Studie - Teil 1NPH-Insulin zur Nacht mit Metformin

Eine Beobachtungsstudie hat den Langzeiteffekt der Kombination aus Metformin und NPH-Insulin zur Nacht untersucht.

Metformin ist Therapie erster Wahl bei Menschen mit Diabetes Typ 2, die an einem strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm teilgenommen haben und bei denen Lebensstilinterventionen ausgeschöpft sind [1], [2].

Liegen keine triftigen Gründe dafür vor, mit einem zusätzlichen oralen Antidiabetikum zu behandeln, kommt als Therapieerweiterung auch Insulin in Frage. Eine einfache Variante, die Insulintherapie zu starten, ist die Gabe eines Basalinsulins zur Nacht. Die Therapie mit Metformin wird meist fortgesetzt (BOT = basalunterstützte orale Therapie).

Mehrere Studien untersuchten bereits die Wirksamkeit und Sicherheit von Metformin in Kombination mit Basalinsulin für einen begrenzten Zeitraum [3-10]. Als Nebenwirkungen einer BOT wurden gehäufte Hypoglykämien und eine Gewichtszunahme beschrieben.

Für die Kombination von Metformin und NPH-Insulin zur Nacht (NPH = Neurales Protamin Hagedorn) gibt es noch keine Evidenz für den Langzeiteffekt bis zum “Therapieversagen”, also dem Nichterreichen der individuellen Therapieziele.

Unsere longitudinale Beobachtungsstudie hat daher Menschen mit Diabetes Typ 2, bei denen die Metformin-Monotherapie durch NPH-Insulin zur Nacht ergänzt wurde, bis zum Therapieversagen nachuntersucht. Wir beobachteten hierzu vor allem den HbA1c, das Körpergewicht, die Zahl schwerer Hypoglykämien und die Insulindosis.

Methodik

Zwischen 2005 und 2016 nahmen 272 Patienten an der Studie teil (34,9 Prozent weiblich; Alter: 59,5 ± 11,0 Jahre; Diabetesdauer: 6,6 ± 4,7 Jahre; Behandlungsdauer mit Metformin: 4,8 ± 3,8 Jahre; BMI: 31,6 ± 5,8; HbA1c: 8,4 ± 0,9 Prozent).

Allen Patienten wurde empfohlen, vor Beginn der Insulintherapie an einem zielgruppenspezifischen, strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm für Menschen ohne Insulintherapie teilzunehmen.

Im Rahmen der Ersteinstellung auf NPH-Insulin zur Nacht nahmen alle Patienten zusätzlich an der sechsten Stunde des Behandlungs- und Schulungsprogramms für präprandiale Insulintherapie teil [11].

Diese Schulungseinheit vermittelt das gesamte Wissen, um NPH-Insulin zur Nacht sicher anwenden zu können. Zudem wurde ein realistisches Ziel zur Gewichtsreduktion von zwei bis drei Kilogramm innerhalb von drei bis sechs Monaten vereinbart.

Die Behandlung mit NPH-Insulin zur Nacht begann mit acht IE. Die Injektionen sollten unmittelbar vor dem Schlafengehen subkutan am Oberschenkel erfolgen. Wir empfahlen den Teilnehmenden zu Beginn und bei Dosisänderungen, die Blutglukose um 22:00, 2:00, 5:00 und um 7:00 Uhr an zwei aufeinanderfolgenden Nächten zu messen und zu dokumentieren.

Auf Grundlage dieser Messungen nahm der Arzt Dosis-Anpassungen vor. Von selbstständigen Dosis-Anpassungen sowie von Injektionen und Blutglukose-Messungen am Tag rieten wir den Teilnehmenden ab.

Alle drei bis sechs Monate erfolgten Verlaufskontrollen inklusive HbA1c-Messungen. Die Therapie mit NPH-Insulin zur Nacht wurde beendet, wenn entweder eine nächtliche Hypoglykämie festgestellt wurde oder der HbA1c-Wert außerhalb des Therapieziels lag (HbA1c-Wert zu niedrig oder zu hoch).

Ergebnisse

Die Patienten erreichten das individuelle HbA1c-Ziel durch die Gabe von NPH-Insulin zur Nacht in Kombination mit Metformin über eine durchschnittliche Dauer von 31,7 ± 29,1 Monaten (Range: 2-133 Monate; mediane Dauer: 22,0 Monate).

