Hausarzt MedizinStrategien zum Abspecken

Für ein paar Kilos tut es jede Diät, doch bei Patienten mit Adipositas besteht ein echter Therapiebedarf. Radikaldiäten sind hier in der Regel nicht der richtige Weg, mehr Erfolg versprechen multimodale Therapieprogramme.

Seit Beginn des Frühjahrs haben sie wieder Hochkonjunktur, die Diäten zum Abnehmen. Die Anbieter sind vielseitig, vom Fitnessstudio über Apotheken bis hin zu den Abnehm-Apps. Unklar bleibt meist, ob es nur darum geht, ein paar Kilos für die Bikinifigur im Sommer abzunehmen oder um ein ernsthaftes Adipositas-Therapieprogramm. Für ein paar Kilos tut es jede Diät, denn wie schon der Ernährungspsychologe Prof. Pudel sinngemäß sagte: „Keine Diät ist so schlecht, dass man mit ihr nicht abnehmen ­könnte“. Die Frage ist nur, wie viel man damit abnimmt und wie nachhaltig!

Definition

Übergewicht bzw. Adipositas besteht definitionsgemäß ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bzw. 30 kg/m². Eine besondere Rolle spielt dabei das Bauchfett als Risikofaktor z.B. für kardiovaskuläre Erkrankungen. Als kritische Grenze gilt ein Taillenumfang von 88 cm bei Frauen und 104 cm bei Männern.

Adipositaszahlen

Aktuell sind laut Robert-Koch-­Institut 24 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer in Deutschland von der Krankheit Adipositas befallen, ­53 Prozent der Frauen und 67 Prozent der Männer sind übergewichtig.

Therapieindikationen

Handelt es sich um krankhaftes Übergewicht, besteht gemäß der S3-Leitlinie „Adipositas- Prävention und Therapie“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft ein echter Therapiebedarf (Tab. 1). Bei diesen Patienten führen kurzfristige Radikaldiäten nur zu dem bekannten Jo-Jo-Effekt, d.h. der Patient nimmt die verlorenen Kilos meist innerhalb kurzer Zeit wieder zu, sehr oft sogar über das ursprüngliche Ausgangsgewicht ­hinaus.

Diagnostik

Neben der Erhebung von Größe, Gewicht, BMI, Taillenumfang, ggf. Bestimmung der Körperzusammensetzung mittels Bioimpedanzmessung (BIA) und Blutdruck sowie der körperlichen Untersuchung ist bei der Erstuntersuchung ­adipöser Patienten die Anamnese (Komorbiditäten, Familienanamnese, Gewichtsverlauf, bisherige Therapie etc.) und die Bestimmung ­einiger wichtiger Laborparameter (Nüchternblutzucker, HbA1c, oraler Glukosetoleranztest, Lipidwerte, Harnsäure, Kreatinin und endokrinologische Parameter wie TSH etc.) von Bedeutung.

Therapieziele

Hier geht es bei Leibe nicht mehr um die Bikini-Figur und auch nicht um die Gewichtsreduktion allein. Im Vordergrund steht die Verbesserung der mit der Adipositas assoziierten Risikofaktoren und Krankheiten sowie die Steigerung der Lebensqualität. Die Therapieziele sollten realistisch sein und an individuelle Bedingungen angepasst werden. Dabei ­sollten indivi­duelle Komorbiditäten, Risiken, Erwartungen und Ressourcen des Patienten stärker als die Gewichtsreduktion allein berücksichtigt werden. Die empfohlenen ­Ziele hinsichtlich der Gewichtsabnahme sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Da die Adipositas als chronische Erkrankung mit hoher Rezidivneigung anzusehen ist, sollten dem Patienten über die Phase der Gewichtsabnahme hinaus geeignete Maßnahmen zur ­langfristigen Gewichtsstabilisierung empfohlen werden.

Ein großes Problem in der alltäglichen Praxis sind die manchmal völlig abwegigen Zielvorstellungen der Patienten, was das anzustrebende Gewicht betrifft. Für eine 45-jährige Patientin mit 130 kg z.B. ist eine Gewichtsreduktion auf die 62 kg, die sie vielleicht mal mit 18 Jahren gewogen hat, doch sehr unwahrscheinlich. Dies gilt es, dieser Patientin schonend, aber eindeutig ­beizubringen und ihr die Vorteile aufzuzeigen, die schon eine Gewichtsreduktion um 5 bis 10 Prozent des Ausgangsgewichts für ihre Gesundheit bedeuten.

