de Oro im Norden der Insel. Neun Stunden brauchen wir für die 300 Kilometer durch die Berge. Inmitten der traumhaften Landschaft vulkanischen Ursprungs, Tropenwäldern, Palmen- und Bananen-Plantagen säumen immer wieder armselige Hütten und Verkaufsstände den Straßenrand. Die ersten zwei Wochen verbringe ich in dieser quirligen Stadt mit 600.000 Einwohnern. Nach Angaben von German Doctors leben im Einzugsgebiet der Hilfsprojekte auf Mindanao mehr als zwei Millionen Menschen, viele von ihnen ohne ärztliche Versorgung und unterhalb der Armutsgrenze. Die Straßen sind voll von Menschen, bettelnden Kindern, ständig hupenden Jeepneys (Jeep-Kleinbusse), Tricycles und überladenen Motorellas. Die Luftverschmutzung ist hoch.

Ich helfe hier im German Doctors Hospital. Es gleicht aber eher einer Ambulanz, so gibt es keine stationären Betten. Das Doctors Hospital ist zuständig für arme und nicht versicherte Patienten im Umkreis von Cagayan, einige nehmen mehrere Stunden Anreise auf sich, um behandelt zu werden. Wird die Heimreise zu beschwerlich, dürfen sie im benachbarten Mothers House übernachten, das auch German Doctors betreibt, und bekommen dort sogar kostenfreie Mahlzeiten.

„Maayong buntag, Doktora Verena“

In meinen Sprechstunden steht mir Emeliza zur Seite, eine kompetente und erfahrene Dolmetscherin. Sie übersetzt für mich den örtlichen Dialekt Visayan ins Deutsche oder Englische. Ein paar Worte lerne ich mit der Zeit auch, zum Beispiel „Maayong buntag“: „Guten Morgen, Doktora Verena.“ An meinen Acht-Stunden-Tagen sehe ich im Schnitt 40 Patienten. Die meisten Krankheitsbilder ähneln denen in meiner heimischen Praxis: Atemwegsinfekte, Hypertonus und Diabetes. Gerade für Kinder ist Husten hier aber viel gefährlicher. Die meisten sind schlecht ernährt und ihr Immunsystem daher geschwächt. Hinzu kommen der Smog in den Großstädten, offene Feuerstellen in den Hütten und rauchende Väter und Großeltern. Ein Husten entwickelt sich also schnell zu einer Pneumonie. In meinen Health Lectures, in denen ich die Bevölkerung basismedizinisch aufkläre, wiederhole ich daher immer meinen Slogan: „Smoke kills kids!“

Daneben sehe ich im Hospital häufig Strumen bis hin zu Basedow mit Augensymptomen, Struma und Zeichen von Hyperthyreose. Leben die Patienten in abgelegenen Dörfern verschreibe ich Medikamente für sechs Wochen – bis der nächste Arzt ins Dorf kommt. Nahezu jeden Patienten, besonders Kinder, muss ich entwurmen. Der Befall führt nicht nur zu Anämie, sondern verschlimmert auch die Unterernährung, denn Würmer entziehen der sowieso schon wenigen Nahrung auch noch Vitamine und Eisen.

Viele Krankheiten sind der westlichen Welt aber doch eher unbekannt, etwa Unterernährung bei Erwachsenen, Tuberkulose, Hautkrankheiten, die mit Hygiene und Wassermangel zusammenhängen, Osteomyelitis oder Lepra. Mit zwei Kursen am Missionsärztlichen Institut Würzburg habe ich mich auf den Einsatz vorbereitet. In der Praxis bewegen einen die Schicksale aber noch mehr, als man es erahnen konnte. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Razel.

Die Achtjährige kam mit ihrem Onkel. Beim Spielen hatte sie sich mit Metall am Gehörgang verletzt. Sie war sehr ernst, was hier eher ungewöhnlich ist. Wie sich später herausstellte, war am Morgen ihre Mutter gestorben. Zuhause wohnte sie mit drei Geschwistern, der Vater war wohl Alkoholiker. Es brach mir fast das Herz – mehr als ihr Gummibärchen zu geben und sie zu trösten blieb mir nicht. „Sakit“, den seelischen Schmerz, konnte ich ja nicht behandeln.

Auf Cagayan folgen für mich zwei zehntägige Einsätze mit der Rolling Clinic. Diese Klinik auf Rädern ist ein Geländewagen, der neben dem nötigen medizinischen Material auch mich, drei Krankenschwestern, Hebammen oder Health-Worker, einen Fahrer sowie manchmal einen Zahnarzt transportiert. Wir fahren sehr abgelegene Dörfer im Landesinneren rund um Kadingilan an, in die sonst kein Arzt kommt. So werden sie zumindest alle sechs Wochen besucht.