Insgesamt war die erfolgreiche Behandlung mit NPH-Insulin und Metformin zwischen den Teilnehmenden sehr unterschiedlich lang, weswegen wir vier Gruppen bildeten:

  • Gruppe A – “Therapieversagen nach kurzer Dauer” (≤ 9 Monate): 8,5 Prozent (23 von 272 Patienten) erreichten das HbA1c-Ziel nach einer mittleren Dauer von 4,5 ± 1,6 Monaten (Range 2-9 Monate) trotz Erhöhung der Insulindosis auf 14,1 ± 5,7 IE nicht. Die Kombination von Metformin und NPH-Insulin zur Nacht musste durch ein drittes Antidiabetikum ergänzt oder die Insulintherapie intensiviert werden (zum Beispiel auf zweimal täglich Mischinsulin oder präprandiales Insulin).
  • Gruppe B – “Therapieversagen nach langer Dauer” (> 9 Monate): 52,9 Prozent (144 von 272 Patienten) erreichten das HbA1c-Ziel über 32,7 ± 28,5 Monate. Die mittlere Insulindosis betrug 14,8±4,9 IE. Nach im Mittel 32,7 ± 28,5 Monaten musste die Therapie mit einem dritten Antidiabetikum ergänzt oder die Insulintherapie intensiviert werden.
  • Gruppe C – “Beendigung der Therapie wegen Überbehandlung”: 25,4 Prozent (69 von 272 Patienten) unterschritten das HbA1c-Ziel nach 25,0 ± 24,4 Monaten (<6,5 Prozent), sodass sie das NPH-Insulin absetzen und ausschließlich Metformin als Monotherapie fortsetzen konnten. In dieser Gruppe zeigte sich über den Behandlungszeitraum mit Insulin eine deutliche Gewichtsabnahme von vier Kilogramm (4,2 Prozent des Ausgangsgewichts).
  • Gruppe D – “fortlaufende Behandlung”: 13,2 Prozent (36 von 272 Patienten) erreichten das HbA1c-Ziel bis zum vorläufigen Studienende (mittlere Dauer: 57,4 ± 28,2 Monate; Range: 13-121 Monate). Das HbA1c sank von 8,5 auf 7,2 Prozent, das Gewicht von 91,0 auf 88,4 kg (-2,6 kg, das entspricht 2,9 Prozent des Ausgangsgewichts). Die mittlere Insulindosis betrug 14,4 ± 5,0 IE.

91,5 Prozent der Teilnehmer (Gruppe B, C und D) profitierten somit von der Kombination aus Metformin und NPH-Insulin zur Nacht. Bei nur 8,5 Prozent (Gruppe A) war dieses Therapieregime für einen längeren Zeitraum nicht erfolgreich. Patienten dieser Gruppe hatten einen signifikant höheren Body-Mass-Index (BMI) zur Baseline als Personen der Gruppe B, C und D.

Fazit

In unserer Studie erreichten über 90 Prozent der Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes und Therapieversagen der Metformin-Monotherapie ihr HbA1c-Ziel mit der zusätzlichen Gabe von NPH-Insulin vor dem Schlafengehen über mehrere Jahre ohne schwere Hypoglykämien und ohne Gewichtszunahme.

Interessenkonflikte: Alle Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte haben. Für diese Studie und die Veröffentlichung dieses Artikels wurden keine Mittel oder Sponsorengelder erhalten.

Autoren: Nadine Kuniß, Guido Kramer, Ulrich Alfons Müller, Christof Kloos, Christian Gerdes, Bernardo Mertes.

Originalarbeit: Mertes B et al.: Successful Treatment with Bedtime Basal Insulin Added to Metformin without Weight Gain or Hypoglycaemia over Three Years. J Clin Med. 2020;9(4):1153.

Literatur:

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  2. Davies, M.J.; D’Alessio, D.A.; Fradkin, J.; Kernan, W.N.; Mathieu, C.; Mingrone, G.; Rossing, P.; Tsapas, A.; Wexler, D.J.; Buse, J.B. Management of Hyperglycemia in Type 2 Diabetes, 2018. A Consensus Report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2018, 41, 2669–2701.
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