BlutzuckerInnovative Methoden zur Glukosemessung

Für Menschen mit Diabetes ist die Kenntnis des aktuellen Glukosespiegels essenziell. Insbesondere bei einer intensivierten Insulintherapie sind regelmäßige Glukosemessungen unverzichtbar. Zur selbstständigen Glukosemessung haben sich über die Jahre Blutzuckermess-Systeme (BZMS) etabliert. Mittlerweile stehen auch Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) zur Verfügung.

Glukose-Selbstmessung im kapillaren Blut

Für die intensivierte Insulintherapie ist die Blutzucker (BZ)-Selbstkontrolle mit BZMS unverzichtbar, um die Insulindosis basierend auf dem aktuellen Glukosewert anzupassen. Eine eindeutige Indikation zur BZ-Messung besteht bei Menschen mit Typ-1- oder einem insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes.

Aber auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes unter oraler Therapie zeigt eine strukturierte Selbstmessung Vorteile hinsichtlich der Stoffwechsellage [1].

Für die kapillare BZ-Messung wird das Messgerät mit dazugehörigen Teststreifen verwendet. Mit einer Stechhilfe wird Blut gewonnen und auf den Teststreifen aufgetragen. Die auf dem Teststreifen befindlichen Enzyme Glukoseoxidase oder Glukosedehydrogenase setzen die im Blut enthaltene Glukose um, sodass der aktuelle BZ-Wert nach Sekunden vom Messgerät angezeigt wird (Abb. 1) [2].

Auf dem Markt ist derzeit eine Vielzahl an BZMS verfügbar. Die Systeme wurden über die Jahre kleiner, kompakter und handlicher. Moderne Systeme besitzen meist Zusatzfunktionen, wie Datenspeicherung, Erinnerungen, Markierung der Messwerte, Boluskalkulatoren, elektronische Tagebücher oder die Datenübermittlung an Apps [1,2].

Die Handhabung der Systeme sowie die korrekte Durchführung der Messung sind entscheidend für genaue Messergebnisse. Fehlmessungen können zu ungünstigen Therapieentscheidungen führen und das Risiko für Hypo- oder Hyperglykämien erhöhen.

Neben verschiedenen Medikamenten, die die BZ-Messung beeinträchtigen, sollten beispielsweise auch verunreinigte Finger und starke Temperaturunterschiede zwischen Messgerät und Teststreifen vermieden werden. Eine Anleitung zur BZ-Messung und häufige Fehlerquellen sind unter https://hausarzt.link/wmwZh verfügbar.

Die auf dem Markt verfügbaren Systeme müssen die Anforderungen an die Messgenauigkeit der internationalen Norm EN ISO 15197:2015 erfüllen [3]. Nach Markteinführung erfolgt keine systematische Evaluierung der Messgüte, sodass deutliche Unterschiede in der Messgenauigkeit verschiedener Systeme verzeichnet werden. Ergebnisse einer unabhängigen Genauigkeitsuntersuchung verschiedener aktueller BZMS wurden kürzlich veröffentlicht und sind unter http://dx.doi.org/10.1136/bmjdrc-2019-001067 verfügbar [4].

Für den Endanwender empfiehlt es sich, die Genauigkeit der Systeme mit einer herstellerspezifischen Kontrolllösung zu prüfen.

Kontinuierliches Glukosemonitoring

Im Gegensatz zu BZMS, messen CGM-Systeme die Glukosekonzentration kontinuierlich im Unterhautfettgewebe. Der subkutan eingeführte Nadelsensor kann bei aktuellen Systemen zwischen 6 und 14 Tagen getragen werden. Auf dem Sensor aufgebrachte Enzyme wandeln die dort verfügbare Glukose um, sodass aus den entstandenen Reaktionsprodukten ein Stromfluss resultiert; ein auf der Haut befestigter Transmitter übermittelt die daraus berechneten aktuellen Glukosekonzentrationen an den Empfänger/ die App (Abb. 1).

Im Vergleich zu kapillaren BZ-Messungen, die lediglich eine Momentaufnahme darstellen, ermöglichen CGM-Systeme eine quasi kontinuierliche Überwachung des Glukoseverlaufs. Es wird daher nicht nur der aktuelle Glukosewert dargestellt, auch der gesamte Glukoseverlauf wird visualisiert, sodass Auswirkungen von Therapiemaßnahmen, Nahrungsmittelaufnahme oder körperlicher Aktivität sichtbar werden. Auch hypo- und hyperglykämische Ereignisse werden erfasst; es gibt Alarmhinweise und Glukosetrends mit Änderungsrichtung und -geschwindigkeit [5].

