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ERCLeitlinien-Update: Reanimation im Jahr der Pandemie

Im Frühling sind die überarbeiteten Reanimationsleitlinien des ERC erschienen. Was ändert sich für Hausärzte?

Im März 2021 sind die neuen, überarbeiteten Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) erschienen. Zunächst erfreulich: Es gibt im Vergleich zu den Leitlinien 2020 keine wesentlichen Änderungen beim Advanced Life Support (ALS) beim Erwachsenen.

Die empfohlene Herangehensweise bleibt das ABCDE -Schema zur Überprüfung der Indikation einer Reanimation (s. Tab. 1). Während der Covid-19-Pandemie sollten Ersthelfende den Bewusstseinszustand und die Atmung der betroffenen Person lediglich durch Ansprechen und Berühren sowie Beobachten des Brustkorbs prüfen. Achten Sie zudem auf zweckmäßige Schutzausrüstung.

Beatmungsfrequenz bei Kindern ans Alter anpassen

Die kardiopulmonale Reanimation (CPR) startet wie vormals: Erwachsene: 30:2, Beginn mit der Thoraxkompression; Kinder: 15:2, Beginn mit 5 Atemspenden (dies gilt für alle Kinder, die den Kreißsaal verlassen haben, bis zur Pubertät). Neu: Die Beatmungsfrequenz bei Kindern (früher: 10/min!) wird nun ans Alter angepasst (s. Tab. 2).

Für das Airway-Management empfiehlt die Leitlinie ein schrittweises Herangehen: Nach Beginn mit grundlegenden Atemwegstechniken soll je nach Fähigkeiten eskaliert werden, bis eine effektive Beatmung sichergestellt ist, welche es mittels Kapnografie zu verifizieren gilt.

Als Expertenkonsensus für den ehemaligen Goldstandard der endotrachealen Intubation gilt als befähigter Helfer, wer im Schnitt 19 von 20 Intubationen im spätestens zweiten Versuch schafft. Wie bei der Defibrillation soll auch für eine Intubation angestrebt werden, die Herzmassage für höchstens 5 Sekunden zu unterbrechen.

Bei alternativer Atemwegssicherung rät die Leitlinie zur Nutzung von gecufften Tuben – unter anderem, um Fehler bei der Tubenauswahl zu vermeiden, die Genauigkeit der Kapnografie zu bessern, die Verabreichung von Tidalvolumina zu sichern und die Aspirationsrate zu reduzieren; zudem sind weniger Tubuswechsel nötig und eine Standardisierung ist möglich.

Anmerkung: Für die Hausarztpraxis ist es daher zielführend, sich mit alternativen Atemwegssicherungen wie dem Larynx-Tubus zu beschäftigen und die Basics der Bebeutelung mit Guedel-Tubus zu trainieren.

Die Defibrillationsstrategien bleiben unverändert: Bei Erwachsenen 120 – 150 J, schrittweise steigern auf maximal 360 J; bei Kindern 4 J/kg KG. Für die Praxis empfiehlt sich aufgrund eines besseren Outcomes die Vorhaltung eines AED mit selbstklebenden Paddles.

Die duale Defibrillation, also die Anwendung von zwei Defibrillatoren parallel bzw. ultrakurz hintereinander, soll außerhalb von Forschungsvorhaben nicht zum Einsatz kommen. Die “no-flow-time” soll durch Maßnahmen wie dem Laden bereits vor Analyse oder Drücken unmittelbar bis zum Schock weiter verringert werden.

Amiodaron und Lidocain sind bei VT/VF gleichwertig

Für die Medikamentenapplikation ist der intravenöse (i.v.) Zugang Mittel der Wahl. Die intraossäre (io.) Gabe ist kein Standard, sondern eine Reservemaßnahme, falls eine i.v.-Gabe nicht (rasch) möglich ist (schwache Evidenz für schlechteres Outcome bei Medikamentengabe über io.-Zugänge).

Zeitpunkte und Dosierungen von Adrenalin bleiben unverändert: Bei Non-VF/VT so schnell wie möglich, bei VF/VT initial nach dem dritten Schock. Eine Wiederholung erfolgt jeweils nach 3 bis 5 Minuten. Bei Kindern: Erstdosis Amiodaron 5 mg/kg gemeinsam mit Adrenalin unmittelbar nach dem dritten Schock geben.

Neu ist, dass Amiodaron und Lidocain bei VT/VF gleichwertig sind:

  • nach dem dritten Schock: Amiodaron 300 mg ODER Lidocain 100 mg iv./io.
  • nach dem fünften Schock: Amiodaron 150 mg ODER Lidocain 50 mg iv./io.

Reversible Ursachen: Auch “5. H” prüfen

Eine erweiterte technische Diagnostik wie die Beurteilung der Myokard-Kontraktilität durch Ultraschall (Point-of-Care-Diagnostik – nur durch qualifizierte Anwender und ohne Zeitverlust) kann zur Detektion potenziell reversibler Ursachen herangezogen werden, ist jedoch nicht als alleiniger Indikator für einen Reanimationsabbruch anzusehen.

Mechanische Geräte zur Thoraxkompression sollen nur zum Einsatz kommen, wenn die Situation es erfordert. Ein Einsatz der extrakorporalen CPR (eCPR) ist in ausgewählten Situationen zu erwägen, auch hierbei wird mehr Wert auf die Beseitigung reversibler Ursachen gelegt.

