London. Eine von sechs Personen würde gemäß der aktuellen Definition eines Verdachtsfalls auf eine Affenpocken-Infektion wohl gar nicht erkannt werden. Denn: Die Symptome bei den derzeit weltweit auftretenden Fällen unterscheiden sich von den Symptomen, die bei vorherigen Ausbrüchen berichtet wurden.
Das berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich 54 bestätigte Fälle von Affenpocken-Infektionen aus dem Vereinigten Königreich näher angesehen haben.
Laut Robert Koch-Institut ist die Definition eines Verdachtsfalls auf Affenpocken-Infektion erfüllt, wenn mindestens eines der folgenden klinischen Symptome aufgetreten ist:
- vor allem: Fieber,
- Hautausschlag, Hautläsionen oder Schleimhautläsionen,
- Lymphknotenschwellung und
- krankheitsbedingter Tod.
Allerdings hätten bei den aktuellen Fällen deutlich weniger Personen von Fieber und/oder einem Gefühl der Schwäche berichtet, schreibt das Team. Schwäche gaben demnach nur 67 Prozent der Personen an (vs. über 80 Prozent bei Ausbrüchen in Nigeria und den USA). Fieber hätten nur 57 Prozent angegeben (vs. 85 bis 100 Prozent bei vorherigen Ausbrüchen).
In der Kohorte haben den Studienergebnissen zufolge sogar 18 Prozent gar keine Symptome bemerkt, bis erstmals Hautläsionen aufgetreten waren. Diese Hautläsionen hätten sich dann zwar im Krankheitsverlauf bei allen 54 Personen gezeigt, und zwar hauptsächlich (bei 94 Prozent) im anogenitalen Bereich (bei vorherigen Ausbrüchen: 66 Prozent im anogenitalen Bereich).
Allerdings waren bei einem von vier Betroffenen die Hautläsionen mit denen einer primären Syphilis vergleichbar und damit auch leicht verwechselbar.
Bei Hautläsionen nicht nur an Syphilis, Gonokokken oder Chlamydien denken!
Ein weiteres Problem: 51 der 54 Personen wurden auf STI (sexuell übertragbare Infektionen) untersucht – und jede vierte Person positiv auf Gonokokken oder Chlamydien getestet. Die Hautläsionen bei einer Affenpocken-Infektion sind für Ärztinnen und Ärzte also nicht immer einfach zu erkennen.
Eine Lymphadenopathie trat den Angaben nach nur bei jedem Zweiten auf, dieses Symptom sei allerdings ähnlich häufig aufgetreten wie bei früheren Ausbrüchen.
Erkrankungen verlaufen eher mild
Fünf der 54 Personen mussten stationär behandelt werden, konnten aber die Klinik innerhalb von sieben Tagen wieder verlassen. Insgesamt sei die Erkrankung eher mild verlaufen – auch das ein Unterschied zu früheren Infektionen.
„Wenigstens eine von sechs Personen würde die Definition eines Verdachtsfalls demnach gar nicht erfüllen“, resümiert das Team abschließend. Die Falldefinition sollte daher überarbeitet werden.
Quelle: DOI 10.1016/S1473-3099(22)00411-X