Berlin. Dank Masken und Abstand halten sind viele Menschen in den letzten zwei Jahren von der Grippe verschont geblieben. Die Kehrseite der schönen Nachricht: Das Immunsystem wurde ebenfalls geschont und nicht trainiert.
Um ältere und vorerkrankte Patienten ab dem Herbst bis ins Frühjahr zu schützen, sollte die angekündigte Impfkampagne der Bundesregierung deshalb nicht nur die Coronaimpfung, sondern auch eine gleichzeitige Impfung gegen Grippe bewerben, findet Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.
Politik trägt auch Verantwortung
Die Klientel, die sowohl von einer Corona als auch einer Grippeimpfung profitieren würden, sei die Gleiche, erklärte Weigeldt auf einer Pressekonferenz am Donnerstag (15. 9.) im Vorfeld des 43. Deutschen Hausärztetages.
„Wir Hausärztinnen und Hausärzte nutzen bereits jede Gelegenheit in unseren Praxen, um unsere Patientinnen und Patienten von einer Impfung zu überzeugen. Nach bald drei Jahren Corona-Fokus, müssen die Menschen aber auch in ihrem täglichen Leben wieder an die Relevanz anderer Impfungen erinnert werden. Hier sehe ich auch bei der Politik eine Verantwortung. Unser Ziel sollte es sein, dass sich mindestens zwei Drittel der über 60-Jährigen in dieser Saison gegen Influenza impfen lassen, gerade auch, weil es dieses Jahr unter Umständen zu einer deutlich heftigeren Grippewelle als in den vergangenen Jahren kommen könnte“, erklärte Weigeldt in Berlin.
E-Rezept auf Papier ist nicht digital
Neben den Impfungen sind die Hausärztinnen und Hausärzte mit Digitalisierungsfragen und -problemen beschäftigt. Immer wieder sehen sich Praxen mit halbfertigen Lösungen konfrontiert oder Anwendungen, die – statt es zu ölen – mehr Sand ins Praxisgetriebe streuen. Das E-Rezept, erklärt Dr. Jens Lassen, am 14.9. frisch gewählter Chef des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein, sei ein klassisches Beispiel.
Nachdem in Schleswig-Holstein der Rollout des E-Rezeptes wegen Datenschutzproblemen gestoppt wurde und der Weg über eine E-Mail nicht mehr möglich ist, müssen die Praxen nun wieder einen Barcode auf eine Papierrezept drucken.
„Wir waren schon euphorisch, weil wir endlich eine Digitalisierungsanwendung hatten, die uns und den Patienten nützt. Das wurde uns schnell wieder genommen“, erklärte Lassen in Berlin. Der Weg über die App sei kaum nutzbar, weil die Hürden für die Patienten viel zu hoch seien. Damit die Digitalisierung endlich Fahrt aufnehmen könne, wären digitale Identitäten notwendig. Diese seien „zentrale Bausteine“ erklärte Lassen.
Zusätzlicher Impftermin wäre unnötige Hürde
Auch Lassen plädierte dafür, dass die geplante Impfkampagne die Grippeimpfung einschließen müsse. Lassen: „Es zeigt sich in unserer Praxis immer wieder, dass die Hürden für Impfungen möglichst niedrig liegen müssen. Ein zusätzlicher Impftermin kann, gerade für ältere und immobile Patientinnen und Patienten, schon ein Ausschlusskriterium sein. Es sind aber gerade diese Menschen, die wir unbedingt mit den Schutzimpfungen gegen Corona und Influenza erreichen wollen. Deshalb ist zusätzlich zu einer gemeinsamen Ansprache, etwa über eine eingängige Impfkampagne, auch das simultane Impfen von Corona- und Influenzavakzin entscheidend.“
[habox:ad] Weigeldt kündigte außerdem an, dass er nach gut 16 Jahren das Amt des ersten Vorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes an die jüngere Generation übergeben wird. Dies sei von langer Hand vorbereitet – bereits 2019 habe man gemeinsam einen guten Generationenübergang des Verbandes beschlossen. Auch Dr. Berthold Dietsche wird seinen Posten als zweiter Stellvertretender Bundesvorsitzender abgeben Die Wahlen der neuen Verbandsspitze finden am Freitag (16.9.) statt.