In Kadingilan angekommen, stellen wir uns beim Bürgermeister vor, ein Kontakt, der sehr hilfreich sein sollte. Denn er stellt uns zweimal Benzingutscheine aus. Zudem bietet uns der Polizeipräsident eine Eskorte an, die wir aber dankend ablehnen, obwohl wir uns nahe der Grenze zum unsicheren muslimischen Gebiet befinden. Doch hier ist man sicherer ohne Polizei, da diese leider oft korrupt ist und Kriminelle unterstützt.

Neuer Tag, neues Dorf

Schilder informieren die Einwohner, wann die Rolling Clinic kommt. Wir werden mit großem Applaus begrüßt. Meine Health Lectures halte ich zwar in Englisch, meine Begleiterinnen übersetzen aber alles was ich sage, damit es jeder versteht. Wichtig sind vor allem Hygiene, Familienplanung, Infektionsprophylaxe oder Zahnhygiene. Auch das Team klärt auf. Karies ist hier an der Tagesordnung. Einige Male spendieren wir Zahnbürsten. Aus jedem Winkel des Dorfs rennen dann Kinder zu uns, warten begeistert und bedanken sich. Diese Freude, die man mit so wenig Einsatz schenken kann, ist unbeschreiblich! Manchmal zeigen auch Poster die Probleme der Dörfer wie schlechte Wasserversorgung, fehlende sanitäre Anlagen, zu wenig Anbau von Obst und Gemüse.

Ein großes Thema ist immer die Familienplanung. Eine meiner Patientinnen hatte mit 23 Jahren schon sechs Kinder. Je mehr Kinder, desto weniger können sie ernähren. Ganz zu schweigen von der Bildung. Wir geben Antibabypillen kostenfrei ab, auch können sich Mütter in staatlichen Häusern eine Spirale einsetzen oder nach der Geburt eine Ligatur machen lassen. Die Programme unterstützt sogar der Staat.

Die Behandlung in den Dörfern läuft so ab, dass ein Health Worker erst die Patienten registriert. Alle werden gewogen, bei Kindern bis zu fünf Jahren wird der Oberarmumfang gemessen, um Unterernährung festzustellen. Ebenso werden der Blutdruck und bei Fieber die Temperatur festgestellt. Alles tragen die Health Worker in eine Blue Card ein, diese muss jeder mitbringen, sonst wird er nicht behandelt. Dabei folgen wir dem SOAPSchema: Symptome, Untersuchungsbefund, Diagnose, Therapieplan.

In den Dörfern habe ich viel weniger Zeit pro Patient, hier behandle ich täglich um die 70. Einmal sogar 97. Meist verordne ich Medikamente, die es in den lokalen Health-Centern gibt. Manchmal sind die Arzneien jedoch aus, weil die letzte Lieferung nicht rechtzeitig kommt. Dann geben wir sie für sechs Wochen mit – bis wieder ein Arzt kommt. Nach der Sprechstunde findet mit Health Workern, Ortsvorstehern und Interessierten eine Besprechung statt. Dabei habe ich immer nochmal auf die zehn meisten „Killer Krankheiten“ hingewiesen. Bei den langen Fahrten beeindruckte mich nicht nur die schöne Landschaft, ich lernte auch viel über Land und Leute.

Natürlich muss man mit komplett anderen Verhältnissen zurechtkommen – so freut man sich schon über eine Gallone Wasser oder sanitäre Anlagen, wenn man zurück nach Cagayan kommt. Aber der Dank für die Mühe ist einem gewiss! Einmal sangen mir alle 100 Rathausmitarbeiter zum Geburtstag. Auch die glücklichen Kindergesichter, als sie für ein Stück Kuchen anstanden, werde ich nicht vergessen. Es waren mehr als 30, aber jeder bekam eines. Für manche der erste Kuchen in ihrem Leben.

Insgesamt bekam ich wesentlich mehr zurück, als ich investierte. Es sind Erfahrungen für mein ganzes Leben und ich komme mehr denn je zu der Überzeugung, dass wir unser Leben in Deutschland sehr schätzen sollten. Die medizinische Versorgung bei uns ist im Vergleich paradiesisch und dafür sollten wir dankbar sein!

German Docotrs e.V.

Die Nichtregierungsorganisation entsendet unentgeltlich arbeitende Ärzte in Projekte auf den Philippinen, in Indien, Bangladesch, Kenia und Sierra Leone. Sie setzt sich für die Gesundheitsversorgung aber auch die Ausbildung benachteiligter Menschen ein. Ärzte können sich als Kurzzeit- oder Langzeithelfer engagieren. Voraussetzungen:

  • Mindestens eineinhalb Jahre Berufserfahrung

  • Unentgeltlicher Einsatz

  • Ärzte spenden mindestens die Hälfte der Flugkosten

  • Ersteinsatz bis zum 70. Lebensjahr

  • Für Ärzte, die bereits einen Einsatz geleistethaben, gilt die Altersgrenze von 74 Jahren

  • Englischkenntnisse, für Nicaragua Spanischkenntnisse

Mehr unter: www.german-doctors.de

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