Hannover. Niedersachsen braucht dringend mehr Studienplätze für Medizin, um den drohenden Ärztemangel in der Zukunft in den Griff zu bekommen. Darin waren sich bei einer Landtagsdebatte zum Thema hausärztliche Versorgung am Donnerstag (23.8.) Vertreter fast aller Parteien einig. Anlass dazu gab ein entsprechender Antrag von SPD und CDU. Darin fordern die beiden Parteien die Landesregierung unter anderem auf, mehr Medizinstudienplätze bereitzustellen und mehr Ausbildungsphasen in Arztpraxen zu ermöglichen.
“20 Prozent der Hausärzte in Niedersachsen werden in den kommenden Jahren altersbedingt aufgeben”, warnte der CDU-Abgeordnete Burkhard Jasper. Und sein Kollege Uwe Schwarz von der SPD ergänzte: “Zusätzlich zu den bereits jetzt nicht besetzten 365 Hausarztstellen werden in zehn Jahren noch tausend weitere hinzukommen.” Für die Grünen forderte Meta Janssen-Kucz: “Wir brauchen mindestens 20 Prozent mehr Studienplätze für Medizin.” Zudem soll die Kassenärztliche Vereinigung ein Modell “Hausärztliche Versorgung” etablieren, das Nachwuchsärzte beim Übergang von Studium zu Weiterbildung und Niederlassung unterstützt, geht es nach dem Antrag. Als weitere Maßnahmen sollen ärztliche Kooperationen, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Breitbandausbau als Voraussetzung für telemedizinische Angebote gefördert werden, heißt es.
Darüber hinaus soll die Landesregierung den Einsatz von Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) sowie die Zusammenarbeit mit Pflegediensten “einschließlich der Substitution von Tätigkeiten” fördern, fordern SPD und CDU. Sowohl zusätzliche Medizinstudienplätze als auch die Unterstützung der VERAH begrüßt der Hausärzteverband Niedersachsen als positive Signale, um die hausärztliche Versorgung zu sichern. Dies sei “ein Schritt in die richtige Richtung, um mehr Studentinnen und Studenten als künftige Hausärzte zu gewinnen”, lobte Verbandsvorsitzender Dr. Matthias Berndt.
Koalitionsvertrag sieht bis zu 200 neue Studienplätze vor
Laut Wissenschaftsministerium studierten im vergangenen Wintersemester 2017/2018 an niedersächsischen Hochschulen 4.643 Männer und Frauen Medizin. Auch Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker fordert, diese Zahl auszuweiten. “Um die Situation kurzfristig zu entspannen, müssen jetzt sofort mindestens 250 Studienplätze neu geschaffen werden.” Die Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Zahl der Medizinstudienplätze um bis zu 200 zusätzliche Plätze in Niedersachsen erhöht werden solle.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) sind derzeit 7,2 Prozent der Hausarztsitze frei – von den rund 5.035 Stellen sind rund 365 nicht besetzt. Das bedeutet eine leichte Verschlechterung im Vergleich zum Vorjahr – damals fehlten 330 Hausärzte.
Doch wie soll man fertige junge Mediziner dazu bewegen, sich auf dem Land niederzulassen? Ärzte müssten sich heute ständig fortbilden, sie wollten außerdem mehr Zeit für ihre Familie haben, sagte der CDU-Politiker Jasper. Diese Aspekte erschwerten die Entscheidung für eine Landpraxis mit unberechenbaren Arbeitszeiten und Nacht- und Wochenendbereitschaften. “63 Prozent der Medizinstudenten sind Frauen. Die gewünschten Rahmenbedingungen haben sich deutlich verändert. Ärztinnen bevorzugen Teilzeitarbeitsplätze oder Gemeinschaftspraxen”, sagte der SPD-Abgeordnete Schwarz. Er warb erneut für die Einführung einer Landarztquote. “Sie ist kein Allheilmittel, aber sie kann durchaus ein wichtiger Baustein sein, wenn es um die zukünftige ärztliche Versorgung auf dem Land geht.”
Keine Einigkeit über Landarztquote
Doch über die Landarztquote ist sich die Koalition aus SPD und CDU uneins. Während Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) angeregt hatte, eine Landarztquote für zehn Prozent der Studierenden einzuführen, hält Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) dies für “verfassungsrechtlich bedenklich”.
Sozialministerin Carola Reimann (SPD) wies in ihrer Rede daraufhin, dass Niedersachsen mit einem freiwilligen Landarzt-Stipendienprogramm für Medizinstudenten bereits sehr positive Erfahrungen gemacht habe. Das Sozialministerium zahlt gegenwärtig 27 Studierenden für vier Jahre ein Stipendium von 400 Euro im Monat – im Gegenzug haben sich diese verpflichtet, nach dem Studium für mindestens vier Jahre als Arzt auf dem Land zu arbeiten. Die Resonanz zeige, dass beim medizinischen Nachwuchs durchaus Interesse an einer Niederlassung außerhalb von Großstädten bestehe, so Reimanns Fazit. Als nächsten wichtigen Schritt appellierte Reimann an den Bundesebene, um die neue Richtlinie zur Bedarfsplanung voranzubringen. Dadurch werde gezeigt, wo Engpässe entstehen. (Mitarbeit jvb)
Quelle: dpa/lni