Experten Interview Vitamine: Auf Mangelzustände achten

Ausgewogene Kost schützt im Allgemeinen vor Vitaminmangel. Bei einseitigerErnährung, einer Reihe von Erkrankungen oder längerer Einnahme bestimmter Medikamente können sich aber Defizite entwickeln. Dr. med. Jürgen Herbers, Pleidelsheim, erklärt im Expertengespräch, worauf in der Praxis zu achten ist.

Ein Patient klagt über Müdigkeit. Er schlägt auch gleich die Diagnose “Vitaminmangel” vor und möchte einzelne Blutspiegel bestimmen lassen. Außerdem fragt er, ob er ein Multivitaminpräparat nehmen soll. Was raten Sie?

Herbers: Ich erkläre ihm, dass in seinem Fall ein Blutbild sowie eventuell Schilddrüsenwerte und Eisen aufschlussreicher sind als einzelne Vitaminspiegel, deren Messung ohne konkrete Hinweise auf eine Mangelerkrankung selbst zu bezahlen ist.

Gesunde Menschen, die sich vernünftig ernähren, decken im Allgemeinen ihren Vitaminbedarf. Ein Multivitaminpräparat hat hier keinen Nutzen. Es schadet aber auch nicht – vorausgesetzt, die Patienten rauchen nicht.

Auch in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) heißt es, dass Deutschland kein Vitaminmangelland sei. Allerdings kommt die Nationale Verzehrstudie II (NVS II) zu dem Schluss, dass bei manchen Vitaminen wie D, Folsäure, C, E und B12 ein Mangel nicht so selten sei.

Insbesondere viele Bewohner von Alten- und Pflegeheimen haben einen Mangel an einzelnen oder mehreren der genannten Vitamine. Das liegt an der oft einseitigen Ernährung und daran, dass ältere Menschen insgesamt weniger essen. Außerdem bestehen bei Ihnen oft Erkrankungen, die mit einer Resorptionsstörung einhergehen.

Ältere Menschen, die zu Hause leben, haben dagegen seltener einen Vitaminmangel.

Soll man bei Heimbewohnern routinemäßig den Vitamin-D-Spiegel bestimmen?

In den meisten Fällen kann man die Kosten dafür sparen und gleich Vitamin D verordnen. Anders ist das bei zu Hause lebenden Senioren. Hier ist der Vitamin-D-Spiegel oft nur leicht verringert und die Gabe von Vitamin D hat keine spürbare Wirkung.

Das gilt vor allem für viele unspezifische Symptome, die bisweilen einem Vitamin-D-Mangel angelastet werden, wie Müdigkeit, Schwindel, Haarausfall oder allgemeine Befindlichkeitsstörungen.

Ist es denkbar, dass diese Menschen zwar keine Mangelsymptome spüren, sich das verringerte Vitamin D aber zum Beispiel negativ auf die Knochendichte auswirkt?

Ja. Außerdem geht ein Mangel an Vitamin D mit gehäuften Stürzen und folglich erhöhtem Frakturrisiko einher, weil er auch die neuromuskuläre Übertragung beeinträchtigt.

Welche Dosis für Vitamin D ist sinnvoll?

Die DGE empfiehlt 800 Einheiten pro Tag, entsprechend 20 µg. Mit dieser Dosis ist man auf der sicheren Seite, das heißt es sind keine ungünstigen Effekte auf den Kalziumstoffwechsel oder das Parathormon zu befürchten.

Wie häufig sind Vegetarier und Veganer von einem Mangel an Vitamin B12 betroffen?

Vegetarische Ernährung muss nicht zu einem Vitamin-B12-Mangel führen, wenn man die Nahrung geschickt kombiniert, etwa morgens ein Hafermüsli mit Orangensaft statt mit Tee oder Kaffee. Das sichert eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 und Eisen.

