Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-DiabetesAktualisierte NVL Diabetes: Neuer Diagnosealgorithmus

Neue Empfehlung zum Screening, zu Nachsorgeintervallen sowie ein neuer Diagnosealgorithmus: Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes ist überarbeitet worden.

Diagnose Typ-2-Diabetes: Die aktualisierte NVL enthält einen neuen Algorithmus.

In der dritten Version der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes wurden die Kapitel zu Epidemiologie, Screening und Diagnostik aktualisiert („Der Hausarzt“ berichtete). Die übrigen Kapitel – darunter auch das zur medikamentösen Therapie – aus der 2021 erschienenen zweiten Version wurden überprüft, bestätigt und sind damit weiter gültig. Die wichtigsten Neuerungen finden Sie im Folgenden kompakt zusammengefasst.

Screening-Angebot für Risikopersonen

Die erste Neuerung: „Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko soll die Untersuchung auf das Vorliegen eines Diabetes angeboten werden.“ Denn nach Auswertung epidemiologischer Daten kommen die Autorinnen und Autoren zu dem Ergebnis, dass einem Teil der Personen mit Diabetes ihre Erkrankung nicht bewusst ist.

Gleichzeitig liegt die Übersterblichkeit bei dieser Personengruppe in einem ähnlichen Größenverhältnis wie für Personen mit bekanntem Diabetes (verglichen jeweils mit Menschen ohne Diabetes). Abzuwägen seien aber potenzielle Schäden durch unzureichende oder falsche Testergebnisse und gegebenenfalls erforderliche weitere Diagnostik. „Einem möglichen Schaden [..] kann durch eine realistische Risikokommunikation und wertschätzende Gesprächsführung aus Sicht der Leitliniengruppe entgegengewirkt werden.“

Die Leitlinie empfiehlt bei Menschen mit erhöhtem Risiko zudem lebensstilmodifizierende Maßnahmen. Diese können das Risiko für Diabetes sowie möglicherweise Folgen des Diabetes senken. Ein Screening der Allgemeinbevölkerung, das über die Maßnahmen der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung hinausgeht, wird nicht empfohlen.

Neuer Diagnose-Algorithmus

Die Leitliniengruppe fordert im neuen Diagnose-Algorithmus bei Personen mit Verdacht auf Diabetes (z.B. bei auffälligem Wert im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung; bei diabetestypischen Symptomen wie Polyurie, Polydipsie und Gewichtsverlust oder bei Auftreten diabetesassoziierter Erkrankungen) jetzt zwei Laborwerte im pathologischen Bereich, um Typ-2-Diabetes zu diagnostizieren. Das können sein:

  • Nüchternplasmaglukose (NPG): erhöhtes Risiko bei 100 bzw. 110 bis 125 mg/dl (Dissens zwischen Fachgesellschaften ob 100 oder 110 bis 125 mg/dl), pathologischer Bereich bei ≥126 mg/dl),
  • HbA1c (erhöhtes Risiko bei 5,7 bis < 6,5%, pathologischer Bereich bei ≥ 6,5%) oder gegebenenfalls
  • Gelegenheitsplasmaglukose (GPG ≥ 200 mg/dl); siehe auch Abbildung unten.

Sind die Ergebnisse widersprüchlich und/oder liegen im Bereich des erhöhten Risikos, wird ein dritter Laborwert bestimmt, gegebenenfalls wird ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt (siehe auch Abbildung unten).

Hinweis: Auch hier besteht zwischen den Fachgesellschaften ein Dissens. Der oGTT hat nach Einschätzung der Fachgesellschaften DEGAM, AkdÄ und der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) keinen Stellenwert in der Diagnose des Typ-2-Diabetes in der hausärztlichen Praxis.