Zusätzlich können mit herstellerspezifischen CGM-Softwares Parameter, wie der Glukosemanagement-Indikator (Analogon zum HbA1c-Wert; ursprünglich estimated HbA1c oder eHbA1c) oder die Zeit im Zielbereich berechnet werden [6]. CGM-Informationen können sowohl für Menschen mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes hilfreich sein.

Man unterscheidet zwischen real-time (rt) und intermittent scanning (isc) CGM-Systemen. Während rtCGM-Systeme die Messwerte automatisch anzeigen, muss bei iscCGM-Systemen zum Ablesen der Messwerte das Lesegerät an den Sensor gehalten (gescannt) werden.

Eine Alternative zu Nadelsensoren, stellt ein implantierbarer Langzeitsensor mit einer Nutzungsdauer von bis zu 6 Monaten dar. Die mit fluoreszenzbasierter Messung ermittelte Glukosekonzentration wird über den Transmitter an ein Smartphone weitergeleitet [5].

CGM-Systeme können auch in Kombination mit einer Insulinpumpe eingesetzt werden (Sensorunterstütze Pumpentherapie).

Schulungen sind essenziell

Um die umfangreichen Informationen und Funktionen der CGM-Systeme adäquat für die Therapie nutzen zu können, sind Schulungen in der Handhabung der Systeme und Interpretation der Daten essenziell.

Laut G-BA Beschluss 2016 sind rtCGM-Systeme für insulinpflichtige Menschen mit Diabetes und intensivierter Insulinbehandlung erstattungsfähig. Für die Erstattung wird jedoch eine rtCGM-spezifische Schulung der Patienten gefordert.

Herstellerspezifische technische Einführungen in die Handhabung von CGM-Systemen allein erfüllen die geforderten Schulungskriterien nicht. Für rtCGM-Systeme steht das herstellerunabhängige Schulungsprogramm SPEC-TRUM zur Verfügung [7], dessen Effektivität vor kurzem belegt wurde [8].

Für iscCGM-Systeme wird das Schulungsprogramm FLASH angeboten [9]. Im Jahr 2019 wurde die neueste Version des iscCGM-System ebenfalls in das Hilfsmittelregister (rtCGM) aufgenommen.

Derzeit gibt es drei CGM-Systeme, die von den Herstellern als Ersatz für BZ-Messungen deklariert werden. Demnach können die CGM-Werte ohne zusätzliche BZ-Messungen für Therapieentscheidungen genutzt werden.

In bestimmten Situationen, wie z. B. bei hypoglykämischen oder unklaren CGM-Werten sind zusätzliche BZ-Messungen notwendig. Schulungen von Anwender und Therapeut sind Voraussetzung für eine optimale CGM-Daten-Nutzung für Therapieentscheidungen [1,5].

Damit CGM-Systeme verlässliche Glukosewerte liefern, müssen sie kalibriert werden. Eine korrekte kapillare BZ-Messung ist dafür Voraussetzung. Derzeit sind zwei werkskalibrierte CGM-Systeme auf dem Markt, bei denen keine Kalibration durch den Anwender erforderlich ist.

Ein System bietet aber die Möglichkeit der zusätzlichen Kalibration an [1,5].

Durch CGM können Glukosekonzentrationen sichtbar werden, die bisher unbekannt waren, wenn zu diesem Zeitpunkt keine BZ-Messung durchgeführt wurde. Die in Abb. 2 dargestellten hyperglykämischen Werte nach der Mahlzeit könnten beim Anwender zu fehlerhaften Insulingaben und somit zu Hypoglykämien führen.

Es existiert eine physiologische Zeitverzögerung zwischen Gewebezucker und Blutzucker. Die Einstellung des Gleichgewichts der beiden Glukosewerte kann einige Minuten benötigen.

Besonders bei raschen Glukoseschwankungen (z. B. nach Nahrungsaufnahme) treten zeit-liche Differenzen auf [5]. Zusätzlich existiert durch die Verarbeitung der ge-wonnenen Daten eine technische Zeitverzögerung zwischen der Messung und der Werteanzeige im System.

Messgenauigkeit bei CGM

Im Gegensatz zu BZMS gibt es derzeit keine Standards zur Beurteilung der Messgenauigkeit von CGM-Systemen. Mit herstellerspezifischen Algorithmen und ggf. Kalibrierungen wird die aktuelle Glukosekonzentration berechnet.

Referenzmessungen für Glukosekonzentrationen im Unterhautfettgewebe sind nicht verfügbar, sodass sich die Glukosewerte je nach CGM-System, Kalibrationsmethode oder dem zur Kalibration verwendeten BZMS unterscheiden können [10,11].

