PädiatrieRed Flags bei Kindern: Wann ist es ein Notfall?

Notfälle bei Kindern sind auch für erfahrene Ärzte oft eine besondere Herausforderung. Was sind die häufigsten Fallstricke? Ein Pädiater berichtet aus der Praxis.

Fieber ist ein häufiges Symptom bei Infektionskrankheiten im Kindesalter.

“Bei welchen Red Flags müssen Sie bei Kindern und Jugendlichen in der Praxis stutzig werden?” fragte Hagen Straßburger, Facharzt für Kinder und Jugendmedizin und Neonatologe aus Rostock, zu Beginn seines Vortrags beim diesjährigen Online-Kongress des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IHF). Und gab gleich selbst die Antwort: “Das sind je nach Alter die Hauptsymptome Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Luftnot, Synkopen, Schluckbeschwerden, Gewichtsverlust und Gedeihstörung sowie Fieber.”

Anhand mehrerer Kasuistiken erläuterte der Pädiater, worauf die einzelnen Symptome hinweisen können – und wann sie auf die falsche Fährte führen.

Akutes Abdomen

So berichtete Straßburger vom Fall eines drei Monate alten Säuglings, der nachts plötzlich heftig geschrien und sich mehrfach erbrochen, anschließend aber wieder beruhigt hatte. Das Kind hatte kein Fieber, der letzte Stuhlgang war unauffällig gewesen.

Bei der ärztlichen Untersuchung wurde ein leicht reduzierter Allgemeinzustand und ein blasses Hautkolorit festgestellt, das Abdomen war weich und palpabel, es gab keine Abwehrspannung. Allerdings war ein lokaler Druckschmerz im rechten Unterbauch festzustellen.

“Ziehen Säuglinge bei der Untersuchung ihre Beinchen an, ist das eine Abwehrreaktion, dann sollte man stutzig werden”, erklärte der Pädiater. Bei der daraufhin durchgeführten Sonografie wurde ein Kokardenphänomen festgestellt, was schließlich zur Diagnose einer Dünndarminvagination führte.

“Leitsymptom ist hier tatsächlich das plötzliche, heftige Schreien aus dem Nichts heraus. Das ist genau der sehr schmerzhafte Zeitpunkt des Invaginierens”, erklärte Straßburger. Jungen seien dreimal häufiger betroffen als Mädchen, das typische Alter liege bei unter zwei Jahren. Häufige Ursache seien vorangegangene Magen-Darm-Infekte.

Von einem solchen war bei dem drei Monate alten Säugling allerdings nichts bekannt. Aber: Das Kind hatte zuvor die Rotaviren-Schluckimpfung erhalten. “Eine Invagination ist eine bekannte, aber sehr seltene Nebenwirkung der Impfung”, berichtete Straßburger. “In Frankreich hat es zwei Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Rotaviren-Schluckimpfung gegeben, die Impfung ist daher seit 2015 ausgesetzt.”

Die Ständige Impfkommission (STIKO) habe sich daraufhin die Daten für Deutschland noch einmal näher angeschaut. In einer Mitteilung der Kommission zu den Ergebnissen heißt es: “Die Invagination ist generell die häufigste Ursache für einen Darmverschluss im Säuglingsalter und kommt unabhängig von einer Impfung mit einer Häufigkeit von 61,7/100.000 Kindern im Alter unter zwölf Monaten pro Jahr vor.”

Die Kommission rechnet aufgrund eines etwas höheren Risikos für eine Invagination nach Rotaviren-Schluckimpfung mit ein bis zwei zusätzlichen Fällen pro Jahr. Daraus ergäben sich wegen des höheren Nutzens der Impfung allerdings keine Konsequenzen für die von der STIKO getroffene Rotavirus-Impfempfehlung für alle Säuglinge unter sechs Monaten. Straßburger: “Im Hinterkopf sollte man diese mögliche Nebenwirkung aber haben.”

Unterbauchschmerzen

Dass bei älteren Kindern ab zwölf Jahren mit Beschwerden des Abdomens immer auch “ein Blick in die Hose” geworfen werden sollte, veranschaulichte der Pädiater anhand des Falls eines 13-jährigen Jungen. Dieser hatte bis zur richtigen Diagnose eine zwölftätige Odyssee hinter sich.

Zunächst hatte sich der Junge mit seit einem Tag bestehenden Unterbauchschmerzen und einmaligem Erbrechen vorgestellt und wurde als klinisch stabil wieder entlassen. Nach an Tag 3 weiter bestehenden, jetzt in die Leiste ziehenden Unterbauchschmerzen wurde der Junge in einer Klinik vorstellig.

Zunächst bestand Verdacht auf Appendizitis und schließlich Enteritis, beides konnte aber ausgeschlossen werden. Erst an Tag 12 wurde schließlich ein Kinderchirurg hinzugezogen. Dieser stellte eine Hodentorsion fest, ein Hoden des Jungen musste entfernt werden.

“Im subakuten Zustand hat man ein Zeitfenster von etwa vier bis sechs Stunden, in dem eine Operation noch vermieden werden kann”, berichtete Straßburger. Eine Genitaluntersuchung werde aber oft erst spät gemacht. Um das Risiko für eine Hodentorsion einzuschätzen, empfahl er fünf Kriterien (sie Tabelle unten).

Fieber

Auch auf zwei weitere Red Flags ging Straßburger ein: “Bei Kindern mit Fieber und Petechien sollten immer die Warnglocken angehen”, sagte er und erläuterte dies anhand des Falls eines zweijährigen Mädchens.

Das Kind wies an den Beinen einzelne Petechien auf, sowie eine größere Fläche mit zentraler Hautblutung und eine ebenso größere Stelle am Unterbauch. “Das Mädchen war munter, es wurde kein Meningismus festgestellt. Erst auf Nachfrage gab die Mutter an, dass das Mädchen schon am Vortag 39,3°C Fieber gehabt hatte”, berichtete der Pädiater.

Das Kind wurde stationär eingewiesen, hier wurde eine Leukozytose und ein CRP-Wert von über 100 festgestellt. Bereits fünf Stunden nach Erstvorstellung war die Zweijährige somnolent. Im Liquor wurden schließlich Meningokokken B festgestellt.

Straßburger: “Der Verlauf bei einer invasiven Meningokokken-Infektion ist unglaublich schnell, da kommt es wirklich auf jede Sekunde an!” Oft erfolge eine Intervention aber erst, wenn späte Symptome auftreten.

Synkope

Eine weitere Red Flag seien Synkopen. “Bei kleinen Kindern ist eine Synkope nicht normal, hier sollte man zur Abklärung unbedingt ein EKG und EEG machen”, betonte Straßburger.

So zeigten sich bei einem dreieinhalbjährigen Jungen, der laut seiner Mutter “irgendwie komisch hingefallen ist”, im Langzeit-EKG ungewöhnliche Rhythmusstörungen mit bradykarden Phasen, aber auch Episoden mit tachykarden Ereignissen, ausgelöst durch breitere QRS-Komplexe. Diagnose: Schwerer Herzfehler. Der Junge wurde sofort in ein Herzzentrum verlegt, ihm musste ein Schrittmacher mit Defi-Funktion implantiert werden.

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