Die Abkürzung “HITS” steht für vier mögliche Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstands, die gemeinsam mit den “4H” bei einer CPR gecheckt werden: H = Herzbeuteltamponade, I = Intoxikation, T = Thrombembolie, S = Spannungspneumothorax.

Die Abkürzung “4H” steht für vier weitere mögliche reversible Ursachen: Hypoxie, Hypovolämie, Hypothermie, Hypo- bzw. Hyperkaliämie. Anmerkung: Gerade im ambulanten Sektor sollte bei unklaren Bewusstseinstrübungen auch das “5. H” (Hypoglykämie) stets mit geprüft werden!

Neues Vorgehen bei Tachykardie

Neu in 2021 ist, dass die Tachykardie nach Breit- oder Schmalkomplex-Tachykardie und jeweils regelmäßig oder unregelmäßig eingeteilt und ein Vorgehen nach Flowchart (s. Abb. 2) empfohlen wird.

Bei der Asystolie gilt unverändert, dass nur bei P-Wellen-Asystolie (instabil) Pacing versucht werden soll. Auch bei der medikamentösen Therapie der Bradykardie hat sich nichts geändert (Atropin; falls dieses nicht effektiv: Adrenalin (2-10 µg/min) oder Isoprenalin (5 µg/min); kein Atropin bei Herztransplantierten).

Bei instabilen Patienten mit symptomatischer Bradykardie, die auf medikamentöse Therapien nicht anspricht, ist eine Schrittmachertherapie zu erwägen. Bei schwerer Anaphylaxie wird für Erwachsene als i.v.-Dosierung von Adrenalin 20 – 50 µg angegeben. Die Erstbehandlung erfolgt wie bisher mit 0,5 mg Adrenalin i.m. (vgl. auch [9]).

Hausärztliches Engagement zählt

Überarbeitet und ergänzt haben die Leitlinienautoren ferner die Abschnitte zu Traumareanimation und Intoxikationen sowie Hyperkaliämie – da dies für die Hausarztpraxis weniger relevant ist, gehe ich hier nicht weiter darauf ein.

In den Leitlinien 2021 wurde zudem – nicht zuletzt wohl wegen der durch die SARS-CoV-2-Pandemie bedingten Veränderungen (s. Abb. 3) – auf die große Bedeutung organisatorischer Aspekte hingewiesen.

Neben der unmittelbar an die Reanimation nachfolgende ROSC-Phase und entsprechender Auswahl geeigneter Zielkliniken heben die Leitlinien die Bedeutung des frühzeitigen AED-Einsatzes und der Laien-Anleitung per Telefonreanimation hervor.

Bei der Optimierung der Ersthelferalarmierung, der Ausbildung auch von Kindern in der Notfallalarmierung und der Förderung von Laienreanimation und AED-Einsatz können wir niedergelassenen (Haus-)Ärzte durch unser ehrenamtliches Engagement einen wichtigen Beitrag leisten.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

(Weiterführende) Literatur:

  1. European Resuscitation Council (2021): New ERC Guidelines. Verfügbar unter: www.cprguidelines.eu
  2. European Resuscitation Council (2021): Resuscitation 2021: The Guidelines Congress. Verfügbar unter: www.erc.edu
  3. German Resuscitation Council (2021): Reanimation 2021. Leitlinien Kompakt. Verfügbar unter: www.nerdfallmedizin.blog/2021/03/25/neue-reanimationsleitlinien-2021-erc
  4. Soar J et al. Erweiterte lebensrettende Maßnahmen für Erwachsene. Notfall Rettungsmed 24, 406–446 (2021).doi: 10.1007/s10049-021-00893-x
  5. Christian MD, Couper K (2020). COVID-19 and the global OHCA crisis: an urgent need for system level solutions. Resuscitation. doi: 10.1016/j.resuscitation.2020.11.004
  6. Soar J et al. Berichtigung zu “European Resuscitation Council Guidelines 2021: Adult Advanced Life Support” [Reanimation 161 (2021) 115–151]
  7. Reanimation, Band 167, Oktober 2021, Seiten 105-106
  8. S2k-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. Update 2021 Allergo J Int 2021; 30: 1–25.

Fazit: Die fünf Kernaussagen 2021

  1. Hochwertige Thoraxkompressionen mit minimaler Unterbre chung und frühzeitiger Defibrillation sowie Therapie der reversiblen Ursachen haben oberste Priorität.
  2. Frühwarnsymptome treten oftmals bereits vor dem Kreislaufstillstand auf. Durch Patientenidentifizierung, Laien-Schulung und frühzeitige Alarmierung wäre der Arrest und Folgeschäden in Häufigkeit und Schwere reduzierbar.
  3. Beatmung: Basismaßnahmen und erweiterte Maßnahmen je nach Ausbildungsstand; nur Erfahrene mit hoher Erfolgsrate sollen endotracheal intubieren.
  4. Frühzeitig Adrenalin bei Asystolie und Pulsloser Elektrodermaler Aktivität (PEA).
  5. Bei ausgewählten Patienten soll (sofern möglich) auch die extrakorporale Cor-Pulmo-Reanimation (eCPR) erwogen werden.
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