Für die Praxis sollten also neben der Compliance der Anwender auch die fehlenden CGM-Standards, sowie die unterschiedlichen Algorithmen und Einstellmöglichkeiten der Systeme berücksichtigt werden.

Eine Option der schmerzfreien Glukosemessung stellen nichtinvasive Systeme dar. Derzeit gibt es diverse Studien zu diesen Messsystemen, praktische Anwendung im Alltag finden die Systeme momentan eher nicht [12].

Interessenkonflikte:

Guido Freckmann ist Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des IDT (Institut für Diabetes-Technologie Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm, Ulm), welches klinische Studien zu Medizinprodukten für die Diabetestherapie auf eigene Initiative oder für verschiedene Firmen durchführt. GF/IDT erhielt bzw. erhält Vortrags-/Beratungshonorare von Abbott, Ascensia, Dexcom, i-SENS, LifeScan, Menarini Diagnostics, Metronom Health, Novo Nordisk, PharmaSens, Roche, Sanofi, Sensile und Ypsomed.

Sandra Schlüter erhielt bzw. erhält Vortragstätigkeiten/Beratungshonorare von Abbott, Ascensia, Astra Zeneca, Berlin Chemie, Dexcom, Medtronic, Menarini, MSD, Novo Nordisk, Roche, Sanofi und Ypsomed.

Literatur:

  1. Heinemann L, Deiss D, Siegmund T et al. Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Glukosemessung und -kontrolle bei Patienten mit Typ-1-oder Typ-2-Diabetes. Diabetologie und Stoffwechsel 2019; 14 (Suppl 2): 119–141
  2. Freckmann G. Diabetestechnologie Was gibt es Neues, was bringt die Zukunft? Der Allgemeinarzt 2006; 3: 4-11
  3. DIN Deutsches Institut für Normung. Testsysteme für die In-vitro-Diagnostik – Anforderungen an Blutzuckermesssysteme zur Eigenanwendung bei Diabetes mellitus (ISO 15197:2013); Deutsche Fassung EN ISO 15197:2015. In; 2015
  4. Pleus S, Baumstark A, Jendrike N et al. System accuracy evaluation of 18 CE-marked current-generation blood glucose monitoring systems based on EN ISO 15197:2015. BMJ open diabetes research & care 2020; 8:  DOI: 10.1136/bmjdrc-2019-001067
  5. Freckmann G. Basics and use of continuous glucose monitoring (CGM) in diabetes therapy. Journal of Laboratory Medicine 2020; 44: 71–79
  6. Battelino T, Danne T, Bergenstal RM et al. Clinical Targets for Continuous Glucose Monitoring Data Interpretation: Recommendations From the International Consensus on Time in Range. Diabetes Care 2019; 42: 1593-1603 DOI: 10.2337/dci19-0028
  7. Gehr B, Holder M, Kulzer B et al. SPECTRUM: A Training and Treatment Program for Continuous Glucose Monitoring for All Age Groups. J Diabetes Sci Technol 2016; 11: 284-289
  8. Freckmann G, Schlüter S, Wintergerst P et al. 338-OR: Evaluation of the Spectrum Training Program for Real-Time Continuous Glucose Monitoring: A Multicenter Prospective Study in 120 Adults with Type 1 Diabetes; 2020
  9. Hermanns N, Ehrmann D, Schipfer M et al. The impact of a structured education and treatment programme (FLASH) for people with diabetes using a flash sensor-based glucose monitoring system: Results of a randomized controlled trial. Diabetes Res Clin Pract 2019; 150: 111-121 DOI: 10.1016/j.diabres.2019.03.003
  10. Link M, Kamecke U, Waldenmaier D et al. Comparative Accuracy Analysis of a Real-time and an Intermittent-Scanning Continuous Glucose Monitoring System. J Diabetes Sci Technol 2019: 1932296819895022 DOI: 10.1177/1932296819895022
  11. Freckmann G, Link M, Pleus S et al. Measurement Performance of Two Continuous Tissue Glucose Monitoring Systems Intended for Replacement of Blood Glucose Monitoring. Diabetes Technol Ther 2018; 20: 541-549 DOI: 10.1089/dia.2018.0105
  12. Heinemann L, Schlueter S, Freckmann G. Systeme zur nichtinvasiven Glukosemessung. Diab Stoffw 2020; 29: 127
  13. Institut für Diabetes-Technologie, Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm, E-Mail: diabetes@idt-ulm.de
  14. Diabetespraxis Northeim
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