Hausarzt MedizinHeilfasten: Was steckt dahinter?

Auch immer mehr gesunde Menschen verzichten für einen begrenzten Zeitraum freiwillig auf feste Nahrung um ihr Immunsystem zu stärken und Krankheiten vorzubeugen. Das therapeutische Heilfasten sollte unter ärztlicher Begleitung erfolgen.

Grundlage des ganzheitlichen Ernährungskonzepts bildet eine (ovo-)laktovegetabil ausgerichtete Vollwerternährung, die sich an den individuellen Lebensbedingungen orientiert: „Die Kost, die dem Schmied bekommt – zerreißt den Schneider.“ Überwiegend werden pflanzliche Lebensmittel mit geringem Verarbeitungsgrad verzehrt. Therapeutisches (Heil-)Fasten kommt unter ärztlicher Begleitung zum Einsatz.

Definition

Fasten wird definiert als freiwilliger Verzicht auf feste Nahrung für eine begrenzte Zeit bei gleichzeitig forcierter Flüssigkeitszufuhr und Beachtung des Ruhebedürfnisses bzw. chronohygienischer Rhythmen.

Ein Hungergefühl besteht nach kurzer Umstellungsphase und Darmreinigung nicht mehr: Richtig durchgeführtes (vagotones) Fasten bedeutet nicht (sympathikotones) Hungern. Der Körper deckt seinen Energiebedarf aus seinen Depots – zunächst aus dem Glykogenspeicher der Leber, später aus weiteren Energieträgern. Der menschliche Organismus ist physiologisch ohne Weiteres in der Lage, sich so bis zu 30 Tage „von innen“, aus den eigenen Nahrungsreserven zu ernähren.

Dabei setzt er gezielt Unnützes und Belastendes wie Ablagerungen in Gelenken, Arterien und im Zwischenzellgewebe sowie Fettdepots frei. Notwendige Organstrukturen werden dabei streng ausgespart (Herz-, Nierenparenchym). Nach Buchinger werden die Energiereserven hierarchisch abgebaut: Zuerst das Krankhafte, dann das Überflüssige, erst dann – auch bei übertriebenem Fasten das zur Not noch Entbehrliche.

In der Naturheilkunde bietet sich das Fasten mit nur flüssiger Nahrungszufuhr, mit Brühen und Heilwasser bzw. kohlensäurearmem Mineralwasser an, aber auch Varianten wie z.B. Schleimfasten (Hafer, Reis). Durch den österreichischen Fastenarzt Dr. Franz ­Xaver Mayr ist die Milch-/Semmelkur bekannt geworden, bei der der fastende Mensch den Darm säubert, schont und schult – eine Fastenform, wie sie auch für manche ambulante Fastenkuren im Alltag gut geeignet ist. Gegenüber der früher propagierten ­Nulldiät führt man heute bei Fastenformen etwa 400 Kalorien zu – das schmälert den Erfolg nicht und fällt meist leichter.

Indikationen

Fasten ist geeignet zur Entlastung eines überforderten oder geschädigten Verdauungstrakts (Dyspepsie, Reizmagen, Reizdarm, Sodbrennen, Refluxkrankheit) sowie bei allen ernährungsbedingten Krankheiten (Diabetes Typ 2, Gicht, Diathese, Hypertonie, Hyperlipidämie, metabolisches Syndrom), die sich durch eine ­Ernährungsumstellung positiv beeinflussen lassen. Bei vielen chronischen Erkrankungen werden entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkungen und eine erstaunlich schnelle Besserung der Beschwerden beobachtet (Beispiel: Rheumatischer Formenkreis). Eine Schädigung ist bei sorgfältiger Überwachung und Führung nicht zu erwarten.