Therapiestrategien

Aussichtsreich auf längere Sicht wird die Behandlung des starken Übergewichts nur sein, wenn sie zu einer wirklichen Lebensstiländerung führt. Die Basis einer multimodalen Adipositas­therapie bilden immer Ernährung, ­Bewegung und Verhalten (Abb. 1). Die Pharmakotherapie spielt zurzeit keine entscheidende Rolle, da einige Medikamente wegen gravierender Nebenwirkungen vom Markt genommen werden mussten und für neue Therapieansätze noch keine ausreichende Evidenz vorliegt. Bariatrische Operationen wie Schlauchmagen, Magen-Bypass etc. sind eine Ultima-ratio-Lösung für extrem übergewichtige Patienten, bei denen konservative Therapien ausgeschöpft oder nicht mehr erfolgversprechend sind.

Bei der multimodalen ­konservativen Adipositastherapie muss zusammen mit dem Patienten individuell entschieden werden, ob für ihn eher eine Einzeltherapie nach § 43 SGB V in Frage kommt oder eines der anerkannten multimodalen Gruppentherapieprogramme.

In der Einzelberatung arbeiten Ernährungsmediziner und Diät­assistentin/Ökotrophologin zusammen. Für die Kostenübernahme­ muss in jedem Einzelfall ein Antrag nach § 43 SGB V bei den Krankenkassen gestellt werden. Der Patient erhält dann Ernährungsprotokolle, in denen er über sieben Tage einerseits dokumentiert, wann er was gegessen hat (Mahlzeitenstruktur) und andererseits anhand einer Strichliste die Mengen und Bestandteile seiner Ernährung. Dies ermöglicht eine genauere Analyse bezüglich Energiegehalt, Anteil von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen, der Vitamin- und Mineralstoffzufuhr, des Ballaststoffanteils etc.

Anhand dieser Analyse erfolgt dann ­eine individuelle Beratung zur Ernährungsumstellung. Für die Gewichts­reduktion wird dabei leitliniengerecht ein tägliches Energiedefizit von ­etwa 500 kcal/Tag angestrebt. Wie dieses ­Defizit erreicht wird, lässt die ­neueste Adipositas-Leitlinie (im Gegensatz zu früher) offen, sprich, es kann ­entweder die Fettzufuhr oder die Kohlenhydratzufuhr oder die Fett- und Kohlenhydratzufuhr reduziert werden, je nachdem, wo die größten „Sünden“ im Ernährungsprotokoll ersichtlich waren. Für einen begrenzten Zeitraum kann auch der Einsatz einer Formuladiät mit einem Energiegehalt von 800 bis 1200 kcal/Tag erwogen werden.

Eine wichtige Unterstützung erfährt diese Ernährungsberatung durch die Bewegungstherapie. Hier heißt es in erster Linie, die Alltagsaktivität zu erhöhen und, angepasst an den körperlichen Zustand des Patienten, konkrete Sportmöglichkeiten aufzuzeigen und mit dem Patienten zu vereinbaren. Je nach Grad der Adipositas und Vorliegen psychischer Begleiterkrankungen wird der Psychologe/Verhaltenstherapeut mit ins interdisziplinäre Boot ­geholt.

Bei multimodalen Gewichtsreduktions­programmen ist der ­interdisziplinäre Ansatz definitionsgemäß fester Bestandteil. Es handelt sich dabei um 6- bis 12-monatige strukturierte Programme in der Gruppe. Auch hier gibt es keine grundsätzlich geregelte Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Sie muss für jeden Einzelfall bei der jeweiligen Kasse beantragt werden.

Bei der Auswahl des passenden Programms für den einzelnen Patienten spielen neben dem multimodalen Ansatz eine Vielzahl anderer Kriterien eine Rolle (Tab. 3).

Letztendlich ausschlaggebend für den Erfolg jeglicher Adipositastherapie wird jedoch die Motivation des Patienten zu einer umfassenden und anhaltenden Lebensstiländerung sein.

Fazit

  • Die Adipositastherapie sollte möglichst multimodal erfolgen (Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie).

  • Die Entscheidung über die Art der Therapie muss zusammen mit dem Patienten nach den Kriterien in Tab. 3 indivi­duell getroffen werden.

  • Die Kostenübernahme für die Adiposi­tas­therapie durch die Krankenkassen ist in Deutschland immer noch eine Einzelfallentscheidung und keineswegs garantiert.

Literatur bei der Verfasserin.

Mögliche Interessenkonflikte: Die Autorin hält Vorträge für die Firmen MSD und Chiesi.

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