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InterviewAnämie: Risikogruppen im Blick behalten

Eine Anämie kann zahlreiche Ursachen haben und ist überdies nicht immer leicht zu erkennen. Wann sollte der Hausarzt hellhörig werden und den Patienten zum Spezialisten überweisen? Unsere Autorin Dr. Marion Hofmann-Aßmus sprach mit Prof. Guntram Lock vom Albertinen-Krankenhaus in Hamburg.

Welche Patienten sind besonders gefährdet, eine Anämie zu entwickeln?

Lock: In der Regel entsteht eine Anämie entweder durch einen Blut- bzw. Eisenverlust, eine Hämolyse oder eine Blutbildungsstörung.

Eisenmangel ist eine der häufigsten Ursachen der chronischen Anämie. Bei jüngeren Frauen beruht dies häufig auf einem starken Blutverlust während der Menstruation. Eine Eisenmangelanämie sollte ansonsten immer Anlass zu einer sorgfältigen gastroenterologischen Untersuchung mit Magen- und Darmspiegelung sein.

Blutbildungsstörungen können beispielsweise auf einen Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure zurückgehen. Ein Vitamin B12-Mangel kommt bei Patienten mit einer Autoimmungastritis oder nach operativer Magenresektion vor. Bei diesen Erkrankungen ist die Magenschleimhaut im Corpus und Fundus – den Bildungsorten des intrinsischen Faktors – atrophiert oder gar nicht mehr vorhanden. Der resultierende Mangel an intrinsischem Faktor führt zu einer Resorptionsstörung des für die Erythropoese benötigten Vitamin B12. Analog kann eine B12-Resorptionsstörung auch nach Resektion oder bei schwerer Entzündung des terminalen Ileums, beispielsweise im Rahmen eines M. Crohn, auftreten. Auch eine mangelnde Zufuhr von Vitamin B 12 – beispielsweise bei strikt veganer Diät – oder Folsäure – unter anderem bei alkoholkranken Patienten – kann zu entsprechenden Mangelerscheinungen mit einer Anämie führen.

Bei Patienten im fortgeschrittenen Alter muss man an die myelodysplastischen Syndrome denken, bei welchen die Blutbildung im Knochenmark gestört ist, weshalb keine reifen, funktionstüchtigen Blutzellen mehr entstehen. Und natürlich können auch chronische Leber- oder Nierenerkrankungen zu einer Anämie führen. Außerdem kann die Einnahme diverser Medikamente in verstärkten Blutungen oder auch in Störungen der Blutbildung resultieren.

Welche Medikamente können Blutungen oder Blutbildungsstörungen verursachen?

Hier sind insbesondere die Gerinnungshemmer zu nennen, die ältere Patienten häufig einnehmen. Sie führen dazu, dass Läsionen im Magen-Darm-Trakt – etwa aufgrund eines Magengeschwürs oder eines Tumors – stärker bluten. Selbst wenn diese Blutungen nicht makroskopisch sichtbar sind, kann der Patient über die Zeit anämisch werden, und wir finden inzwischen relativ häufig Kolonkarzinome, die sich nach Einnahme von Gerinnungshemmern lediglich durch eine symptomatische Anämie “demaskieren”.

Vorsicht ist auch bei einer längerfristigen Einnahme von Analgetika aus der Gruppe der NSAR geboten – hier können ebenfalls zunächst okkulte Blutungen auftreten.

Zu den Medikamenten, welche die Blutbildung beeinflussen, zählen Zytostatika wie das Methotrexat, das auch bei Rheuma- oder Psoriasispatienten eingesetzt wird. Häufige Blutbildkontrollen sind zudem bei Patienten unter Immunsuppressiva wie beispielsweise Azathioprin erforderlich.

Wann sollte der Hausarzt den Patienten zum Spezialisten überweisen?

Ein erster Hinweis auf die Ursache einer Anämie ergibt sich meist schon aus den Parametern des “kleinen Blutbildes”. Zu kleine Erythrozyten mit einem niedrigen MCV sprechen z.B. für eine Eisenmangelanämie, zu große für eine Reifungsstörung, beispielsweise im Rahmen eines Vitamin B12-Mangels. Weisen sämtliche Zellreihen zu geringe Werte auf, können eine aplastische Anämie oder auch eine akute Leukämie dahinter stecken. Gleiches gilt für Patienten, deren Blutbild eine große Anzahl unreifer Leukozyten enthält. Je nach vermuteter Ursache der Anämie sollte der Hausarzt dann zügig an den Gastroenterologen oder den Hämato- Onkologen weiterüberweisen.

Natürlich sind alle Werte stets im klinischen Kontext zu betrachten. Das gilt auch für die Dringlichkeit einer Bluttransfusion: So können junge Menschen chronisch erniedrigte Hämoglobinwerte durchaus relativ symp-tomarm aushalten, während die gleichen Werte bei älteren Patienten mit Herzerkrankungen zu einer lebensbedrohlichen akuten Dekompensation führen können.

Vielen Dank für das Gespräch.


Therapie der Eisenmangelanämie

Die Art der Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Liegt z.B. eine Eisenmangelanämie vor, sollte die Ursache ermittelt und nach Möglichkeit beseitigt werden. So lassen sich chronische Blutverluste bei Frauen häufig durch gynäkologische Maßnahmen stoppen.

Auch die Behandlung von Hämorrhoiden, eine Polypenabtragung oder das Eindämmen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung verbessert die Situation.

Hat der Eisenmangel bereits das Stadium einer eisendefizitären Erythropoese erreicht, ist parallel zur Ursachenbeseitigung eine medikamentöse Eisensubstitution erforderlich. Die Leitlinie rät zu einer oralen Eisensubstitution mit zweiwertigen Eisenpräparaten [1].

Allerdings kann der Körper nur 5–10 Prozent der Dosis tatsächlich resorbieren und viele Patienten reagieren auf die orale Eisengabe mit Übelkeit oder gastrointestinalen Beschwerden. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit einer intravenösen Substitution.

Gemäß der Leitlinie ist diese bei Patienten zu erwägen, die auf zwei verschiedene orale Eisenpräparate Unverträglichkeiten zeigten, diese nicht tolerierten oder unter einer Eisenresorptionsstörung leiden. Patienten, die aufgrund einer Tumor- oder Chemotherapie-bedingten Anämie Erythropoese-stimulierende Substanzen erhalten, sollten grundsätzlich eine intravenöse Substitution erhalten.

Cave: Bei Patienten mit allergischen, immunologischen und inflammatorischen Erkrankungen, z.B. bei Asthma bronchiale, Ekzemen sowie weiteren atopischen Erkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Überempfindlichkeitsreaktion. Während der Infusion sollte der Patient daher überwacht und anschließend für 30 Minuten nachbeobachtet werden.

Literatur

  1. Onkopedia Leitlinie: Eisenmangel und Eisenmangelanämie. Stand: Dezember 2018
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