Die häufigsten Indikationen in der Therapie (begleitet durch einen Fastenarzt oder in einer Fachklinik) sind:

  • Magen-Darm-Krankheiten bzw. funktionelle Störungen des Gastrointestinaltrakts: Reizmagen/Dyspepsie, Reizdarm, Obstipation, Sodbrennen, Refluxkrankheit, auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen sprechen häufig gut an, ebenso Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sowie Leberparenchymschäden (v.a. toxisch-nutritiv)

  • Stoffwechselerkrankungen: Diabetes, Gicht, Hyperurikämie, metabolisches Syndrom, komplexer Diabetes, auch Insulinresistenz, Adipositas (auch operationsvorbereitend)

  • Entzündliche und nichtentzündliche Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems: Gon-, Cox-, Polyarthrosen, rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, Fibromyalgie

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen: Herzinsuffizienz NYHA-Stadium 1–3, AVK, ­Hypertonie

  • Chronische Schmerzsyndrome: Kopfschmerz, Migräne

  • Atopische Erkrankungen: Neurodermitis, Asthma, Allergien, Dermatosen

  • Nahrungsmittelallergien, -unverträglichkeiten, Histaminosen

  • Psychosomatische Störungen, insbesondere psychovegetative Erschöpfungszustände, leichtere und mittlere Depressionen

  • Pulmologische Erkrankungen: Sinusitis, sinubronchiales Syndrom

Kontraindikationen

Nicht fasten dürfen Menschen mit schweren Organerkrankungen, die einer intensiven ggf. kausalen ärztlichen Behandlung zugeführt werden müssen, schweren endogenen Depressionen und Erschöpfungszuständen, Erkrankungen an Schilddrüse, Tumorleiden sowie akuten Infekten. Patienten, die Medikamente einnehmen, dürfen nur stationär fasten, da die meisten Medikamente reduziert, ausgeschlichen bzw. auch abgesetzt werden können (Diuretika, Antihypertensiva, steroidale und nichtsteroidale Antirheumatika. Die Schilddrüsenmedikation kann meist reduziert, blutgerinnende Medikation muss engmaschig kontrolliert angepasst werden.

Therapeutische Ziele

  • Vegetative Umstimmung von der ergotropen-sympathikotonen zur vagotonen-trophotropen Lage, somit beruhigend und entspannend („Erholung“)

  • Entzündungshemmung: Entzündungsparameter, BKS bessern sich, Rheumafaktor wird häufig negativ

  • Schmerzlinderung meist ab dem 3./4. Tag

  • Gewichtsreduzierung: In den ersten Tagen bis 1kg/Tag, dann im Schnitt Männer 400–450g/Tag, Frauen ca. 350g/Tag bei adipöser Ausgangslage. Wegen der Bluteindickung sollte der Gewichtsverlust 1kg/Tag nicht überschreiten (Thrombosegefahr).

  • Blutdrucksenkung: Reduzierung und Überwachung bei antihypertensiver Therapie erforderlich)

  • Medikamenten-Einspareffekte: Reduzierung von Nebenwirkungen.

Der Körper muss nach initialer salinischer Darmreinigung (Bittersalz, MgSO4, Glaubersalz) keine Verdauungsarbeit mehr leisten und wird so entlastet. Dadurch ist mehr Energie für Heilungs- und Regenerationsprozesse frei. Der Körper erfährt eine bessere Beweglichkeit. Durch die eintretende Gewichtsreduktion steigen Beweglichkeit und Gelenkbelastung. Nach dem Fasten soll das Essverhalten im Rahmen des Ernährungsaufbaus bewusst verändert werden.

Vorbeugendes Fasten: Gesunde fasten regelmäßig, um ihr Körpergefühl und ihr Immunsystem zu stärken, ihr Gewicht zu halten und somit verschiedenen Krankheiten vorzubeugen, vor allem aber für das Gefühl von Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden.

Vorgehen

Je nach Indikation und Bevorzugung wird die geeignete Fastenform gewählt und der Ablauf einschließlich der empfohlenen Begleittherapie besprochen.

  • Voruntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenparameter, Harnsäure, Blutdruck, Puls, EKG

  • Medikamentenstatus: Schilddrüsenmittel können reduziert werden, Diuretika müssen meist abgesetzt, Antihypertensiva, Antidiabetika angepasst, Betablocker, Kortikoide ausgeschlichen werden

  • Genaue Information und Motivation des Patienten

  • Gewichts-, Blutdruck-, Harnsäureüberwachung während des Fastens

  • Darmreinigung durch salinische Abführmittel in streng hypo- bis isotonischer Lösung, z.B. Magnesiumsulfat (Dosierung: 1 gestrichener Teelöffel, d.h. 4 Gramm, in 0,25l Wasser) abends auflösen und morgens nüchtern trinken, evtl. Glaubersalz (Natriumsulfat) in isotoner Konzentration

  • Medikamente werden nach dem Salztrunk eingenommen (Antibabypille, Schilddrüsenmittel)

  • Unterweisung bezüglich Einlauf (Irrigator, Klysopomp) besonders bei Migräne, Kopfschmerz; kann täglich durch den Patienten selbst ausgeführt werden

  • Substitution basischer Elektrolyte: Kalium, Magnesium, Kalzium sind essenziell. Natrium (Kochsalz) nur bei hypotoner Blutdrucklage (1–2 Gramm täglich Meersalz oder Steinsalz).

Für die Darmsanierung hat sich das Schema in Tabelle 1 bewährt.

Fasten mobilisiert unvollständig verbrannte Stoffwechselprodukte („Schlacken“), die auf makroskopischer Ebene die Funktion des Verdauungskanals und auf mikroskopischer Ebene die Funktionen der Zellgrundsubstanz (Matrix/Transitstrecke) beeinträchtigen. Deshalb ist vor allem eine gesteigerte Flüssigkeitszufuhr in Form von dünn gebrühten Kräutertees, guten Quell-, Mineral- und Heilwässern sowie Gemüsebrühe oder auch gutem Leitungswasser wichtig (Tab. 2).

Wichtig ist die Unterstützung der Organe Darm, Leber, Niere, Haut, Schleimhäute und Lunge. Sie wird gefördert durch forcierte Flüssigkeitszufuhr, Kneipp-Anwendungen (Teil- und Wechselbäder, Güsse, Wickel, z.B. Leberwickel), Wechselduschen, Sauna, Trockenbürsten und Massagen, Lymphdrainage, Atemtherapie sowie durch ein ausgewogenes Verhältnis von Bewegung und Ruhe, unterstützt durch übende, vagotonisierende Entspannungsverfahren (autogenes Training, Muskelrelaxation nach Jakobsen, Qi-Gong, Yoga oder andere meditative Verfahren), Bewegung an der frischen Luft und bevorzugt dosierte Ausdauersportarten (Nordic-Walking, Skilanglauf usw.) streng im aeroben Bereich zur Vermeidung einer Laktazidose und einer immobilitätsbedingten Eiweißkatabolie.

Weitere Bestandteile der Fastentherapie sind Ernährungsberatung, Lehrküche und Supplementierung basischer Elektrolyte.

Dauer

An das Fasten (wenige Tage bis vier Wochen stationär ohne Probleme) schließt sich ein stufenweiser Kostaufbau an. Dieser sollte bei längeren Fastenperioden nicht weniger als ein Drittel der eigentlichen Fastenzeit betragen, Enzymsysteme und Darmflora müssen sich allmählich auf die neue Ernährungsweise einstellen. Wichtig ist die Beibehaltung der im Fasten eingeübten langsamen Esstechnik sowie die Verteilung der Mahlzeiten („Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein Bürger, Abendessen wie ein Bettler“).

Nach dem Fasten sollte eine lakto-vegetabile Kostform (bei rheumatoider ­Arthritis glutenfrei) mit reduzierten tierischen Eiweißträgern als Dauernahrung angestrebt werden. Die Dauer des Fastens ist stets individuell und kann vom Weglassen einer Mahlzeit („Dinner-Cancelling“) bis zu drei oder vier Wochen betragen. Im Alltag können auch einzelne Fastentage oder kürzere Fastenperioden sinnvoll sein.

Fazit

Man soll den Menschen weniger das Fasten als vielmehr das richtige Essen lehren. (F.X. Mayr)

Die Kardinalfehler der ­Ernährung sind:

  • Zu schnell

  • Zu viel

  • Zu oft

  • Zu spät

  • Zu viel Eiweiß, Fett

  • Zu trocken

  • Ohne Fastenpause

  • Zu sauer

  • Mit kalten Füßen!

Literatur beim Verfasser.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

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