Die Position der DDG/DGIM lautet hingegen: „Der oGTT gilt [..] international immer noch als der Goldstandard in der Diagnose eines Diabetes. HbA1c und NPG können nach Einschätzung von DDG und DGIM wegen unzureichender Sensitivität den oGTT nicht vollständig ersetzen. Bei diskrepanten Aussagen der verschiedenen Messgrößen (NPG und HbA1c) oder Ergebnissen im Bereich des erhöhten Risikos sehen DDG und DGIM daher einen Anlass, den Einsatz des oGTT zu empfehlen.“

Das Autorenteam weist grundsätzlich darauf hin, dass HbA1c-Werte nur dann aussagekräftig sind, wenn mit hinreichender Sicherheit keine Störfaktoren oder Einflussgrößen vorliegen. Die GPG ist nur zur Bestätigung der Diabetesdiagnose verwendbar, wenn das Ergebnis im sicher pathologischen Bereich liegt.

Grundsätzlich ließen die Diagnoseparameter zudem nur eine Aussage zum aktuellen Zeitpunkt zu. Insbesondere bei Ergebnissen im Grenzbereich sei es daher sinnvoll, die Diagnose Typ-2-Diabetes im Verlauf zu überprüfen.

Vorgehen bei Personen mit dringlichem Handlungsbedarf

Bei Personen mit diabetesspezifischen Symptomen und dringlichem Handlungsbedarf kann von dem Diagnosealgorithmus abgewichen werden, um einen abwendbar gefährlichen Verlauf (AGV) zu erkennen und zu verhindern:

„Bestehen bei einer Person Symptome, die für einen Diabetes sprechen (Gewichtsverlust, Bauchschmerzen, neu aufgetretene Visusstörungen, Abgeschlagenheit, Polydipsie und Polyurie) besteht eine hinreichend hohe Vortestwahrscheinlichkeit und dringlicher Handlungsbedarf. Daher empfiehlt die Leitliniengruppe, umgehend eine Blutglukosebestimmung (patientennahe Sofortdiagnostik, „Streifentest“) und eine Urinuntersuchung (Streifentest) auf Glukose und Ketone durchzuführen. Bestimmungen der Plasmaglukose bzw. des HbA1c-Wertes mittels standardisierter und qualitätsgesicherter Labormethoden ergänzen die Diagnostik bei Erstdiagnose, spielen aber für die Akutsituation zunächst eine untergeordnete Rolle, da die Ergebnisse nicht unmittelbar vorliegen und zur Therapieplanung genutzt werden können.“

Aus Sicht der Leitliniengruppe ist bei Personen mit diabetesspezifischen Symptomen ein eindeutig pathologisches Ergebnis eines Laborparameters zur Diagnosestellung ausreichend.

Kann ein AGV ausgeschlossen werden, kann im Folgenden gemäß Diagnosealgorithmus vorgegangen werden.

Empfehlungen zu Nachsorge-Intervallen

Da bei Menschen mit Typ-2-Diabetes das Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen besteht, empfiehlt die NVL regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sowie deren Dokumentation:

  • Diabetische Neuropathie: Das zuvor jährliche Screening wird nun risikoadaptiert alle ein bis zwei Jahre empfohlen. Dabei rät die Leitliniengruppe, mindestens einen Großfasertest und einen Kleinfasertest zu kombinieren. Für die Prüfung des Achillessehnenreflexes sieht sie wegen der geringen Zuverlässigkeit keinen Stellenwert mehr.
  • Fußläsionen: Ohne diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) und ohne periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) mindestens einmal jährlich; bei DSPN und/oder PAVK alle drei bis sechs Monate.
  • Nephropathie: Einmal jährlich.
  • Retinopathie: Risikoadaptiert; bei bekanntem geringen Risiko alle zwei Jahre, ansonsten jährlich.
  • Depressive Störungen und andere psychische Komorbiditäten: Einmal jährlich oder anlassbezogen.
  • Abschätzung kardiovaskuläres Risiko: Einmal jährlich oder anlassbezogen.

Version drei wird nicht die letzte Aktualisierung der NVL sein, demnächst beschäftigen sich die Autorinnen und Autoren mit weiteren Kapiteln. Die jetzige dritte Version ist gültig bis zum 15. Mai 2028.

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