Veganer haben dagegen grundsätzlich einen Mangel an Vitamin B12 und sollten das Vitamin immer zuführen. Empfohlen werden von der DGE 4 µg pro Tag. Auch Jodmangel ist bei veganer Ernährung häufig. Eine Substitution von etwa 100 µg täglich ist daher sinnvoll und völlig ungefährlich.

Kann ein Mangel an Vitamin B12 auch schon vorliegen, bevor man Megaloblasten im Blutbild findet?

Ja. Eine funikuläre Myelose oder eine Polyneuropathie können schon lange vor einer makrozytären Anämie auftreten.

Welche Medikamente können zu einem Vitamin-B12-Mangel führen?

Das sind in erster Linie Metformin und die Protonenpumpenhemmer. Allerdings wird ein Vitamin-B12-Mangel in der Regel erst nach etwa drei bis fünf Jahren manifest, weil die B12-Speicher sehr träge reagieren. Nach mehrjähriger Einnahme solcher Medikamente sollte man aber auf jeden Fall das Vitamin B12 bestimmen. Das wird gerade bei Patienten mit Typ-2-Diabetes unter Metformin in der Praxis viel zu oft übersehen.

Welche Routinekontrollen mit Blick auf Vitamine und Spurenelemente sollten bei Erkrankungen erfolgen, die mit einer verminderten Resorption einhergehen, etwa die chronischen entzündlichen Darmerkrankungen?

Alle Zustände, die mit Malassimilation verbunden sind, führen zu unterschiedlichen Mangelsituationen. Nicht zu vergessen sind hier auch die immer häufiger vorgenommenen bariatrischen Operationen, die meistens zu einem Mangel an Vitamin D und B12 sowie Zink, Kalzium und anderen Mineralstoffen führen. Bei Malassimilation sollte man auch das Albumin gelegentlich kontrollieren, um einen Eiweißmangel auszuschließen.

Wie steht es um die empfohlene Versorgung mit Folsäure für Schwangere und Frauen, die schwanger werden wollen?

Während einer Schwangerschaft und schon mindestens vier Wochen davor sollte Folsäure zugeführt werden, um das Risiko von Neuralrohrdefekten zu minimieren. Die meisten Frauen wissen das aber längst. Die Tagesdosis beträgt für Erwachsene 300 µg, während der Schwangerschaft und in der Stillzeit etwa 550 µg.

Wann sind hohe Dosen von Vitaminen schädlich?

In extremen Dosen kann Folsäure die Krebsrate allgemein erhöhen. In den für Schwangere empfohlenen Dosen und selbst mit den rund 5 mg pro Woche zur Abmilderung von Nebenwirkungen einer Therapie mit Methotrexat besteht aber keinerlei Risiko.

Hohe Dosen von Vitamin E sind mit einer gesteigerten Rate an Prostatakrebs und Schlaganfällen assoziiert. Die DGE empfiehlt daher nur noch Tagesdosen in der Größenordnung von 12 bis 15 mg. Raucher sollten ferner unbedingt die Grenzdosen für Vitamin A bzw. Betacarotin einhalten, weil sonst das Risiko für ein Bronchialkarzinom steigt.

Als ungefährlich gelten Nahrungsergänzungsmittel mit täglich bis zu 15 mg Betacarotin, für Vitamin A empfiehlt die DGE rund 800 µg pro Tag.

Wann übernimmt die GKV die Kosten für eine Bestimmung von Vitaminspiegeln?

Immer dann, wenn Symptome vorliegen, die einen Vitaminmangel nahelegen. Beispiele sind Osteoporose für Vitamin D, Anämie für Folsäure sowie Polyneuropathie oder Glossitis für Vitamin B12.

Worauf ist zu achten, wenn man Blut für die Bestimmung von Vitaminen oder Spurenelementen abnimmt?

Hier sollte man in den Empfehlungen seines Labors nachsehen. Die Bestimmung aus Vollblut ist nur für einzelne Schwermetalle oder Mineralstoffe nötig.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Dr. med. Ulrich Scharmer.

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